Karl Kraus: Ich bin der Vogel, den sein Nest beschmutzt. Karl Kraus H.

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Karl Kraus: Ich bin der Vogel, den sein Nest beschmutzt - Karl Kraus H.


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sittliche Weltordnung ist den geheimnisvollen Fähigkeiten des Weibes, prostituiert zu werden und selbst zu prostituieren, in zwei monogamen Lebensformen gerecht geworden: Sie schuf die Maitresse und den Zuhälter.

      Die Unsittlichkeit der Maitresse besteht in der Treue gegen den Besitzer.

      Die Rechtsstellung des Zuhälters in der bürgerlichen Gesellschaft ist noch nicht geklärt. Er ist ihr Auswurf. Denn er achtet, wo geächtet wird; er beschützt, wo verfolgt wird. Er kann für seine Überzeugung auch Opfer bringen. Wenn er jedoch für seine Überzeugung Opfer verlangt, fügt er sich in den Rahmen einer Gesellschaftsordnung, die zwar dem Weib die Prostitution nicht verzeiht, aber die Korruption dem Manne.

      Die Unmoral des Mannes triumphiert über die Nichtmoral der Frau.

      Dass die bürgerliche Gesellschaft mit Verachtung auf den Zuhälter blickt, ist begreiflich; denn er ist der heroische Widerpart ihrer Unterhaltungen. Sie sind bloß die schlechteren Christen, er aber ist der bessere Teufel. Er ist der Antipolizist, der die Prostituierte sicherer vor dem Staat schützt als der Staat die Gesellschaft vor ihr. Er ist der letzte moralische Rückhalt eines Weibes, das an der guten Gesellschaft zuschanden geht. Von ihr kann sie nur reich werden, von ihm wird sie schön. Wenn er sie ausraubt, so hat sie mehr davon, als wenn die anderen sie beschenken. Weil er »zu ihr hält«, ist er missachteter als sie selbst; aber diese Missachtung ist nur ein Mantel des Neides: Die Gesellschaft muss ihre Lust bezahlen, sie empfängt Ware für Geld; aber das Weib empfängt das Geld und behält die Lust, um den Einen doppelt zu beschenken. Dort ist die Liebe eine ökonomische Angelegenheit; hier macht eine Naturgewalt die Rechnung.

      Ein Weib, das zur Liebe taugt, wird im Alter die Freuden einer Kupplerin genießen. Eine frigide Natur wird bloß Zimmer vermieten.

      Kupplerinnen sind die Hüterinnen der Normen.

      Der Zuhälter ist eine Stütze der Frau. Verliert sie ihn, so kann es leicht geschehen, dass sie herunterkommt.

      Die Zweiteilung des Menschengeschlechts ist von der Wissenschaft noch nicht anerkannt worden.

      Wie lernt die Menschheit schwimmen? Man sagt ihr, wo die gefährlichen Stellen sind und dass es eine Verbindung von Wasserstoff und Sauerstoff sei.

      Die Moral ist ein so populäres Ding, dass man sie predigen kann. Aber der Unmoralprediger vergreift sich am Idealen.

      Im Sexuellen wird die Freiheit mit ihren Feinden fertig, ohne der Gemeinheit als einer Bundesgenossin zu bedürfen.

      Hättet ihr die Rechte des Frauenkörpers anerkannt, hättet ihr die Unterleibeigenschaft aufgehoben, wie ihr den Robot aufgehoben habt, nie wären die Frauen auf den lächerlichen Einfall gekommen, sich als Männer zu verkleiden, um als Weiber im Werte zu steigen!

      Dass doch die Frauenemanzipation darauf ausginge, das Schandmal der anatomischen Ehre des Weibes zu beseitigen und männlicher Blindheit zu zeigen, dass es eine prostitutio in integrum gibt!

      »Frauenrechte« sind Männerpflichten.

      Ich hörte eine Frau von einer andern rühmend sagen: »Sie hat so etwas Weibliches an sich.«

      Griechische Denker nahmen mit Huren vorlieb. Germanische Kommis können ohne Damen nicht leben.

      Das Christentum hat die Zollschranken zwischen Geist und Geschlecht aufgehoben. Aber die Durchsetzung des Sexuallebens mit dem Gedanken ist eine dürftige Entschädigung für die Durchsetzung des Gedankenlebens mit dem Sexuellen.

      Omne animal triste. Das ist die christliche Moral. Aber auch sie nur post, nicht propter hoc.

      Im Kampf zwischen Natur und Sitte ist die Perversität eine Trophäe oder eine Wunde. Je nachdem, ob die Natur sie erbeutet oder die Sitte sie geschlagen hat.

      Die Verbreitung der Lustseuche hat der Glaube bewirkt, dass die Lust eine Seuche sei.

      Religion und Sittlichkeit. Der Katholizismus (kata und holos) geht aufs Ganze; aber das Judentum ist Mosaik.

      Man setzt sich heutzutage genug Unannehmlichkeiten aus, wenn man von einem Kunstwerk sagt, dass es ein Kunstwerk sei. Aber man würde gesteinigt werden, wenn man das so laut von einem Frauenkörper sagte, wie es gesagt werden muss, um ihn neu zu beleben. Denn die Sitte will seine Zerstörung, und durch Worte kann man Anmut zusprechen.

      Es ist eine schlimme Zeit, in der das Pathos der Sinnlichkeit zur Galanterie einschrumpft.

      Der Schönheit sei es ein Trost, dass sich an den Mauern derselben Welt, die ihr den Quell absperrt, der Geist blutig stößt. Sie müssten sich beide verniedlichen, um erlaubt zu sein.

      Die den Freudenbecher gewährt haben, sterben an dem alkoholischen Gifttrunk, den ihnen die christliche Nächstenliebe reicht.

      Es war eine Flucht durch die Jahrtausende, als sie in der kältesten


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