Wertschätzende Organisationsentwicklung. David Schneider
Читать онлайн книгу.zu Co-Autoren. Je nachdem, welchen „dramaturgischen Akt“ wir uns anschauen, machen wir unterschiedliche Facetten einer Organisation sichtbar. Wir müssen daher konkret festlegen, welche Punkte wir betrachten wollen. Wir entscheiden selbst, worauf wir den Fokus lenken: Sind es die Probleme oder die Potenziale? Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten, erhält mehr Raum in unseren Köpfen und wird somit auch eher Realität (Konstruktivimus). Es liegt an uns, mit welchen Bildern und Metaphern wir die Geschichten einer Organisation illustrieren und weitertragen.
(4) Das antizipatorische Prinzip − Handlungsleitende Bilder.
Getreu dem Konstruktivismus leiten innere Bilder unser Handeln. Menschen und menschliche Systeme, z. B. Organisationen oder Teams, tendieren dazu, zu dem Bild zu werden, welches sie sich von sich selbst machen. Diese inneren Bilder haben eine vorausschauende Kraft, die Einfluss auf unser gegenwärtiges Handeln nimmt. Sie sind im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung handlungsleitend. Je positiver unser Bild der Zukunft ist, desto positiver werden die gegenwärtigen Handlungen umgesetzt.
(5) Das positive Prinzip − Positive Fragen bewirken positive Veränderung.
Im Umgang mit der Dynamik von kleinen oder großen Veränderungen brauchen Menschen in diesen Wandlungsprozessen große Mengen an positiver Energie und sozialer Bindung. Diese Energie wird am besten durch positive Fragen erzeugt, welche den positiven Kern verstärken. Das ist der Mittelpunkt einer Wertschätzenden Organisationsentwicklung: die Konzentration konsequent auf das Positive zu lenken, um dieses langfristig zu stärken. Der positive Kern einer Organisation wächst und entwickelt sich, wenn wir ihm mehr Beachtung schenken und ihn näher untersuchen.
(6) Das Ganzheitlichkeits-Prinzip − Bringt das Beste hervor.
Das Ganzheitlichkeits-Prinzip bringt das Beste im Menschen und Organisationen hervor. Es fördert die Kreativität und entwickelt eine kollektive Leistungsfähigkeit. Möglichst alle Anspruchsgruppen sollten in Entwicklungsprozesse involviert werden, um verschiedene Perspektiven eines Systems zu ergründen. Die sogenannten Stakeholder bringen ihre individuellen Sichtweisen auf spezifische Fragestellungen ein. Sind sie von den Auswirkungen strategischer Entscheidungen betroffen, ist es gerade im Kontext von Veränderung wichtig, ihre Perspektiven zu integrieren.
(7) Das Selbsterfüllungs-Prinzip − Handeln, als ob die ideale Zukunft schon existiert.
Wir sollten bereits in der Gegenwart die wünschenswerte Zukunft leben. Positive Veränderung gelingt, wenn wir das Bild unserer idealen Zukunft in das gegenwärtige Handeln übertragen. Wir sollten schon heute wie die Organisation handeln, die wir in Zukunft werden wollen. Dazu gehört auch einfach mal, etwas Neues auszuprobieren. Das können Gewohnheiten sein, die wir etablieren möchten oder neue Werkzeuge für die Zusammenarbeit. Die Organisation selbst wird zum realen Prototypen und Veränderungen werden direkt eingeleitet. Für Führung bedeutet das, ein Vorbild zu werden für gemeinschaftliches Handeln. Und kleine Veränderungen schaffen auch Bewegung. Veränderung beginnt üblicherweise in kleinen Teams oder im Handeln einzelner Personen, welches über die Zeit ausstrahlt. Menschen spüren schnell, ob andere ein wirkliches Interesse an Gemeinschaft haben. Das wirkt sich auf die Bildung des kollektiven Bewusstseins aus. Durch aktives Vorleben verbreiten wir Handlungsmöglichkeiten für mehr Gemeinschaft und Wertschätzung.
(8) Das Prinzip der Freiwilligkeit − Freie Entscheidungen mobilisieren Kräfte.
Freiwilligkeit motiviert. Frei bestimmtes autonomes Handeln fördert proaktives, positives Verhalten. Menschen sind motivierter und leisten mehr, wenn sie entscheiden können, was und wie sie etwas beitragen. Wenn wir den Menschen freie Wahl- und Ausgestaltungsmöglichkeiten geben, erhöhen wir die Chance, dass sie sich bestmöglich einbringen werden. Die freie Wahl stimuliert organisatorische Exzellenz und positive Veränderungen. Spitzenleistungen erbringen Menschen, wenn sie von ihrem eigenen Handeln überzeugt sind.
