Tod in Rothenburg. Barbara Edelmann

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Tod in Rothenburg - Barbara Edelmann


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kein Bioethanol wie bei mir.« Soeben hatten sie ein geräumiges, mit weißen Luxusmöbeln ausgestattetes Wohnzimmer betreten. Eine verglaste Doppeltür führte hinaus auf eine mit Kübelpflanzen bestandene Dachterrasse. Alles wirkte schlicht und elegant.

      »Italienische Sitzmöbel, Bauhaus-Leuchten und Seidenkissen«, flüsterte sie. »Nicht übel. Was ziehst du für ein Gesicht, Kollege?«

      »So sehe ich immer aus, wenn mein Magen langsam wieder an die dafür vorgesehene Position rutscht«, erklärte Kurti. »Du bist vorhin übrigens geblitzt worden. Geschwindigkeitsübertretung ist wohl eine liebe Angewohnheit von dir. Ich habe schon gehört, dass deine Strafzettel pro Jahr einen Fernsehkarton füllen.«

      »Kann dir auf deinem Titanrad ja nicht passieren«, antwortete Dodo gelassen.

      Eingehend betrachtete Kurti die schlichte, weiß lackierte Wohnwand, deren Türen weit offen standen. »Ich vermute, deinen letzten Partner hast du in einer Kurve verloren, so wie du fährst. Fällt dir nichts auf? Hier hat jemand etwas gesucht.« Er sah sich um. Sämtliche Schubladen eines weiß lackierten Sideboards waren herausgezogen, und am Boden lagen mehrere aufgeschlagene Bücher neben einem zerbrochenen Bilderrahmen.

      »Vielleicht sieht es ja immer so aus.« Dodo hob eines der Bücher auf und las laut den Titel: »›Wie finde ich den Mann fürs Leben – 100 erfolgreiche Tipps‹. Klingt interessant.«

      Kurti lachte und pflückte mit behandschuhten Fingern vorsichtig eine Porzellanscherbe vom schneeweißen Hochflorteppich. »Wie ein Messie wirkte sie nicht«, sagte er. »Obwohl wir letztes Jahr eine angesehene Physiotherapeutin hochgenommen haben, die im großen Stil ihr eigenes Marihuana züchtete, und zwar in einem ihrer Gästezimmer. Da wischte tatsächlich die Putzfrau einmal in der Woche durch. Oh, vielleicht finden wir auf diesem Glas ja Abdrücke.« Er bückte sich, um neben der Couch einen umgefallenen Weinkelch einzusammeln, und zuckte erschrocken zusammen, als lautes Kreischen ertönte. »Autsch!«, rief er und wich überrascht zurück. Ein lang gestreckter grauer Schatten raste davon und verschwand hinter einer angelehnten Tür.

      Verdattert rieb sich Kurti die Wange, auf der ein leuchtend roter Kratzer prangte. »Was war denn das?«

      »Die vierbeinige Alarmanlage.« Dodo lachte. »Eine Katze. Zieh dir beim nächsten Mal besser lange Hosen an. Die hat sich sicher nur vor dir erschreckt, weil du daherkommst wie ein Pfadfinder.«

      »Sieh mal, hier.« Kurti hob einen Laptop hoch, der auf dem Boden neben dem Sofa gelegen hatte, klappte ihn auf und schaltete ihn ein. »Die Unterseite ist noch warm, er wurde vor Kurzem benutzt. Nicht passwortgesichert, gut für uns.«

      »Keine Einbruchspuren an der Wohnungstür, das Apartment liegt im zweiten Stock, kein Eindringen über die Fenster ersichtlich«, überlegte Dodo halblaut. »Da hatte vielleicht jemand einen Schlüssel. Schon was gefunden?«

      »Keine Dokumente, keine Fotos, keine Musik.« Kurti sah verblüfft von der Tastatur hoch. »Das Ding ist so blütenrein wie mein ökologisches Gewissen. Die Festplatte wurde gelöscht.«

      »Soll Peter sich ansehen, der kann eventuell einige Daten rekonstruieren. Nein, ziemlich sicher sogar.« Dodo öffnete eine angelehnte Tür, die ins Schlafzimmer führte. Auf dem pinkfarbenen Kingsize-Bett lag ein großer grauer Kater und starrte sie mit funkelnden gelben Augen aufmerksam an.

      »Hallo, Süßer«, säuselte sie. »Verrätst du mir deinen Namen?« Aber die Katze antwortete nicht. Auch im Schlafzimmer standen sämtliche Schranktüren weit offen, das Bettzeug lag zerwühlt auf dem Boden, und vor einer herausgerissenen Kommodenschublade türmte sich in wildem Durcheinander ein Häuflein hauchzarter Dessous in verschiedenen Pastelltönen.

      »Heilige Coco Chanel!« Andächtig ließ Dodo den Blick über ein Einbauregal schweifen, in dem säuberlich aufgereiht um die hundert mit Staubbeuteln geschützte Designerhandtaschen standen. »Für den Gegenwert von diesen Dingern bekäme ich ein neues Auto.« Widerwillig riss sie sich von dem Regal los und kniete sich vor den riesigen Einbauschrank. Sie schaltete die Beleuchtung ein und las dann die Aufschrift auf einem Schuhkarton, der zur Hälfte mit zerrissenen Unterlagen gefüllt war.

