Mein Herz ist aus Stein. Michaela Lindinger
Читать онлайн книгу.eine Hirschjagd und Wettkampfszenen sind dargestellt. Diese farbenprächtige Ausstattung entstand als Gemeinschaftsarbeit der Maler August Eisenmenger, Hugo Charlemont und Adolf Falkenstein. Zur ursprüngli-chen Einrichtung gehörten ein großer Turnapparat aus Eichenholz, ein Schwebebalken, Strebestangen, Ringe und – zur regelmäßigen Gewichtskontrolle – eine Personenwaage. Die Turngeräte sind heute bedauerlicherweise nicht mehr an ihrem Platz, sondern wurden im 20. Jahrhundert nach Schloss Schönbrunn verlegt.
16 Die geheime Wendeltreppe in Elisabeths Schlafzimmer in der Hermesvilla
Zufriedenstellend war wohl auch die versteckte Wendeltreppe, die Elisabeth durch eine kaum sichtbare Türe von ihrem Schlafzimmer aus betreten konnte. So war es ihr möglich, praktisch »unsichtbar« zu kommen und zu gehen. Über dem Eingang zur geheimen Treppe steht bis heute die Begrüßung »SALVE«.
17 Das »Salvetürmchen« der Hermesvilla. Innerhalb befindet sich die Wendeltreppe.
An Elisabeths Schlafzimmer grenzt der Salon an, er wirkt hell und freundlich. Das zu dieser positiven Raumstimmung passende Deckengemälde »Der Frühling« ist ein Werk von Franz Matsch, den Elisabeth sehr schätzte, und den Brüdern Gustav und Ernst Klimt. Matsch hatte ihr später noch zahlreiche Aufträge zu verdanken. Sie bestellte bei ihm 1894 ein Altarbild für die Kapelle des Achilleion, eine »Madonna Stella del Mare«, und 1895 malte Matsch zweimal die »liebe, gute Freundin« Schratt in der Titelrolle eines Theaterstücks von Hans Sachs, »Frau Wahrheit will niemand beherbergen«. Vor allem schuf Franz Matsch auch Elisabeths Lieblingsbild im Achilleion, das vier mal zehn Meter große historische Monumentalstück »Achilles schleift Hektor um die Mauern Trojas«.
Valerie fühlte sich auch in Mutters Salon nicht wohl: »Mamas Zimmer haben den besten Willen, ungeheuer freundlich zu sein, sind mir aber (…) zuwider«, urteilte sie.
Im anschließenden Kirchensaal wurde früher für die kaiserliche Familie, aber auch für die Dienerschaft und das im Tiergarten beschäftigte Personal, an Sonn- und Feiertagen die Messe gelesen. Es gibt eine kuriose »einklappbare« Kapelle, ansonsten konnte der Raum auch als Festsaal verwendet werden.
»Gut und bequem« — Wohnen bei Kaisers
Nun folgt der Trakt des Kaisers, der mit dem sehr konservativ in dunklem Holz eingerichteten Arbeitszimmer beginnt. »Reich geschmückt mit Boiserien« (Holzarbeiten), beschrieb Elisabeth den Raum, und genauso stellt er sich auch heute noch dar. Der Plafond ist eine Holzimitation aus Stuck, die Wandverkleidungen wurden von der Firma Bernhard Ludwig aus Eibenholz gefertigt, so auch die Möbel. Im angrenzenden Schlafzimmer stand das einfache Messingbett. Ein Badezimmer, das diesen Namen auch verdienen würde, gab es nicht, da Franz Joseph in einer transportierbaren Wanne badete, die täglich neu aufgestellt und wieder zusammengefaltet wurde. Das Badewasser musste in großen Zubern erwärmt werden. Eine Toilette war zwar vorhanden, die Möglichkeit, sie mit Wasser zu benützen, bestand jedoch erst seit 1896. In diesem für die Ziele der Hygienebewegung glorreichen Jahr wurde sogar eine Sitzbadewanne aus weiß lackiertem Zinkblech eingeweiht.
