Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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du? Das macht alles so schwer. Ich fühle mit! Ich sehe, wie die Menschen leben. Ich frage mich, warum sie so leben? Warum sie nichts ändern? Was sie dazu gebracht hat? Wieso sie eine Sache nicht einfach anpacken und ändern? Mir fällt es schwer, nur Beobachterin zu sein. Es ist schwer für mich, nicht einzugreifen.«

      »Indem du über einen Menschen oder eine Sache schreibst, greifst du doch auch ein.«

      »Ja, das stimmt. Ich kann aufbauen und zerstören. Das Wort hat eine große Macht. Das Geschriebene und Gesagte kann die schärfste Waffe sein, das sagt der alte Verleger. Er hat Recht. Deshalb muss man in meinem Beruf neutral sein. Aber ich habe Schwierigkeiten, diese Neutralität zu wahren. Da sind einfach zu viele Gefühle!«

      Anna betrachtete Saskia. Das Madl tut etwas verbergen, nicht nur vor mir, vor uns, sondern sie will es auch für sich nicht wahrhaben. Anna hatte Mitleid. Sie lächelt Saskia an.

      »Jetzt hörst du auf, zu grübeln! Du machst dir zu viele Gedanken. Bleibe doch erst einmal einige Tage bei uns hier oben auf der Berghütte. Stimme dich auf die Berge ein. Lass einfach deine Seele baumeln. Höre auf dein Herz, auf deine innere Stimme.«

      »Anna, ich danke dir! Ich bleibe gern einige Tag hier. Aber auf mein Herz will ich auf keinen Fall hören. Das ist unprofessionell.«

      Anna schmunzelte.

      »So, so, Saskia! Das hört sich für mich fast an, als …«, verliebt wollte Anna nicht sagen, so formulierte sie es neutraler: »Es hört sich an, als hätte dein Herz etwas gefunden oder wäre von einer Macht ereilt worden, als wäre ein Sturm der Gefühle über dich hereingebrochen. Ist es so?«

      Saskia schluckte. Sie schaute Anna in die Augen und stand auf.

      »Ich setze mich noch eine Weile auf die Terrasse. Vielleicht hilft mir die klare Nachtluft. Sauerstoff soll sehr gut für die Organe sei, für das Gehirn und auch das Herz. Wenn ich wieder besser denken kann, bekomme ich die Sache mit dem Herzen auch in den Griff. So hoffe ich wenigs­tens.«

      Anna sah ihr nach. Saskia hat mir zwar keine genaue Antwort auf meine Frage gegeben, aber ich kann gut zwischen den Zeilen lesen, dachte sie. Anna griff nach Saskias Rucksack und brachte ihn in eine Kammer.

      »Was ist mit dem Madl, Anna? Die Saskia schaut net gut aus! Was hat sie?«, sagte Toni leise.

      Anna zuckte mit den Schultern.

      »Sehr deutlich ist sie nicht geworden. Ich kann da nur meine Vermutung haben.«

      »Und welche Vermutung hast du?«

      Anna trat ganz dicht zu Toni heran.

      »Ich vermute stark, dass es etwas mit dem Herzen ist, aber es ist nicht etwas, was der Martin als Arzt behandeln könnte.«

      »Ah, du meinst, sie hat sich verliebt?«

      »Pst! Sei nicht so laut, Toni!«

      »Das arme Madl! Sie kann nur unglücklich verliebt sein. Wer ist es? Ist er aus Waldkogel?«, flüsterte Toni.

      Anna zuckte mit den Schultern.

      »Meinst, es hat Sinn, wenn ich mit dem Madl rede?«, fragte er.

      »Nein, Toni, nein! Lass sie in Ruhe! Wenn ein Madl Liebeskummer hat, wird es sich nie einem Mann anvertrauen, sondern nur einer Frau! Wir müssen ihr Zeit lassen.«

      »Mach der Saskia einen schönen Grog und setz dich noch etwas zu ihr. Ich bin fertig hier. Der alte Alois ist schon in seine Kammer gegangen. Ich ziehe mich auch zurück, dann bist mit der Saskia alleine. Vielleicht fällt es ihr dann leichter zu reden?«

      »Schon möglich! Es kommt eben viel zusammen bei ihr. Sie hat von ihrem alten Zeitungsverleger eine Chance bekommen. Eigentlich müss­te sie vor Glück auf Wolke Sieben schweben. Doch stattdessen wirkt sie auf mich wie ein Häufchen Elend.«

      »Vielleicht muntern die Kinder Saskia morgen auf. Du kennst doch Franzi, mit ihren naiven Fragen dringt sie mühelos in jedes noch so verschlossene Herz vor.«

      »Ja, das stimmt! Aber bis morgen ist noch viel Zeit. Es scheint mir, dass Saskia eine schlaflose Nacht bevorsteht. Da hilft sicherlich ein schöner heißer Grog.«

      Anna machte in der Küche zwei große Becher mit Grog. Sie häufte Kekse auf einem Teller. Franziska hatte sie gebacken, ›Waldkogler Bergspitzen‹, die die kleine Franziska gebacken hatte. Mit diesem Rezept war Franzi sogar Siegerin bei einem Backwettbewerb in Waldkogel geworden. Anna ging mit dem Tablett hinaus auf die Terrasse der Berghütte.

