Mami Staffel 8 – Familienroman. Lisa Simon

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Mami Staffel 8 – Familienroman - Lisa Simon


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Charlie bemerkte den Mann nicht. Mit seiner dicken Nase schnupperte er über den Boden und schlich zu dem windzerzausten Sanddornstrauch hinüber. Das Jagdfieber hatte ihn gepackt, er war auf Kaninchenspuren gestoßen.

      Ein Schrei, ließ Jonathan herumfahren. Der Junge ruderte mit den Armen, ging unter, kam wieder hoch, stieß einen Schrei aus und versank wieder.

      Susanne war aufgesprungen.

      »Reg’ dich nur nicht auf«, rief Lea beschwörend. »Daß Thomas doch immer Theater machen muß.«

      »Ja, wirklich, zu dämlich!« Laura schüttelte den Kopf. »Immer spielt er den Clown, der tickt ja nicht richtig, wenn er glaubt, wir fallen darauf rein.«

      Susanne zauderte, sie ging zögernd in Richtung Wasser. Aber Jonathan hatte begriffen, daß das weder Theater noch ein Spiel war. Im Laufen schleuderte er die Schuhe von den Füßen, rannte los. Er merkte nicht, daß die Steine sich in seine Fußsohlen bohrten.

      Im Hechtsprung landete er im Wasser, kraulte, wurde von einer Welle hochgehoben, zurückgeworfen. Jetzt schoß er unter der Welle davon.

      Susanne rannte zum Ufer, die Mädchen folgten und begriffen nur zögernd, daß das kein Spiel war. Fridolin brüllte hinter ihnen her. Charlie stutzte, nur ungern ließ er sich stören. Aber selbstverständlich waren seine Menschen wichtiger als die Kaninchen. Mit wenigen Sprüngen war er bei dem Kleinen, der sich gerade auf seine Füße stellte und wieder umfiel, daß sein Gesicht im Wasser landete.

      Charlie packte mit seinen scharfen Zähnen ein Stück der roten Badehose, er stieß und zerrte den Jungen so lange, bis er wieder auf seinem Hosenboden saß. Dabei knurrte er, als schimpfte eine Mutter mit ihrem Kind.

      Die drei Schönes bemerkten nichts davon. Susanne hatte das Wasser erreicht, bereit, dem Mann nachzuspringen. Sie bemerkte gar nicht, daß sie die Hände wie zum Gebet gefaltet hielt.

      Den Mädchen liefen vor Angst um den Bruder die Tränen aus den Augen.

      »Er hat ihn. Er hat ihn«, keuchte Laura. Leas Lippen zitterten. Nein, nein, der liebe Gott durfte nicht auch noch ihren Bruder holen. Nein, nein.

      Der Mann war ein geübter Schwimmer, das sah sogar Susanne trotz ihrer Panik. Er hielt den Jungen, Thomas’ Kopf hing über Wasser, während der Mann dem Ufer zuschwamm, den Jungen fest im Arm.

      Eine Welle trug sie hoch und warf sie ans Ufer. Sofort war Susanne neben ihnen.

      »Ich kenn mich in Erster Hilfe aus.« Jonathan war natürlich atemlos, aber unendlich froh, den Jungen gerettet zu haben. Thomas’ Gesicht war grau. Der Mann und Susanne hatten ihn behutsam in den Sand gelegt. Thomas drehte den Kopf, ein Schwall Wasser schoß aus seinem Mund.

      »Ist ja gut«, beruhigte ihn der Mann. Er kniete neben ihm, massierte ihn mit geübten Fingern, hielt seinen Kopf.

      Ermattet bettete Thomas seinen Kopf an Jonathans Brust.

      »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll«, flüsterte Susanne. Sie hatte das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Himmel und Wasser drehten sich um sie.

      »Es ist alles gut.« Der Mann hob den Kopf und lächelte sie beruhigend an. »Es wird ihm gleich besser gehen. Der Bauer hätte sie darauf aufmerksam machen müssen, daß mit der Strömung hier nicht zu spaßen ist. Das Wasser ist voller Strudel.«

      Thomas schlug die Augen auf.

      »Er hat dich gerettet«, erklärte ihm Lea. Sie kniete neben ihrem Bruder, sie merkte gar nicht, daß sie weinte. »Er ist mit seinen Klamotten ins Wasser gestürzt. Wir dachten, du spielst Theater. Aber er hat es sofort gemerkt. Und wir sind so scheußlich zu ihm.«

      Thomas drehte den Kopf und sah direkt in die braunen Männeraugen hinein.

      »Stimmt. Lea hat recht. Das heute morgen das war richtig gemein. Es hat mir heute morgen schon leid getan.«

      Jonathan strich mit einer scheuen Handbewegung Thomas’ Haar an den Augen zurück.