»Unsere neue Villa im Thiergarten befriedigt uns sehr, sie ist gut und bequem zu bewohnen und die Umgebung ist jetzt im Frühjahre frisch und grün«, teilte Franz Joseph der »sehr verehrten gnädigen Frau« (Katharina Schratt) erfreut mit. Im Arbeitsraum standen einige seinem Kunstgeschmack entsprechende Skulpturen wie »Tanzende Steirer-« und »Ungarnpaare«, von Interesse ist aber besonders eine Plastik des bedeutenden französischen Bildhauers Emmanuel Frémiet. Sie zeigt einen Gorilla mit einer Frau. Diese Figur hatte 1887 auf dem Salon de Paris eine Ehrenmedaille gewonnen, also in jenem Jahr, als das Kaiserpaar erstmals die neue Hermesvilla bewohnte. Die Darstellung ist im Umkreis der Debatten um Charles Darwin zu verorten. Für viele Zeitgenossen des Forschers hieß Evolutionstheorie lediglich, der Mensch »stamme vom Affen ab«. Darwins Ideen beherrschten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den naturwissenschaftlichen Diskurs. Sie beschäftigten Biologen, Anthropologen, Mediziner und »normale« Interessierte gleichermaßen, weltweit. Die Kirche musste sich gänzlich unerwarteten Herausforderungen stellen. War Adam Affe? Und wenn ja, was für einer? Vielleicht stammten die Affen ja von uns Menschen ab? Künstler nahmen sich ebenfalls der »Entstehung der Arten« an und dachten über die Beziehung zwischen Mensch und Tier nach. Erstmals gab es Vegetarismusbewegungen und auch erste Diskussionen um Tierrechte sind belegbar. Der aus Böhmen stammende Malerstar Gabriel von Max hielt sich in der Nähe von München eine ganze Affenkolonie zur Beobachtung, als Modelle und als Spielkameraden für seine Kinder. In seinen Bildern tauschen Affen und Menschen die Rollen. Max ließ in der Tradition von Hans Canon Paviane und Kapuzineraffen als Kunstrichter auftreten oder zeigte einen Affen, wie er nachdenklich ein menschliches Skelett betrachtet. Frémiets »Gorilla« fand als moderne zeitgenössische Plastik den Weg ins reaktionäre, vom Klerus beherrschte Wien und gilt heute als Urbild des »Godzilla«-Filmmonsters. Nicht umsonst firmiert die Figur in einem um 1918 angelegten Hermesvilla- Inventar unter dem Titel »Gorilla raubt Frau«.
18 Emmanuel Frémiet: Gorilla mit Frau, 1887. Skulptur aus der Hermesvilla
Schauplatz Hermesvilla
Im Mai des für die Kaiserfamilie grauenhaften Jahres 1889, als Rudolf Mary Vetsera und sich selbst in Mayerling erschoss, erwartete der Kaiser seine Frau aufgeregt auf der kleinen Bahnstation Ober-Hetzendorf. Elisabeths Zug von Wiesbaden nach Wien war entgleist und die psychisch angeschlagene, abergläubische Kaiserin sah in diesem Unfall sofort die Macht des Schicksals am Werk. »Die Menschen sind nur zum Unglück geboren!« rief sie, als Franz Joseph sie in Empfang nahm und mit ihr in die Hermesvilla fahren wollte. In diesem Frühling gab es in Lainz für Elisabeth überhaupt keine Erholung, sie wurde ihres Aufenthalts nicht froh und hing grübelnd trüben Gedanken nach.
Obwohl sich die Kaiserin vor der Hochzeit ihrer Tochter Marie Valerie fürchtete, da dieses Ereignis für sie einem Verlust des »Kindes« gleichkam, hatte sie 1888 der Verlobung des Lieblings mit dem von Valerie selbst ausgesuchten Bräutigam Franz Salvator zugestimmt. Die Hochzeit wurde wegen »Mayerling« verschoben, doch fand in der Hermesvilla am 16. Juni 1890 der feierliche Akt der Renunziation statt. Mit ihrer Unterschrift verzichteten Marie Valerie und ihr Zukünftiger auf die mit einer Thronfolge verbundenen Ansprüche.
Drei Jahre später war Elisabeth wiederum im Mai anwesend, als ihre Enkelin Augusta die Hermesvilla auserkoren hatte, um ihre Verlobung mit Erzherzog Joseph August zu feiern. Ausnahmsweise war Elisabeth bei diesem familiären Fest recht guter Dinge, doch sollte sie wenige Jahre darauf eine schlimme Nachricht in denselben Räumen ereilen. Kaum zurück aus der Schweiz und aus Frankreich, besuchte sie Lainz 1897 in sehr schlechter körperlicher Verfassung – sie litt vermutlich an einem Hungerödem – und in schwärzester Stimmung. Dort musste sie erfahren, dass ihre jüngere Schwester Sophie in Paris beim Brand eines Wohltätigkeitsbazars ums Leben gekommen war. Einzelheiten hielt man von ihr fern. Sonst hätte sie auch noch hören müssen, dass Sophies Leiche bis zur Unkenntlichkeit verbrannt war und die Herzogin von Alençon nur noch nach ihrem Gebiss agnosziert werden konnte.
Trotz negativer Erinnerungen kam Elisabeth in ihrem letzten Frühling noch einmal in die Hermesvilla. Das Wetter war schlecht, morgens kalt und nass, abends hüllte fast herbstlich anmutender Nebel die Forste des Tiergartens ein. Sie warf keinen Blick zurück, als ihr Wagen zum letzten Mal durch das Lainzer Tor rollte …
Im Gegenteil zur Eigentümerin hatte der »Gast« eine sentimentale Bindung zur Villa im Wienerwald entwickelt. Vielleicht versinnbildlichte das Gebäude für Franz Joseph den letzten Rest von Gemeinsamkeit mit seiner Frau. Noch zehn Tage vor ihrem Tod fuhr er allein in die Hermesvilla. Suchte er Erinnerungen? Jedenfalls