Respekt schlägt Harmonie. Rachael Robertson

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Respekt schlägt Harmonie - Rachael Robertson


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uns oft zu einer unzutreffenden Einschätzung führen, die auf fehlerhaftem Denken beruht.

      Unbewusste Vorurteile führen oft dazu, dass nur eine kleine Gruppe von Kandidaten für eine Stelle interviewt oder in gehobene Positionen befördert wird. Sie beschränken Diversität und Inklusion am Arbeitsplatz, was wiederum Innovationen bremst.

      Da wir nicht alle Informationen, die uns erreichen, gleichzeitig verarbeiten können, funktionieren unbewusste Vorurteile wie ein Reflex, aufgrund dessen wir zu raschen Urteilen und vorschnellen Einschätzungen neigen.

      Der erste Schritt zum Umgang mit diesen verborgenen Einflussnehmern besteht darin, die verbreitetsten Typen von Vorurteilen zu erkennen (die sogenannten kognitiven Verzerrungen).

      1. Bevorzugung der eigenen Gruppe (Affinity Bias)

      Interaktionen mit Menschen, zu denen wir eine Affinität empfinden, unterscheiden sich von Interaktionen mit Menschen, zu denen wir weniger Verbindung verspüren. So sind wir bei Gruppenarbeiten an der Schule oder der Universität gegenüber Teilnehmern, die ihren Beitrag nicht leisten, viel nachsichtiger, wenn wir eine Affinität zu ihnen verspüren, wenn wir also etwas gemeinsam haben, als wenn das nicht der Fall ist.

      Ähnlich besteht auch in ehrenamtlichen Organisationen die Erwartung, dass an den wöchentlichen Übungen zur Bedienung der Ausrüstung oder zur Entwicklung der Teamfertigkeiten alle teilnehmen. Das gehört zum Engagement dazu. Manchmal sind wir aber einfach verhindert. Wenn nun jemand regelmäßig die Trainingseinheiten versäumt, dann sind wir viel geneigter, dieses Verhalten zu entschuldigen, wenn wir eine Affinität zu dieser Person verspüren. Wenn es aber eine Person ist, mit der wir nichts gemeinsam haben, dann ist es leichter, die Nichtteilnahme auf mangelndes Engagement oder Faulheit zurückzuführen.

      2. Heiligenschein‐Effekt (Halo‐Effekt)

      Der Heiligenschein‐Effekt kommt ins Spiel, wenn wir an einer Person etwas Tolles wahrnehmen und dieser goldene Glanz dann auch auf alles andere abfärbt, was wir von dieser Person halten.

      Hat eine Person zum Beispiel in ihrer Branche einen angesehenen Preis gewonnen, neigen wir dazu, diese Leistung auch unser allgemeines Urteil über sie beeinflussen zu lassen. Sie hat eine hohe Branchenauszeichnung erhalten, also muss sie auch gut sein.

      3. Teufelshörner‐Effekt (Horn‐Effekt)

      Wenn unsere Wahrnehmung einer Person dagegen umgekehrt über Gebühr durch einen Umstand beeinflusst wird, den wir als negativen Zug empfinden, dann übernimmt der Teufelshörner‐Effekt die Regie.

      4. Attributionsfehler (Zuschreibungsfehler)

      Der Attributionsfehler beeinflusst, wie wir andere Menschen und ihre Leistung bewerten. Das kann sich besonders bei Personaleinstellungen auswirken.

      Wenn wir uns selbst beurteilen, schreiben wir unsere Leistungen in der Regel fleißiger Arbeit und persönlichen Qualitäten zu, während wir unser Scheitern auf externe Faktoren zurückführen, bis hin zur Behinderung durch andere.

      Wenn wir dagegen andere Menschen zu beurteilen haben, kommen wir oft zum entgegengesetzten Ergebnis. Hier ist es wahrscheinlicher, dass wir die Leistungen als Ergebnis von Glück oder ungerechten Vorteilen betrachten und Schwächen als Ergebnis mangelnden Engagements oder persönlicher Eigenschaften.

      5. Bestätigungsfehler

      Der Bestätigungsfehler ist die Neigung, Informationen so zu suchen, zu interpretieren, zu gewichten und zu erinnern, dass sie zu unserer vorgefassten Meinung passen. Es wird bestätigt, was wir ohnehin schon denken.

      Wir suchen unbewusst nach Belegen, die unsere eigene Meinung stützen oder zeigen, dass wir in Bezug auf eine Person recht haben.

      Das wäre aber nicht die beste Entscheidung für das Team gewesen. Warum? Weil wir einander so ähnlich waren, dass er keine wirklich alternative Sichtweise gegenüber der meinen geboten hätte. Ich hatte das Gefühl, wenn die Leute sich einmal nicht dabei wohlfühlen sollten, etwas mit mir zu besprechen, dann müssten sie die Möglichkeit haben, sich auch an jemand anders wenden zu können. Und da ich eine junge Frau mit Hochschulausbildung war, erschien es mir hier sinnvoll, einen älteren Mann auszuwählen, der Berufspraktiker war.

      Ich hatte mit meinem stellvertretenden Leiter nun zwar nicht viel gemeinsam, aber trotzdem war das womöglich die beste Entscheidung, die ich in der ganzen Zeit getroffen habe. Er hatte bei Schwierigkeiten eine ganz andere Herangehensweise. Und als die Zeit gekommen war, die Beurteilungen für unser Expeditionsteam zu schreiben, steuerte er oft Beispiele für tolles Teamwork oder aber nicht so tolles Verhalten bei, die ich nicht berücksichtigt hatte. Das Endergebnis war dadurch viel umfassender und abgerundeter.

      Kurz gesagt

       Demografische Diversität ist oft sichtbarer und offensichtlicher, kognitive Diversität kann dagegen die größere Herausforderung sein – und sich auch stärker auszahlen. Teams, die Diversität aufweisen, erreichen stets bessere Ergebnisse, weil sie die Optionen und Alternativen, die zur Lösung führen, aus einer größeren Vielfalt von Sichtweisen, von einer breiteren Wissensbasis aus und aufgrund umfangreicherer Erfahrung betrachten.

       Wenn man sich unbewusste Vorurteile bewusst macht, ist es leichter gegenzusteuern.

      Die Idee der ”inklusiven Führung« ist sehr verbreitet. Viele Führungskräfte konzentrieren sich bei der Bildung ihrer Teams darauf, die Gemeinsamkeiten zu betonen. Es ist ganz natürlich, dass ein Teamleiter sich darauf konzentriert, dass die einzelnen Mitglieder sich kennen und lieben lernen. Wir möchten uns alle gern zugehörig fühlen, miteinander Witze machen, Schulter an Schulter harmonisch zusammenarbeiten.

      Es ist oft zu hören, wir hätten mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Es ist toll, daran zu denken, wie ähnlich wir uns sind, aber ich würde hier gern die Differenzen beleuchten, bei denen Ihre Leute sich nie einig werden können. Was machen Sie dann als Führungskraft? Was ist, wenn es keine gemeinsame Basis gibt?

      Um ein Beispiel zu nennen: In den letzten Jahren war die Ehe für alle in Australien ein großes Streitthema. Zu unserem Antarktis‐Team gehörten nun sowohl schwule und lesbische Personen als auch solche, die (zumeist aus religiösen Gründen) gleichgeschlechtliche Ehen ablehnten. Diese Leute würden beim


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