      »Eigentlich habt ihr mir sogar einen Dienst erwiesen. Man wollte mich nämlich wirklich dringend sprechen. Wäre ich nicht zum Telefon gegangen, hätte sich mein Freund auf den Weg gemacht. So bin also nicht nur ich euch dankbar, sondern er auch. Wie geht es dir, Thomas? Alles wieder in Ordnung?«

      Thomas’ Zähne klapperten aufeinander. »Ich friere nicht wirklich«, behauptete er. »Das war nur ein scheußliches Gefühl.«

      Laura runzelte die hohe Kinderstirn. »Ich hab mal gehört, daß jemand sagte, daß Ertrinken der schönste Tod ist.«

      »Dann muß ich was falsch gemacht haben«, behauptete Thomas trocken.

      »Wie kannst du so was sagen?« fuhr Johann die Schwester an. »Was ist überhaupt passiert? Was ist los?«

      »Ich wäre bald abgesoffen.« Thomas genierte sich ein wenig, weil sein Kopf noch immer Halt an Jonathans Brust fand. »Wo warst du denn überhaupt? Ich hab’s ihm zu verdanken, daß ich kein Frühstück für die Fische geworden bin.« Dabei zeigte er mit dem Finger auf den Mann. »Ist ja wohl klar wie Kloßbrühe, daß wir ihm keinen Streich mehr spielen.«

      »Logo«, nickte Hannes. Die Kinder sahen, das Susanne davonging. Sie schwankte ein wenig, und Hannes machte Anstalten, ihr nachzulaufen.

      »Wißt ihr, wir können auch ohne Streiche Spaß miteinander haben, geärgert habt ihr mich nämlich nicht damit. Ich war sogar richtig gespannt, auf was für Ideen ihr noch kommt. Bleib hier, Johann, laß mich eurer Mutter nachgehen.«

      »Aber sie ist doch nicht unsere Mutter. Sie ist unsere Tante. Unsere Eltern sind tot«, flüsterte Lea, als könnte sie solch eine entsetzliche Tatsache nicht laut aussprechen.

      Er stutzte, einen Augenblick sah es aus, als wollte er etwas sagen, aber dann nickte er nur.

      »Warum knurrt Charlie denn so?« wollte Laura unbehaglich wissen. Im gleichen Augenblick gab sie sich selbst die Antwort.

      »Fridolin. Wir haben unseren Benjamin vergessen.« Die Mädchen stürzten davon. Johann zögerte, aber dann ließ er sich neben Thomas in den Sand fallen.

      »Wenn Sie wollen, dann können Sie jetzt zu Susanne gehen.« Seine braunen Augen waren so traurig wie seine Stimme. »Irgend etwas bedrückt sie schon die ganze Zeit. Vielleicht können Sie es herausbekommen«, setzte er ohne große Hoffnung hinzu. »Das macht mich ganz fertig, wenn ich sehe, daß Susanne Kummer hat.«

      Thomas nieste. Bevor Jonathan etwas vorschlagen konnte, sagte Johann schon, ganz im Ton des älteren Bruders:

      »Um Thomas kümmere ich mich. Ich sehe auch nach, was die Mädchen machen, Fridolin ist nichts geschehen, obwohl wir ihn ein paar Minuten vergessen haben. Man hört ihn krähen, und Charlie knurrt, als wäre er das Oberhaupt unserer Familie. Er kann einem wirklich den Nerv rauben. Sie können ruhig zu Susanne gehen. Ich meine, vielleicht ist es nicht gut, wenn sie so lange allein ist. Sie… sie… ich meine, sie ist sehr wichtig für uns.«

      »Warum sagst du nicht einfach, wir haben sie lieb?« wollte Thomas wissen. Er bemühte sich, das Klappern seiner Zähne zu unterdrücken. »Klar ist sie wichtig. Aber sie ist unsere Susanne, sie ist einfach Susanne und sie gehört zu uns.«

      »Los, steh auf, Thomas«, befahl Hannes und zerrte an Thomass’ Armen, als wollte er sie aus seinem Gelenk reißen. »Du mußt dich warm rennen. Du willst doch nicht die restlichen Tage unserer Ferien im Bett verbringen? Außerdem hat Susanne Arbeit genug, sie soll sich nicht auch noch mit einem Kranken abstrampeln.«

      »Restliche Tage? Du spinnst wohl?« Thomas schnaufte erschrocken. »Die Ferien haben doch gerade erst angefangen.«

      Jonathan staunte flüchtig, wie schnell sich der Junge wieder erholt hatte. Von Kindern verstehe ich wirklich nicht viel, dachte er spöttisch und stand auf.

      Sie hörten das fröhliche Kreischen des Kleinen, Möwen schossen dicht über ihre Köpfe hinweg, als hätten sie Spaß daran, einen solchen Lärm zu machen. Das Rauschen des Wasser füllte die Luft. Jonathan hatte vergessen, daß Arbeit


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