Mein Herz ist aus Stein. Michaela Lindinger

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Mein Herz ist aus Stein - Michaela Lindinger


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zwei englische Reisende nach Afrika, die Licht in die dunklen Geheimnisse von Kor bringen sollen. Selbstverständlich ist SHE, die älteste Frau der Welt, gleichzeitig die schönste. Eingehüllt in ein »Grabgewand« verweigert sie sich den voyeuristischen Blicken der Männer: »Wenn ich dir mein Gesicht zeige, würdest du vielleicht ebenso elend zugrunde gehen, vielleicht würdest du dein Leben in ohnmächtigem Begehren vertun, denn wisse: Nicht für dich bin ich.«

      Totengöttin, Herrscherin und Femme fatale verschmelzen bei Haggards SHE zur archetypischen Figur, die Elisabeths Interesse auf sich zog. Sie wurde sich ihrer Verwandtschaft mit der Romangestalt in besonderer Weise bewusst.

      Die Verweigerungen und das Verschwinden der Kaiserin spielen sich in diesem vielgelesenen, spannenden Abenteuerroman in einem atemberaubenden archaischen Szenario ab. Der Rückzug aus den Pflichten einer Monarchin führt nun ins dunkle Herz eines afrikanischen Felsens, Fächer und Schirm verwandeln sich in »Grabgewänder« und Mumienbinden.

      Zur Mythologisierung ihres Verschwindens hatte Elisabeth einen Unterhaltungsroman gewählt, den sie ein Jahr nach seinem Erscheinen in dem oben erwähnten Gedicht (»Titania und Alfred«) mit einem Bezug auf ihre eigene Person versah. Derselbe sadistische Zug, der SHE (und Elisabeth) charakterisiert, zeigt sich auch in einer Strophe, in der sich die Kaiserin mit ihrem Stalker Alfred Gurniak Edler von Schreibendorf auseinandersetzt:

      In meiner schönen Mache

      Verzapple dich zu Tod,

      Ich schaue zu und lache

      Von jetzt bis Morgenrot.

      Marie Larisch sagte über ihre Tante: »Sie betrachtete die Sensation, angebetet zu werden, als Tribut, der ihrer Schönheit zukam. Doch ihre Begeisterung dauerte nie lange«, im Gegenteil, sie verwandelte sich in Ablehnung und Verachtung. Elisabeths ausgeprägter Narzissmus war gepaart mit Überempfindlichkeit und Arroganz.

       8 Elisabeths Nichte Marie Larisch-Wallersee und Marie Valerie, 1876

      Weder aufopferungsvolle (Groß-) Mutter noch repräsentierende Kaiserin, geschweige denn liebende Gattin waren Frauen«ideale«, denen Elisabeth Positives abgewinnen konnte. Das Diktat der »Drei K« (Kirche, Küche, Kinder) galt für bürgerliche Frauen, bei Damen des höchsten Standes wäre eher von den »Drei R« (Religion, Repräsentation, Reproduktion) zu sprechen. All dem setzte Elisabeth eine ihrer ausgeprägtesten Charaktereigenschaften entgegen: Verweigerung. Aufgedrängten Aufgaben widersetzte sie sich seit Anfang der 1860er-Jahre konsequent, nachdem sie aufgrund der stets anwachsenden Schar unterwürfiger Anbeter erkannt hatte, dass Schönheit in der männlich dominierten Gesellschaft mit Macht gleichzusetzen war. Sie begriff ihre Erscheinung als Ausdruck der ihr eigenen Individualität und setzte ihr gutes Aussehen wirkungsvoll als Waffe ein. Im August 1865 hatte sie ihrem Mann, der ihr glühendster Verehrer war, kurz nach seinem 35. Geburtstag schriftlich folgendes Ultimatum gestellt:

      Ich wünsche, dass mir vorbehalten bleibe unumschränkte Vollmacht in Allem, was die Kinder betrifft (…), die komplette Leitung ihrer Erziehung, mit einem Wort, alles bleibt mir ganz allein zu bestimmen (…). Ferner wünsche ich, dass, was immer meine persönlichen Angelegenheiten betrifft, wie unter anderem die Wahl meiner Umgebung, den Ort meines Aufenthalts, alle Änderungen im Haus etc. etc. mir allein zu bestimmen vorbehalten bleibt.

      Elisabeth. Ischl, 24. August 1865

      Das Dokument kann als Elisabeths Emanzipationserklärung gelesen werden. Ab diesem Moment waren ihr Einmischungen von Seiten des Ehemannes oder der Schwiegermutter schlichtweg egal. Oft ist zu lesen, dass das »Ultimatum« als Beweis für Elisabeths Mutterliebe zu Rudolf auszulegen sei, da der brutale Erzieher des Thronfolgers, Graf Leopold Gondrecourt, bald darauf von seinem Posten abberufen wurde. Es war definitiv die Kaiserin, die mit diesem persönlichen Einsatz die Grundlage geschaffen hatte für Rudolfs Ausbildung in ihrem Sinn, also pro Liberalismus, Antiklerikalismus, Verfassungsstaat und contra Gottesgnadentum und Absolutismus. Dennoch: Nachdem Franz Joseph das Ultimatum zähneknirschend akzeptiert hatte, ja, akzeptieren musste, um einen nie dagewesenen Hofskandal zu vermeiden – wäre doch Elisabeth einfach abgehauen, hätte er auf seine Mutter gehört und abgelehnt – kümmerte sich Sisi nicht mehr um ihre Kinder. Das Ultimatum war ihr Freibrief für Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. In den folgenden Jahrzehnten sollte sie leben, wie und vor allem wo sie wollte.