      Der Kater maunzte, sprang vom Bett und kam geduckt auf sie zu.

      »Das warst du, oder?« Anklagend wies Dodo auf den wirren Haufen Papierschnipsel auf dem Schrankboden und im Schuhkarton. »Hättest du deinen Frust nicht woanders auslassen können?« Sie streichelte ihm vorsichtig über den Kopf. Der Kater sah sie unergründlich an und huschte davon.

      »Katzen.« Ratlos griff sich Kurti, der inzwischen nachgekommen war, einen größeren Papierfetzen. »Letzte Ma…«, las er halblaut. »Inkassobü…« Dann ließ er den Schnipsel sinken. »Warum tun die so was?«

      »Manche lieben den Geruch«, erklärte ihm Dodo. »Die zwei Siamkatzen meiner Mutter machen es sich gern im Altpapier gemütlich, nachdem sie es zerfetzt haben. Aber das bekommen wir schon geklebt. Und Peter kümmert sich um den Check der Bankkonten, dann haben wir sämtliche finanziellen Informationen.«

      »Peter Waltner? Wie ist der so?«

      Dodo schnappte sich einen weiteren Schnipsel und hielt ihn ins Licht. »Kontoauszüge, Sparkasse«, las sie gedankenverloren. »Peter? Kompetent, intelligent. Hat einen nachgewiesenen IQ von hundertneununddreißig und ist der Beste, wenn es um Recherche geht. Ein bisschen schräg drauf, ziemlich schüchtern, und seine einzigen Dates, von denen ich weiß, sind Updates. Wenn du ihn fragst, wie das Wetter ist, sieht er im Internet nach. Warum?«

      »Hab von ihm gehört. Er soll spitze sein auf seinem Gebiet.« Kurti warf dem grauen Kater, der es sich mittlerweile wieder auf dem Bett gemütlich gemacht hatte, einen scheelen Blick zu, und hob einen weiteren Papierfetzen hoch. »Diesen zerrissenen Kontoauszügen entnehme ich, dass Sandra Kaiser nicht nur ihr Bett überzogen hat, sondern auch ihr Konto, denn der Dispo ist bis zum Anschlag ausgereizt. Leben am Limit. Andererseits habe ich hier eine Barzahlung …« Er studierte den Schnipsel. »Himmel, dieser Kater! Viertausend Euro, eingezahlt vor vier Wochen. Mehr kann ich nicht lesen wegen dieser vierbeinigen Katastrophe.«

      »Ich habe hier auch eine Bareinzahlung.« Dodo hob einen Papierfetzen hoch. »Dreitausend, im März.«

      »Vielleicht war sie Ärztin? Hier hängt ein weißer Kittel.« Kurti deutete auf die Kleiderstange.

      »Oder Visagistin«, meinte Dodo. »Wenn ich nach dem Tuschkasten gehe, den ich im Bad entdeckt habe. An dem hätte Salvador Dalí seine Freude gehabt. Sie besaß allein vierundzwanzig verschiedene Rouge-Pinsel. Und die Handtaschen da drüben im Regal sind locker fünfzehntausend Euro wert. Was auch immer sie tat, es war lukrativ.«

      »Nun, wir haben das Notebook und die Belege.« Kurti erhob sich. »Im Bad befinden sich keinerlei Tabletten oder Hinweise auf Drogen. Insgesamt ist das alles unauffällig. Die Kollegen von der Spurensicherung werden ohnehin gleich anrollen. Den Computer und den Schuhkarton nehmen wir am besten gleich mit.«

      Dodo schaute sich nochmals suchend um. »Mich irritiert das Fehlen von privaten Fotos.«

      »Fotos finden wir unter Umständen auf ihrem Smartphone.« Kurti klemmte sich das Notebook unter den Arm. »Sind wir damit für heute fertig?«

      »Noch lange nicht.« Dodo schnappte sich den Karton und begann, die Schnipsel einzufüllen. »Wir machen uns auf zum Revier und fangen am besten gleich an, uns die Auszüge und Belege genauer anzusehen. Ich habe das Gefühl, wir sollten bei der Besprechung morgen früh vorbereitet sein, denn der Chef klang gar nicht amüsiert. Ausgerechnet Rothenburg. Sag mal, siehst du hier irgendwo einen Karton? Einen großen? Komm her, Süßer … Na, wird’s bald?«

      »Redest du immer so mit Männern?«, wollte Kurti entgeistert wissen. »Lass mich raten … du bist sicher noch Single?«

      »Ja, bin ich«, gestand Dodo. »Ich warte noch auf den richtigen Mann, am besten so einen Typen wie Rhett Butler aus ›Vom Winde verweht‹.«

      »Du meinst mit Segelohren, Brillantine im Haar und Schnurrbart? Der muss doch aufzutreiben sein. Gesetzt den Fall, du schaffst es irgendwie ins Jahr 1930, wo du mit diesem Männerbild auch unbedingt hinsolltest.«


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