Umdrehen und Weggehen. Peter Strasser
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PETER STRASSER
UMDREHEN
UND
WEGGEHEN
Eine Ethik der Abwendung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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1. Auflage 2020
© 2020 by Braumüller GmbH, Servitengasse 5, A-1090 Wien
Coverfoto: © Shutterstock/YevgeniyDr
ISBN 978-3-99200-275-7
eISBN 978-3-99200-276-4
INHALT
KAPITEL I
DER ZWANG DES ZWANGLOSEN ZWANGS
KAPITEL II
DIE HOHE SCHULE DER HINDERNISSE
KAPITEL IV
PROLOG
Geh weg, wende dich ab, lass es hinter dir.
Ich gehe einfach raus.
Just walk away.
Unter dem Gesichtspunkt der Nächstenliebe, der Solidarität, dem Ideal des ewigen Friedens mögen die oben stehenden Sätze, werden sie absolut verstanden, all den Armen und Notleidenden, den „Verdammten dieser Erde“, gegenüber fühllos klingen.
Um es vorweg klarzustellen: Sich abzuwenden mag Ausdruck einer Grausamkeit sein, bestenfalls einer Blindheit vor dem Elend. Aber es gibt auch eine Beschwernis, wonach wir in unseren engmaschigen, hoch vernetzten Gesellschaften unter dem Druck mannigfacher Toleranzgebote und einer ebenso tiefdringenden wie umfassenden Psychologisierung permanent aufeinander zu- und eingehen sollten. Gerade im Wunschtraum der harmonischen Verdichtung menschlicher Beziehungen liegt jedoch eine Quelle persönlichen Unwohlseins und des beengenden Gefühls, die Akteure rundum seien zugleich Stützen eines Existenzgefängnisses, aus dem es kein Entkommen gibt.
Dieses Gefühl führt auf Dauer zu krisenhaften Beziehungen, persönlich und sozial: Beziehungen, die im Abscheu, ja im Hass vor bestimmten, als einengend und bedrohlich erlebten Anderen gipfeln – die „anderen“ groß geschrieben. Es gilt, einer Gesellschaft vorzubeugen, in der sich die Vielen, die Viel-zu-Vielen ineinander regelrecht „verbeißen“. Wir leben im Zeitalter der Verdichtung, die sich in den Mechanismen der Globalisierung wie den beengenden Ideologien des Neonationalismus äußert.
Es bedarf daher, neben der großen Politik im Geiste der liberalen Tradition, einer individuellen „Politik“ des Loslassens, des Sein- und Gut-sein-Lassens. Man muss auch weggehen können, ohne deswegen als Drückeberger oder Verräter an der angeblich gemeinsamen Sache gescholten, gar verfemt oder ausgestoßen zu werden.
Freilich lassen es nicht alle Situationen unter allen Umständen zu, auf eine moralisch vertretbare Weise unserem Titelmotto gemäß zu agieren: „Umdrehen und weggehen.“ Die Lebenskunst der Abwendung