Alexis. Karl Immermann
Читать онлайн книгу.Ihr seid nicht so.
Ich war ein armes Mädchen, näht' und spann,
Den Schwächling hätt' ich nicht geliebt! Ja, wär' ich
An deinem Platz geboren, sollte mir
Die nächste Sonn' in meiner Feinde Blut
Rot untergehn! Hut in die Stirn gedrückt,
Schwert in der Hand ...
ALEXIS.
Du bist auch tapfer, Mädchen.
Mit mir ist's anders, armes Kind. Alexis
Ist feig!
EUPHROSYNE stampft mit dem Fuße.
Du sollst nicht lügen!
ALEXIS.
Kleine Bosheit!
Es sagt's der Zar, ich sag's dem Zaren nach,
Der Zar hat immer recht.
EUPHROSYNE.
Der Zar! Dein Feind!
ALEXIS.
Der Vater, der den Sohn doch kennen muß.
Ich will dir's auch beweisen. Sieh, den Zaren
Ergreift Gelüst, dem Türken was aufs Haupt
Zu geben, der in Stambul nickt und träumt,
Und gern in Ruhe wär'! Flugs wird getrommelt
Nach Osten zu. Fünfhundert Feuerschlünde
Sie donnern Schreck ins Herz dem Padischach.
Ist's dort vorbei, geht's an den Schweden, der
Uns auch wohl ließe, ließen wir ihn nur
Sein Haferbrot verzehren. Schuß um Schuß!
Der Schwede flieht, man nimmt ihm ein Stück Land.
So gibt es Schlacht auf Schlacht, und Sieg und Ruhm,
Und Orden für die Tapfern. Mich, mein Mädchen,
Sah nie der Batterien gekrauster Dampf.
Ich hab' mich krank gemacht, um wegzubleiben.
Lorbeern von ihm! O pfui! Bei St. Georg!
Riss' auch der Zar die große Gottessonne
Vom Himmel, sprach': »Die Sonne geb' ich dir
Als Ordensstern für deinen ersten Sieg!«
Mich reizt' es nicht. So bin ich nun. Gott helf mir!
Da frag' ich dich, ob das nicht Feigheit ist?
Ein Schuß fallt durch das Fenster. Euphrosyne fliegt mit einem Schrei an Alexis Brust.
Bist du verletzt?
EUPHROSYNE.
O Gott!
ALEXIS.
Doch nicht verletzt?
EUPHROSYNE.
Ach was war das?
ALEXIS.
Ein Schuß, der mir vermutlich
Beschieden war von einem Dienstbeflissnen,
Den Zar der fernem Sorge zu entheben.
Du bist doch wirklich nicht verletzt?
EUPHROSYNE.
Nein! Nein!
Ach, meine Glieder zittern!
ALEXIS lächelnd.
Zarte Heldin!
EUPHROSYNE sich in Alexis Arme aufrichtend.
Und du? Wie ist's mit dir?
ALEXIS.
Was meinst du?
EUPHROSYNE.
Gib
Mir deine Hand.
Alexis reicht ihr die Hand.
Ei, die ist warm. So warm,
Als wie vorher.
ALEXIS.
Nun, warum soll sie kalt sein?
EUPHROSYNE die Hand auf Alexis Brust legend.
Dein Herz, wie ruhig schlägt es!
ALEXIS.
Pocht das deine?
EUPHROSYNE.
Bist du denn nicht erschreckt?
ALEXIS.
Erschreckt? Wovon?
Ah so, der Schuß!
EUPHROSYNE.
Ihn wollten sie ermorden!
O du mein Herz! Dich! Dich! O die Verworfnen!
ALEXIS.
Sie weint und zittert. Wenn man es noch hört,
Da hat's ja keine Not. Beruh'ge dich.
EUPHROSYNE.
Ach, wie wird's enden, Lieber?
ALEXIS.
Hast du Furcht?
EUPHROSYNE.
Schilt mich, ich sollte stärker sein. Ach Lieber,
Wie endet dies?
ALEXIS.
Was soll an mir geschehn?
Das Schreckliche liegt hinter mir. Die Kugel,
Nun ja, sie hätt' mich treffen können. Selig,
Betaut von deiner Augen mildem Guß,
Ruht' aus der Zarewitsch. Sie flog vorbei. –
Tat nicht ihr äußerstes die Wut an mir?
Ward ich nicht abgesperrt von meinen Freunden,
Bewacht, gehegt, wie ein gefährlich Wild?
Wann sah ich einen Menschen? Weht das Lüftchen
Von draußen, das dem Sohn des Zaren Nahrung
Zu frevelnden Gedanken brächte? Ward
Die eigne Mutter nicht dem Sohn versagt,
So oft er auch gefleht, daß er die Hand
Dürft' küssen, die des Knäbleins schwachen Schritt
Gestützt! O meine Mutter! – Euphrosyne,
Gestorben bin ich schon – und Leichen sind
Frei, unantastbar.
EUPHROSYNE.
Du hast einst geatmet!
Vergiß'st du, was gewesen?
ALEXIS.
Das vergab er.
EUPHROSYNE.
Wenn du die ganze Wahrheit ihm bekannt.
Alexis Mein Los verdient' ich, hätt' ich das getan.
Nach einer Pause.
Wir haben in Gedanken uns gewiegt,
Aus Einbildungen uns den Thron gebaut,
Empörung in der Wünsche luft'gem Reich