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manches hinweg. Die Liebe gleicht alles aus.«

      »Das klingt alles sehr gut, wie du mir das sagst. ›Liebe macht blind‹, das ist auch eine Erfahrung. Einige meiner Freundinnen hatten sich zuerst für den falschen Kerl entschieden. Ich habe jedes dieser Dramen aus nächster Nähe miterlebt. Das war mir eine Warnung! Ich sage mir, es ist nicht schlecht, wenn man seinen Kopf einschaltet. Wozu hat der Mensch ein Gehirn?«

      »In der Liebe bringt das Denken niemand weiter. Denke net so viel, Saskia. Sei einfach nur offen und hoffnungsvoll. Die Liebe wird dich ereilen, wenn du am wenigsten damit rechnest. Liebe kann man net planen wie einen Einkauf. Liebe ist ein Himmelsgeschenk. Aber ich kann dir noch so viel davon erzählen, glauben wirst du es mir nicht. Erst wenn du selbst die Liebe erlebst, wirst du erkennen, dass ich Recht habe. Aber jetzt genug damit! Jetzt tust auspacken, dann lade ich dich zu einer schönen Brotzeit ein.«

      »Danke, Meta, das ist lieb von dir. Aber noch lieber wäre es mir, wenn du mir Proviant zusammenstellen würdest.

      Es ist Hochsommer und noch lange hell. Ich würde gern einen langen Spaziergang machen. Vielleicht gehe ich ein Stück den Hang hinauf und schaue mir den Sonnenuntergang an.«

      »Bist voller Tatendrang, Madl! Mei, des kann ich verstehen! Dann richte ich dir eine schöne Brotzeit und zeige dir, wie du ins Haus kommst. Gehst hintenherum durch den Glasanbau und dann durch die Küche. Nachts müssen wir die Küchentür abschließen, des hat uns die Versicherung zur Auflage gemacht. Aber ich zeige dir, wo wir einen Zweitschlüssel versteckt haben.«

      Meta Baumberger ging hinunter. Saskia packte ihre Sachen aus. Sie machte sich etwas frisch. Sie vertauschte den Motorradanzug mit Jeans und einer Bluse mit Weste und die Motorradstiefel mit den Wanderschuhen.

      Meta Baumberger reichte ihr einen kleinen Wanderrucksack mit Proviant.

      »Danke, Meta! Und wartet nicht auf mich! Es kann spät werden, bis ich komme!«

      »Hier, nimm die Stablampe mit, Saskia!«, sagte Xaver Baumberger. »Ich weiß ja, dass du dich gut auskennst, aber man kann nie wissen.«

      »Danke, Xaver! Danke, Meta! Ich gehe! Pfüat euch!«

      »Pfüat di!«, riefen sie ihr nach.

      *

      Saskia schulterte den Rucksack und lief los. Sie schlug den Weg zum Forsthaus ein. Auf halber Strecke bog sie auf einen kleinen Pfad ab, der durch einen Mischwald führte, der sich den Hang hinaufzog und sich dann auf einer Almwiese verlor. Saskia ging weiter querfeldein. Sie atmete tief durch. Sie liebte den Geruch nach Erde, Wiesen und Wald. Von Weitem schallte das leise Geräusch von Kuhglocken an ihr Ohr. Saskia schaute sich um. Weiter hinten sah sie eine große Kuhherde, die anscheinend auf eine Almhütte zugetrieben wurde, die direkt mit der Rückseite an einen Felshang angebaut war. Aus dem Kamin stieg Rauch senkrecht empor. Es ging kein Lüftchen an diesem herrlichen Sommerabend.

      Saskia wunderte sich. Sie erinnerte sich, dass sie an dieser Almhütte schon oft vorbeigegangen war. Niemals war sie bewohnt gewesen.

      »Da werde ich doch mal nachsehen«, sagte Saskia leise vor sich hin.

      Sie änderte die Richtung und lief oben am Hang entlang weiter. Der Weg zur Almhütte war länger, als sie vermutete hatte. Endlich kam sie an.

      Neben der Almhütte stand ein Brunnen. Saskia ließ ihren Rucksack von den Schultern gleiten. Sie hielt ihre Hände in den Wasserstrahl und kühlte sich Gesicht und Hände.

      »Grüß Gott! Des Wasser kannst trinken, Madl!«

      Erschrocken fuhr Saskia herum. Sie hatte niemanden kommen gehört.

      Da stand er vor ihr, groß, breitschultrig, mit strahlend blauen Augen und dunklem Haar. Er trug eine alte Lederhose mit Hosenträgern. Darunter war sein Oberkörper nackt, genau wie seine Füße, an denen er derbe alte Haferlschuhe trug.

