Karl Kraus: Ich bin der Vogel, den sein Nest beschmutzt. Karl Kraus H.

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Karl Kraus: Ich bin der Vogel, den sein Nest beschmutzt - Karl Kraus H.


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entdeckt. Die pflegte er; saß täglich an ihrem Lager und schob ihr die Nase zurecht, um die Ähnlichkeit auszubilden. Der Ästhetiker hatte an ihr eine Verschiedenheit entdeckt. Die pflegte er; saß täglich an ihrem Lager und pries die Heiligkeit der Nase um ihrer selbst willen. Dieser dankt dem Schöpfer. Jener ist ein Schöpfer.

      Die Hand einer schönen Frau zu verewigen, sie gleichsam von ihrer Anmut abzuschneiden, ist ein Werk jener grausamen Nichtachtung der Frauenschönheit, deren nur ein Ästhet fähig ist. Eine Hand müsste gar nicht schön sein, und die Wirkung, die von der Frau ausgeht, könnte die Wirkung sein, die man von einem Elementarereignis empfängt. Es gibt Frauen, die wie der Blitz in die erotische Fantasie einschlagen, erbeben machen und die Luft des Denkens reinigen.

      Ihre Züge führten einen unregelmäßigen Lebenswandel.

      Große Züge: großer Zug.

      Lieber ein hässlicher Fuß verziehen als ein hässlicher Strumpf!

      Die Weiber haben wenigstens Toiletten. Aber womit decken die Männer ihre Leere?

      »Du wesenlose Luft, die ich umfasse!«: das Bekenntnis jeglicher erotischen Verfeinerung.

      Ein Weib sei Wasser auf einer Tablette. Man zieht es mit dem Finger, wohin man will, und es hinterlässt keine Spur, wo es gewesen. Das kann die schönste Erinnerung sein.

      In der Erotik gilt diese Rangordnung: Der Täter. Der Zeuge. Der Wisser.

      Die Einteilung der Menschheit in Sadisten und Masochisten ist beinahe so töricht wie eine Einteilung in Esser und Verdauer. Von Abnormitäten muss man in jedem Falle absehen, es gibt ja auch Leute, die besser verdauen als essen und umgekehrt. Und so wird man, was den Masochismus und den Sadismus betrifft, getrost behaupten können, dass ein Gesunder über beide Perversitäten verfügt. Hässlich an der Sache sind bloß die Worte, besonders entwürdigend jenes, das sich von dem deutschen Romanschriftsteller herleitet, und es ist schwer, sich von den Bezeichnungen nicht den Geschmack an den Dingen verderben zu lassen.

      Wenn man vom Sklavenmarkt der Liebe spricht, so fasse man ihn doch endlich so auf: Die Sklaven sind die Käufer. Wenn sie einmal gekauft haben, ist’s mit der Menschenwürde vorbei: Sie werden glücklich. Und welche Mühsal auf der Suche des Glücks! Welche Qual der Freude! Im Schweiße deines Angesichts sollst du deinen Genuss finden. Wie plagt sich der Mann um die Liebe! Aber wenn eine nur Wanda heißt, wird sie mit der schönsten sozialen Position fertig.

      Tänzerinnen haben die Sexualität in den Beinen, Tenore im Kehlkopf. Darum täuschen sich die Frauen in den Tenoren und die Männer in den Tänzerinnen.

      Das eben ist der Unterschied der Geschlechter: Die Männer fallen nicht immer auf einen kleinen Mund herein, aber die Weiber immer auf eine große Nase.

      Eine schöne, aber keine echte Flamme der Sinnlichkeit, wenn sich der Spiritus entzündet!

      Sie gewährt, an die Pforte ihrer Lust zu pochen, und lässt die Schätze ahnen, von denen sie nicht gibt. Die Unlust des Wartenden bereichert indessen ihre Lust: Sie nimmt dem Bettler ein Almosen ab und sagt, hier werde nichts ausgeteilt.

      Er hatte sie mit Lustgas betäubt, um eine schwere Gedankenoperation an ihr vorzunehmen.

      Man unterscheide culpose und dolose Frauen.

      Wenn der Dieb in der Anekdote stehlen geht, so hält ihm der Wächter das Licht. Diese Situation ist auch den Frauen nicht unerwünscht.

      Der ist ein unkluger Berater einer Frau, der sie vor Gefahren warnt.

      Es ist etwas Eigenes um die gebildeten Schönen. Die Mythologie wird umgekrempelt. Athene ist schaumgeboren und Aphrodite in eherner Rüstung dem Haupte Kronions entsprossen. Klarheit entsteht erst wieder, wenn die Scheide am Herkuleswege ist.

      Dass eine Frau bei naher Betrachtung verliert, ist ein Vorzug, den sie mit jedem Kunstwerk gemein hat, an dem man nicht gerade Farbenlehre studieren will. Nur Frauen und Maler dürfen sich untereinander mikroskopisch prüfen und ihre Technik abschätzen. Wen die Nähe enttäuscht, der hat es nicht besser verdient. Solche Enttäuschungen lösen ihm die Rosenketten des Eros. Der Kenner aber versteht es, sie erst daraus zu flechten. Ihn enttäuscht nur die Frau, die in der Entfernung verliert.

      Es kann aber eine Wohltat der Sinne sein, von Zeit zu Zeit einem komplizierten Räderwerk nahezustehen. Die anderen sehen nur das Gehäuse mit dem schönen Zifferblatt; und es ist bequem, zu erfahren, wie viel’s geschlagen hat. Aber ich habe die Uhr aufgezogen.

      Auch in männermordenden Geisteskämpfen kann man manchmal einer Frau einen Blumenstrauß zuwerfen, ohne dass die Menge es merkt. Aber bei der zweiten Lektüre offenbart sich dem Feingefühl ein Pamphlet als Liebesbrief.

      Wenn der Wert der Frauen absolut messbar ist, so ist er es gewiss eher nach der Fähigkeit, zu spenden, als nach dem Wert der Objekte, an die sie spenden. Nicht einmal dem Blitz, der statt in die Eiche in einen Holzschuppen einschlägt, darf man einen moralischen Vorwurf machen. Und dennoch besteht kein Zweifel, dass hier die Schönheit des Schauspiels wesentlich von der Würdigkeit des Objektes abhängt, während die Blitze der Sinnlichkeit bei größerem Abstand umso heller leuchten. Nur wenn die Eiche vergebens bittet, dass der Blitz sie erhöre, dann treffe den Blitz die Verdammnis!

      Langweile und Unbequemlichkeit sind die Pole, zwischen denen das Entzücken an den Frauen schwankt. In ihrer äußersten Konsequenz sind sie entweder barmherzige Schwestern oder unbarmherzige Schwestern.

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