      Etwa hundert Jahre, nachdem Elisabeth das erwähnte Johanneshaupt angeschafft hatte (1896), stellte die österreichische Autorin Judith Fischer ihre »sisi diagnose« (1994):

      in ihr posierten die wünsche als phantasmen. sie hatte nichts als ihr eigenes bild. ihre bloße anwesenheit. die verletzung des lebens. zerfallen. raubbau. reiten (manisch). halbkrepierte vögel. ein blutegelbiss. das möwen- und das delphinsiegel. gicht. männer wörtlich als aufgespannte eselshäute. ein seifenblasender engel. ein kopf in einer schüssel liegend. kraniche. aasgeier.

      Ganz offensichtlich war die Schriftstellerin von einem Besuch in der Hermesvilla inspiriert, befinden sich doch in Elisabeths Empfangsraum nicht nur die bereits erwähnte Johannesschüssel, sondern auch die »halbkrepierten Vögel«, die »Kraniche«, die »seifenblasenden Engel« und natürlich die »Aasgeier«. Bei den »Kranichen« handelt es sich um »Chinesische Sumpfvögel«, Bronzearbeiten aus China. Solche »Chinoiserien« wurden schon im 18. Jahrhundert ausschließlich für den europäischen Markt hergestellt. Die Vögel zierten die Hermesvilla seit 1886 und sind der Fernost-Mode zuzurechnen, die sich auch in anderen modischen Gegenständen wie Vasen, Fächern, Kimonos, Lackkästchen etc. manifestierte. Zwei der ursprünglich vier Kraniche sind heute in der Hermesvilla zu sehen.

       9–11 Deckengemälde im ersten Stock der Hermesvilla (Details)

      Am Plafond erkennt man die seifenblasenden Engel und die Aasgeier, die sich über kleinere »halbkrepierte Vögel« hermachen. Seifenblasen und Aasvögel sind typische Symbole der Vergänglichkeit und des Todes. Die Putti scheinen sich mit den Seifenblasen lediglich zu vergnügen, nach wenigen Augenblicken zerplatzen sie vor ihren Augen. Dieses Motiv aus dem Umkreis des »Homo bulla« gehört zum umfangreichen Themenkomplex der »Vanitas« und spielt auf die Zerbrechlichkeit des Lebens und die Unabwendbarkeit des Todes an. Die Engel sind nackt, um ihre Schutzlosigkeit und Ohnmacht hervorzuheben. Der Vergleich zwischen dem menschlichen Leben und der fragilen, äußerst kurzlebigen Seifenblase war vor allem zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert samt dem dazugehörigen moralisierenden Unterton häufig anzutreffen. Der in der Hermesvilla vorherrschende Historismus führte das Motiv neuerlich in der Ausstattungsmalerei ein.

      »Frau Ritter Blaubart’s Cabinet«

      Dass sich Elisabeth langweilte und mit ihrem Leben als Großmutter und Frau mittleren Alters nichts anzufangen wusste, zeigt sich besonders deutlich in der sogenannten »Affäre Pacher«, die sich in den Jahren 1885 bis 1887 abspielte. Viele Jahre zuvor, am Faschingsdienstag 1874, hatte sie sich verbotenerweise dazu hinreißen lassen, inkognito einen Ball zu besuchen, die Musikvereins-Redoute. Es sollte ein großer Maskenball werden, ganz Wien sprach davon. Die Kaiserin erschien in einem gelben Domino, einer rotblonden Perücke und in Begleitung der ungarischen Hofdame Ida Ferenczy, die einen roten Domino trug, also ebenfalls einen wadenlangen Umhang, ärmellos, aber mit großer Kapuze. Ursprünglich trugen italienische Geistliche einen Domino, abgeleitet vom lateinischen Wort »dominus«, der Herr. Ab dem 16. Jahrhundert verwendete man ihn aber auch, um unerkannt zu einem geheimen Rendezvous zu gelangen. Bezeichnenderweise zierte dieses Kleidungsstück nun die abenteuerlustige Kaiserin. Auf der Redoute musste Ida sie »Gabriele« nennen. Der junge Ministerialbeamte Fritz Pacher fiel dem gelben Domino positiv auf und wurde vom roten Domino zur Galerie gebracht, auf der »Gabriele« hinter ihrer schwarzen Spitzenmaske das bunte Treiben beobachtete. Als das Gespräch politische Fragen mit einbezog und die ungeschickte Elisabeth sich bei Pacher nach seiner Einschätzung des Kaiserhauses im Allgemeinen


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