      »Grü… Grü… Grüß Gott!« stotterte Saskia.

      Sie fühlte, wie ihr heiß wurde. Sie konnte ihren Blick nicht von seinen Augen lösen. Was für ein Mann!, schoss es ihr durch den Kopf. Trotz seiner verschwitzten Haare, seinem Dreitagebart und seinen schmutzigen Händen zog er sie auf eine Art an, die Saskia völlig durcheinander brachte.

      »Was schaust mich so an, Madl? Ich bin kein Außerirdischer!«, lachte er. »Ich bin der Florian Basler. Hier bist auf der Basler-Alm.«

      Saskia nickte nur. Er streckte ihr die Hand hin. Als er sah, dass Saskia sich zierte, zog er sie wieder zurück. Verlegen sagte er: »Hier wird gearbeitet! Also, ich bin der Florian!«

      »Saskia Pirner!«

      Er lächelte sie an.

      »Was treibt dich in diesen Teil der Berge? Hier kommt selten jemand vorbei. Hast dich verlaufen?«

      »Ah …, mm! Ich bin querfeldein. Dann sah ich den Rauch. Seit wann ist die Almhütte bewohnt? Hier war früher niemand.«

      »Des stimmt!«

      Eine ausführliche Antwort blieb er ihr schuldig. Stattdessen musterte er Saskia von Kopf bis Fuß und dann wieder von Fuß bis Kopf. Was er sah, gefiel ihm. Das war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Saskia spürte, wie ihr heiß und heißer wurde. Sie kühlte sich wieder das Gesicht.

      »Also, wenn du dich setzen willst, dann gern!«

      Ein alter Mann kam dazu.

      »Des ist der Hubertus Basler, mein Vater! Vater, des Madl heißt Saskia!«

      »Grüß Gott, Saskia! Bist zu Besuch in Waldkogel?«

      »Ja, das bin ich!«

      »Gefällt die der Ort?«

      »Ja, ich finde Waldkogel sehr schön, Herr Basler!«

      »Des ist schön! Aber man sagt hier net Herr Basler. Ich bin der BaslerBauer!«

      »Gut, dann Grüß Gott, Basler-Bauer!«

      In Saskias Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Da standen die beiden Männer vor ihr wie aus dem Bilderbuch, ein alter und ein junger Mann, zwei urige Typen. Eine Reportage über das Leben der beiden, das würde dem alten Verleger bestimmt gefallen. Wenn ich die Armbanduhr übersehe, die Florian trägt, könnte ich denken, ich sei in ein Zeitloch gefallen. Die beiden sind so urig und könnten aus einem anderen Jahrhundert stammen, dachte Saskia.

      »Florian, willst des Madl net bitten, mit uns später die Vesper einzunehmen?«

      »Oh ja!«

      Florian strahlte Saskia an.

      Sein Vater bemerkte, wie der Sohn das Madl betrachtete und nach passenden Worten suchte. So sagte der alte Bauer: »Saskia, kannst schon mal in die Hütte gehen. Wir schauen nur noch mal auf der Weide nach dem Vieh.«

      Vater und Sohn steckten die Hände in die Hosentaschen ihrer Lederhose und gingen quer über die Almwiesen.

      Saskia setzte sich erst einmal auf den Brunnenrand und atmete durch. Sie versuchte, ihr Herz zu beruhigen. Es pochte schnell. Es raste, wie es Saskia noch niemals vorher gespürt hatte. Sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.

      War es die Möglichkeit einer besonderen Chance auf eine außergewöhnliche Reportage, die sie so verwirrte?

      Oder waren es die blauen Augen von diesem Florian, an die sie wieder und wieder denken musste?

      Ich bin ein Profi, ich will ein Profi sein, wie ein Profi meine Arbeit tun. Ich darf mich durch persönliche Gefühle nicht beeinflussen lassen, ermahnte sich Saskia selbst. Sie erinnerte sich an die Leitsätze, die ihr alter Chef oft gepredigt hatte.

      »Wenn du Erfolg haben willst, Saskia, dann musst du alle Gefühle unterbinden. Reporter sehen Schönes und weniger Schönes. Sie dürfen sich niemals in den Sog der Emotionen hineinziehen lassen. Ein guter Journalist fühlt nichts, er nimmt nicht Anteil. Er bleibt immer neutral. Er ist nur der Beobachter, der Chronist, der alles wiedergibt.«

      Saskia hörte in ihrem Inneren die Stimme ihres Chefs.


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