Respekt schlägt Harmonie. Rachael Robertson

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Respekt schlägt Harmonie - Rachael Robertson


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eingesetzt werden – Wirtschaft, Gemeinschaft oder Familie. Wie die Ergebnisse zeigen, hat der Einsatz dieser Instrumente sofortigen und positiven Einfluss auf Teams aller Art. Er sorgt dafür, dass die Menschen sich wertgeschätzt und gehört fühlen, und er lässt das Gefühl eines gemeinsamen Ziels aufkommen. Er trägt dazu bei, dass die Leute den Mund aufmachen, wenn es ihnen nicht so gut geht, oder wenn sie eine tolle Idee haben, die sie gern mitteilen würden.

      Wir müssen einander nicht lieben, ja wir müssen einander nicht einmal mögen; was wir aber müssen, ist einander mit Respekt zu behandeln. Wir müssen konfliktfähig sein. Denn Respekt geht über Harmonie, und zwar immer.

      Viel von dem, was ich im ewigen Eis erlebte, war dann auch so, wie ich es erwartet hatte – so, wie es in den Beschreibungen stand. Ja, es war eine kalte, trockene und raue Umgebung, die einen körperlich und geistig belastete. Ja, wir entwickelten starke Beziehungen untereinander in den 18 Monaten, die wir zusammen verbrachten. Und nein, ich würde das Ganze nicht noch einmal machen.

      Es waren jedoch die unerwarteten Dinge, die mich herausforderten, und davon gab es jede Menge. In jeder Rolle (von Beruf über Familie bis zum sozialen Miteinander) bringen wir eine ganze Reihe grundlegender Fertigkeiten und Kenntnisse mit ein, auf die wir uns verlassen, und erwartbare Ereignisse tragen dazu bei, diese auszubauen und zu verfeinern sowie neue zu entwickeln.

      Ich begann damit, dass ich schaute, wen wir dabei hatten, traf mich mit allen Teilnehmern persönlich, immer auf der Suche nach einem verbindenden Element zwischen uns. Damit scheiterte ich. Auf ganzer Linie. Wir hatten alle wenig bis gar nichts gemeinsam, abgesehen von der scheinbar verrückten Entscheidung, eine Saison lang in der Antarktis verbringen und arbeiten zu wollen.

      Antarktis … Lassen Sie mich den Schauplatz kurz skizzieren:

       Kalt: Es ist der kälteste Kontinent der Erde, mit Temperaturen, die auf bis zu 80 Grad unter null fallen können.

       Trocken: Der Großteil der Antarktis erlebte den letzten Regen vor der letzten Eiszeit.

       Windig: Kalte Winde fegen mit Geschwindigkeiten von bis zu 100 km/h oder mitunter sogar über 300 km/h die Berge der Antarktis hinunter.

       Öde: Auf dem ganzen Kontinent gibt es nicht einen einzigen Baum.

       Gefährlich: Überall gibt es verborgene Schneebrücken über tiefen Spalten im Eis, und es kann tödlich enden, den herrschenden Bedingungen ausgesetzt zu sein.

      Und das sollte nun unser Arbeitsplatz und unser Zuhause werden.

      Gemäß den Bestimmungen des Antarktisvertrags haben die Länder, die ”Ansprüche« an der Antarktis haben, dort Forschungsstationen errichtet, in denen sie wissenschaftliche Experimente durchführen, die von Klimabeobachtung über Seismologie bis hin zu Meteorologie reichen (Meteore sind überall in der Antarktis leicht zu finden, da sie sich von dem weißen Schnee und Eis gut abheben). Üblicherweise liegen diese Stationen im Küstenbereich, da sie dort am leichtesten zu versorgen sind.

      Ich stellte mir nun also die Frage: Was passiert wohl, wenn man einen Haufen Fremde ein Jahr lang unter extrem beengten Wohnverhältnissen und mit minimalem Kontakt zur Außenwelt an einen Arbeitsplatz in einer von Natur aus gefährlichen Umgebung versetzt? Wie bringt man sie als Team zusammen? Wie hält man sie davon ab, sich wegen kleiner Streitigkeiten gegenseitig zu erschlagen? Wie gewährleistet man die physische und psychologische Sicherheit, wenn es zu gefährlich ist, auch nur für einen kleinen Spaziergang nach draußen zu gehen, um ”etwas Dampf abzulassen«?

      Ich setzte mich hin und fertigte mir eine Liste der möglichen Herausforderungen an, denen meine Expeditionsgenossen und ich nach meiner Vermutung im Laufe des kommenden Jahres ausgesetzt sein könnten.

      Körperliche Gesundheit und Sicherheit

      Die Antarktis ist einer der von Natur aus gefährlichsten Arbeitsorte der Welt. Zur rauen Umwelt kommt noch erschwerend hinzu:

       begrenzte medizinische Versorgung: Ein Arzt, ein kleiner OP‐Saal, und die Rolle des OP‐Assistenten wird vom IT‐Spezialisten übernommen;

       extrem schwierige Evakuierung im Notfall: Während der langen Wintermonate von März bis November kann es Monate dauern, bis Hilfe eintrifft;

       die unausweichliche Tatsache, dass Teammitglieder übernehmen müssen, wenn eine Person durch Krankheit oder Verletzung ausfällt: Die Arbeit muss auch weiterhin erledigt werden, inklusive Haushaltstätigkeiten und Putzen.

      Mentale Gesundheit und Sicherheit

       Die fehlende Privatsphäre: Jeder weiß alles; wenn Sie einmal einen schlechten Tag haben, erfährt es gleich das ganze Team.

       Heimweh: Auch noch so viel Telefonieren kann das nicht beseitigen.

       Das Fehlen der normalen Unterstützungsstrukturen: Keine Familie, keine Treffen mit Freunden, kein Kirchgang, keine Sportveranstaltungen; nicht einmal den Hund kann man ausführen.

       Umfassende Veränderungen in vielerlei Hinsicht: Ernährung, Technik, Arbeitsgestaltung, Pausen, Umwelt.

       Bedeutend geringere persönliche Wahl‐ und Entscheidungsmöglichkeiten: Lust auf Pasta heute Abend? Pech gehabt, der Koch hat gebratenes Hühnchen gemacht.

       Fehlende körperliche Nähe: Für die meisten von uns wird es ein Jahr werden, in dem es nicht einmal eine Umarmung geben wird.

      Die Arbeit an sich

      Für viele Menschen ist der Eintritt in den australischen Staatsdienst mit all den Grundsätzen und Verfahrensvorschriften, die zu befolgen sind, wenn man vom Steuerzahler finanziert wird, gewöhnungsbedürftig. Dazu kommt:

       Viele Expeditionsteilnehmer, insbesondere aus dem kaufmännischen Bereich, hatten bisher selbstständig gearbeitet und waren niemandem außer ihren Kunden verantwortlich gewesen.

       Da wir in einer anderen Zeitzone lebten, waren wir mit unseren Arbeitszeiten der Zentrale mehrere Stunden hinterher; das bedeutete, dass Antworten auf unsere Fragen mitunter erst am nächsten Tag eintrafen.

       Die


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