#Aufbau des Buches
Zum Einstieg in die Wertschätzende Organisationsentwicklung möchten wir zur Orientierung einen Überblick über die Methoden und Konzepte geben, die uns in der Begleitung von Entwicklungsprozessen bereichern. Die acht Wirkprinzipien Wertschätzender Organisationsentwicklung finden sich in allen ausgewählten Konzepten auf unterschiedliche Weise wieder. (1) Wozu − Wir fragen am Anfang jeder Konzeptbeschreibung nach ihrem Zweck, bzw. wozu sie verwendet und gebraucht werden. (2) Wesentliche Bausteine − Danach skizzieren wir die Grundlagen und Elemente, welche diesen Ansatz ausmachen. (3) Gedankenanstöße − Wir bieten Denkanreize zum Erkenntnisgewinn oder zur kritischen Auseinandersetzung mit bestehenden Annahmen. (4) Handeln − Zudem geht es uns darum, Ansatzpunkte zu liefern, damit wir ins Handeln kommen. (5) Reflexion − Im Reflexionsteil liefern wir Fragen für Ihre eigene Selbstreflexion. Zusammenfassend lenken wir den Fokus auf die aus unserer Sicht drei zentralen Betrachtungsperspektiven einer Wertschätzenden Organisationsentwicklung, die sich in allen von uns vorgestellten Konzepten wiederfinden:
1 1. Positive Kraft (Haltung) − Das zentrale Element einer Wertschätzenden Organisationsentwicklung ist die Haltung, mit welcher wir zur That schreiten, bestehend aus den dahinterliegenden Werten und Überzeugungen.
2 2. Experimentelle Erkundung (Handlung) − Komplexe Zeiten ermöglichen keine perfekten Pläne. Deshalb müssen wir „ins Tun kommen“ und kontinuierlich aus den gemachten Erfahrungen lernen.
3 3. Komplexitätsbewusstsein (Problembewusstsein) − Wertschätzende Organisationsentwicklung ist kein „Schön-Reden“, sondern bedarf eines hohen Reflexionanteils über Komplexität in der Welt und in jedem von uns.
Am Ende jedes Konzeptes überlassen wir den Neumachern das Wort. Im Gespräch mit Vordenkern, Meinungsführern und Transformationsgestaltern erfahren wir, was in spezifischen Kontexten wirklich zählt und in Zukunft wichtig sein wird. Alle Interviews fanden im Zeitraum von März bis August 2020 statt: Eine Zeit, die uns wohl allen in Erinnerung bleiben wird. Auf dem Weg ins „neue Normal“ spürten wir viel Energie im Umgang mit der Covid-19-Krise im organisationalen Kontext. Wenn wir die Krise als Chance zu Veränderung und Innovation begreifen, dann kann viel Positives entstehen.
Im Kapitel „Tools für den erfolgreichen Wandel“ zeigen wir Ihnen unsere Lieblingswerkzeuge im praktischen Einsatz entlang des 5-stufigen Appreciative-Inquiry-Prozesses.
Das Kapitel „Formate“ lenkt den Fokus darauf, dass Interaktionspunkte wichtig sind. Nur wenn wir miteinander kommunizieren, können wir kollektiv intelligenter werden. Wir zeigen mit einem einfachen spielerischen Ansatz, dass es viele Kombinationsmöglichkeiten gibt, um neue Formate auszuprobieren. Im Kontext des Fraunhofer Innovationsökosystems erfahren wir im exklusiven Gespräch mit Prof. Dr. Andreas Tünnermann und Dr. Kevin Füchsel, Institutsleiter und Abteilungsleiter des Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF, welche neuen Formate grenzüberschreitendes Denken fördern.
Im abschließenden Check-Out verabschieden wir uns und sagen Danke!
In diesem Sinne herzlichst, die Autoren.
Haltung
Wozu?
Mit dem Begriff Haltung fassen wir unsere innere Gesinnung zusammen. Diese besteht aus verankerten Denkmustern, Überzeugungen und Einstellungen und ergibt das (oft unbewusste) Fundament unseres Handelns und unserer Entscheidungen. Diese Haltung entwickelt sich über das gesamte Leben, ausgehend von