      *

      Nach dem Saskia gegangen war, nahmen Florian und sein Vater die Arbeit wieder auf. Sie schauten nach einem Teil der großen Rinderherde, die auf einer anderen Weide standen. Die Baslers hatten die größte Rinderherde an Fleischrindern in der ganzen Gegend. Auf der anderen Weide gab es auch einige Kälber.

      »Des war ein besonderer Tag heute, Florian! Ein richtiger Glückstag war des, meinst net auch?«

      »Ich freue mich auch, dass wir so viele gesunde Kälber bekommen haben. Auf den anderen Weiden wird es nicht anders aussehen. Es ist schon eine prächtige Herde.«

      »Ich denke dabei nicht nur an die Kälber, Florian. Wir hatten auch netten Besuch. Des war mal eine schöne Abwechslung, auch wenn des Madl net lange geblieben ist.«

      Florian gab in keiner Weise etwas zu erkennen. Er stand am Rand der Weide und schaute über die Herde, so sah es wenigstens aus. In Wirklichkeit sah er nicht die schönen Rinder, sondern hatte Saskias Anblick vor Augen.

      Florian räusperte sich.

      »Wir sollten noch die anderen Weiden abgehen. Dort haben sicherlich auch einig Kühe gekalbt.«

      »Des können wir auch noch morgen machen, Florian! Es war ein langer Tag.«

      »Des ist schon richtig. Aber schlafen kann ich nicht, da bin ich mir sicher. Gehe du nur zurück, Vater. Ich schaue noch nach einem weiteren Teil der Herde. Es ist noch eine Weile hell. Ich muss morgen mit der Viehdoktorin telefonieren. Die Beate muss wissen, wie viele Kälber wir haben. Du weißt, dass die Kälber innerhalb von sieben Tagen ihre Papiere und die Ohrmarken bekommen müssen. Ich will wissen, wie viele es bis jetzt sind. Es kann dauern, bis ich zurückkomme. Kannst dich hinlegen, musst net auf mich warten.«

      Hubertus Basler bemerkte, dass Florian alleine sein wollte. So ließ er ihn gehen. Florian war nie ein Bub gewesen, der viel redete. Er war immer sehr still gewesen. Hubertus hatte darunter gelitten, dass Florian sich immer mehr in sich zurückgezogen hatte, je älter er wurde. Der Rückzug gipfelte darin, dass Florian nach dem frühen Tod seiner Mutter fortgegangen war. Er war einige Tage nach der Beerdigung volljährig geworden. Mit fester Stimme hatte er damals erklärt, er müsse sich den Wind um die Nase wehen lassen. Dann war er gegangen. Zehn Jahre war er fortgewesen. Nur zum Geburtstag, und zu Weihnachten hatte Florian kurz geschrieben. Dann, im Frühjahr, stand er plötzlich vor der Tür. Hubertus war glücklich gewesen. Er hatte keine Fragen gestellt, vor allem weil Florian ihm geholfen hatte. ›Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.‹ An dieses Sprichwort hatte sich Hubertus gehalten.

      Als Hubertus am Nachmittag das Leuchten in Florians Augen gesehen hatte, als dieser Saskia betrachtete, da hatte er sich gefreut. In der Mauer, die Florian um sich herum aufgebaut hatte, war für einen Augenblick ein winziges Fenster aufgegangen. Hubertus Basler hatte es mit Freude gesehen und gehofft, dass Saskia noch etwas bleiben würde. Als stiller Zuhörer der beiden hätte er vielleicht Antworten auf die Fragen bekommen, die er Florian nicht zu stellen wagte. Aber Saskia war gegangen und mit ihr Hubertus’ Hoffnung auf einen fröhlicheren geselligen Abend.

      Florian ging quer über die Wiesen. Er wanderte fast eine halbe Stunde, bis er zur nächsten Weide kam, auf der ein weiterer Teil der Rinderherde stand. Es waren alles Pinzgauer Rinder. Für diese genetisch hornlose Rinderrasse hatte sich Florian entschieden, weil sie sehr robust waren und als Fleischrinder einen hohen Ertrag brachten.

      Als die Sonne unterging, saß Florian am Rand einer Weide auf einem Holzstapel. Er schaute hinauf in die Sterne. Dabei dachte er an diese Saskia. Sie hatte ihm gleich


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