Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke. Walter Benjamin

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Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke - Walter  Benjamin


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aus einem Weltenraum, der zu dem Interieur paßte, in dem er sich heimisch fühlte. Er fühlte sich in dieser Geisterwelt eigentlich heimisch. Sie ist das Komplement der Gemütlichkeit seines Hauswesens, in dem es auch nicht ohne den Schrecken abging.

      »Dans le cœur immortel qui toujours veut fleurir« – zur Erläuterung der fleurs du mal und der Unfruchtbarkeit. Die vendanges bei Baudelaire – sein schwermütigstes Wort (semper eadem; l’imprévu).

      Widerspruch zwischen der Theorie der natürlichen Korrespondenzen und der Absage an die Natur. Wie ist er aufzulösen?

      Sprunghafte Ausfälle, Geheimniskrämerei, überraschende Entschlüsse gehören zur Staatsraison des second empire und waren für Napoleon III kennzeichnend. Sie machen den entscheidenden Gestus in Baudelaires theoretischen Verlautbarungen aus.

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      Das entscheidend neue Ferment, das, in das taedium vitae eintretend, dieses zum spleen macht, ist die Selbstentfremdung. Von dem unendlichen Regreß der Reflexion, die in der Romantik den Lebensraum spielhaft zugleich in immer ausgespanntern Kreisen erweiterte und im immer enger gefaßten Rahmen verkleinerte, ist der Trauer bei Baudelaire nur das tête-à-tête sombre et limpide des Subjekts mit sich selbst geblieben. Hier liegt der spezifische »Ernst« bei Baudelaire. Eben er hinderte die wirkliche Assimilation der katholischen Weltansicht durch den Dichter, die sich mit dem der Allegorie nur unter der Kategorie des Spiels versöhnt. Die Scheinbarkeit der Allegorie ist hier nicht mehr wie im Barock eine eingeständliche.

      Baudelaire wurde von keinem Stil getragen und er hat keine Schule gehabt. Das hat seine Rezeption sehr erschwert.

      Die Einführung der Allegorie antwortet auf ungleich bedeutungsvollere Art der gleichen Krisis der Kunst, der um 1852 die Theorie des l’art pour l’art entgegenzutreten bestimmt war. Diese Krisis der Kunst hatte sowohl in der technischen wie in der politischen Situation ihre Gründe.

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      Es gibt zwei Legenden von Baudelaire. Deren eine hat er selbst verbreitet, und in ihr erscheint er als Unmensch und Bürgerschreck. Die andere ist mit seinem Tode entstanden und hat seinen Ruhm begründet. In ihr erscheint er als Märtyrer. Dieser falsche theologische Nimbus ist auf der ganzen Linie zu zerstreuen. Für diesen Nimbus die Formel der Monnier.

      Man kann sagen: das Glück durchschauerte ihn; vom Unglück kann man Analoges nicht sagen. Unglück kann im Naturzustande nicht in uns eingehen.

      Der spleen ist das Gefühl, das der Katastrophe in Permanenz entspricht.

      Der Geschichtsverlauf, wie er sich unter dem Begriffe der Katastrophe darstellt, kann den Denkenden eigentlich nicht mehr in Anspruch nehmen als das Kaleidoskop in der Kinderhand, dem bei jeder Drehung alles Geordnete zu neuer Ordnung zusammenstürzt. Das Bild hat sein gründliches, gutes Recht. Die Begriffe der Herrschenden sind allemal die Spiegel gewesen, dank deren das Bild einer »Ordnung« zustande kam. – Das Kaleidoskop muß zerschlagen werden.

      Das Grab als die geheime Kammer, in der Eros und Sexus ihren alten Streit vergleichen.

      Die Sterne stellen bei Baudelaire das Vexierbild der Ware dar. Sie sind das Immerwiedergleiche in großen Massen.

      Die Entwertung der Dingwelt in der Allegorie wird innerhalb der Dingwelt selbst durch die Ware überboten.

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      Der Jugendstil ist als der zweite Versuch der Kunst, sich mit der Technik auseinanderzusetzen, darzustellen. Der erste war der Realismus. Diesem lag das Problem mehr oder minder im Bewußtsein der Künstler vor, die durch die neuen Verfahrungsweisen der Reproduktionstechnik beunruhigt waren, (loci! ev in den Papieren zur Reproduktionsarbeit) Im Jugendstil war das Problem als solches bereits der Verdrängung verfallen. Er begriff sich nicht mehr als von der konkurrierenden Technik bedroht. Umso umfassender und umso aggressiver war die Kritik an der Technik, die in ihm verborgen liegt. Ih⁠〈m〉 ist es im Grunde darum zu tun, die technische Entwicklung zu sistieren. Sein Rückgriff auf technische Motive geht aus dem Versuch hervor, …

      Bei Rollinat ist, was bei Baudelaire Allegorie war, zum Genre hinabgesunken.

      Das Motiv der perte d’auréole ist als entschiedenster Kontrast zu den Jugendstilmotiven herauszuarbeiten.

      Essenz als Jugendstilmotiv⁠〈.〉

      Geschichte schreiben heißt, Jahreszahlen ihre Physiognomie geben⁠〈.〉

      Prostitution des Raumes im Haschisch, wo er allem Gewesenen dient (spleen)⁠〈.〉

      Dem spleen ist der Begrabene das »transzendentale Subjekt« des historischen Bewußtseins.

      Die Aureole lag dem Jugendstil besonders am Herzen. Nie hatte die Sonne sich in ihrem Strahlenkranze besser gefallen; nie war das Auge des Menschen strahlender als bei Fidus.

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      Das Motiv der Androgyne, der Lesbischen, der unfruchtbaren Frau ist im Zusammenhang mit der destruktiven Gewalt der allegorischen Intention zu behandeln. – Die Absage an das »Natürliche« ist zuvor – im Zusammenhang mit der Großstadt als dem Sujet des Dichters – zu behandeln.

      Meryon: das Häusermeer, die Ruine, die Wolken, Majestät und Gebrechlichkeit von Paris.

      Das Widerspiel zwischen Antike und Moderne ist aus dem pragmatischen Zusammenhange, in dem es bei Baudelaire auftritt, in den allegorischen zu überführen.

      Der spleen legt Jahrhunderte zwischen den gegenwärtigen und den eben gelebten Augenblick. Er ist es, der unermüdlich »Antike« herstellt.

      In Baudelaire beruht das »Moderne« nicht allein und zuvörderst auf der Sensibilität. Es kommt darin eine höchste Spontaneität zum Ausdruck; die Modern⁠〈e〉 bei Baudelaire ist eine Eroberung; sie hat eine Armatur. Es scheint, daß das einzig von Jules Laforgue gesehen wurde, als er von dem »Amerikanismus« Baudelaires gesprochen hat.

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      Baudelaire hatte nicht den humanitären Idealismus eines Victor Hugo oder Lamartine. Ihm stand die Gefühlsseligkeit eines Musset nicht zugebote. Er hat nicht wie Gautier, Gefallen an seiner Zeit gefunden noch sich wie Leconte de Lisle um sie betrügen können. Es war ihm nicht, wie Verlaine gegeben, sich in die Devotion zu flüchten, noch, wie Rimbaud, die Jugen⁠〈d〉⁠kraft des lyrischen Elans durch den Verrat am Mannesalter zu steigern. So reich der Dichter an Auskünften in seiner Kunst ist, so unbeholfen ist er, seiner Zeit gegenüber in Ausflüchten. Selbst die »Moderne«, die entdeckt zu haben er so stolz war, wie schlug sie an. Den Vorbildern der Bürgerklasse, die Balzac entworfen hatte, waren die Machthaber des zweiten Kaiserreiches nicht nachgeartet. Und die Moderne wurde schließlich eine Rolle, die vielleicht überhaupt nur noch mit Baudelaire selbst zu besetzen war. Eine tragische, in welcher der Dilettant, der sie mangels anderer Kräfte zu übernehmen hatte, oft eine komische Figur machte, wie die Heroen, die Daumiers Hand unter Baudelaires Beifall zum Besten gegeben hatte. Dieses alles wußte Baudelaire zweifelsohne. Die Exzentrizitäten, in denen er sich gefiel, waren seine Art, das bekannt zu geben. Er war also ganz gewiß kein Heiland, kein Märtyrer, nicht einmal ein Heros. Aber er hatte etwas vom Mimen an sich, der die Rolle des »Dichters« vor einem Parkett und vor einer Gesellschaft zu spielen hat, die den echten Dichter schon nicht mehr braucht, und ihm seinen Spielraum nur noch als Mimen gibt.

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      Die Neurose


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