Dombey und Sohn. Charles Dickens

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Dombey und Sohn - Charles Dickens


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jeder Hauch seines Mundes dampfte. Nur einmal bemerkte man eine Veränderung in seiner Miene, und das geschah, als der Geistliche in einfachem Vortrag seine Schlußermahnung an die Paten des Kindes hielt und dabei sein Auge auf Mr. Chick ruhen ließ. Mr. Dombeys Miene war bei dieser Gelegenheit so majestätisch, daß sich deutlich darin ausdrückte, »ich möchte doch sehen, ob es dieser je nötig hat, solchen Verpflichtungen nachzukommen«.

      Es dürfte für Mr. Dombey gut gewesen sein, wenn er ein bißchen weniger an seine eigene Würde und mehr an den hohen Ursprung und an den Zweck der Feierlichkeit gedacht hätte, bei der er eine so förmliche und steife Rolle spielte. Seine Anmaßung bildete einen befremdlichen Gegensatz zu der Geschichte der heiligen Handlung.

      Nachdem alles vorüber war, gab er Miß Tox abermals seinen Arm und führte sie nach der Sakristei, wo er dem Geistlichen mitteilte, es würde ihm ein großes Vergnügen gemacht haben, wenn er sich zum Diner die Ehre seiner Gesellschaft hätte erbitten können; hierauf müsse er aber wegen des unglücklichen Zustandes seiner häuslichen Angelegenheiten verzichten. Die Eintragungen wurden gemacht, die Gebühr bezahlt und weder die Stuhlschließerin, deren Husten wieder sehr schlimm geworden war, noch der Kirchendiener oder der Küster, der wie zufällig in der Tür, die zur Treppe führte, stand und mit großem Interesse das Wetter betrachtete, vergessen. Dann stiegen sie wieder in den Wagen und fuhren in derselben kalten Geselligkeit nach Hause.

      Dort war Mr. Pitt, der die Nase über einen kalten Imbiß rümpfte, der in kaltem Pomp von Glas und Silber aufgetragen war und eher einem toten Diner auf dem Paradebette, als einer sozialen Erfrischung glich. Bei ihrer Ankunft brachte Miß Tox einen Becher für ihr Patchen zum Vorschein, und Mr. Chick beschenkte es mit Messer, Gabel und Löffel in einem andern Futteral. Auch Mr. Dombey hatte sich mit einem Armband für Miß Tox versehen, und beim Empfang dieses Andenkens entwickelte besagte Dame eine große Rührung.

      »Mr. John«, sagte Dombey, »wollt Ihr die Güte haben, unten am Tisch Platz zu nehmen? Was steht vor Euch, Mr. John?«

      »Kalter Nierenbraten, Sir«, entgegnete Mr. Chick, die steifen Hände hart gegeneinander reibend. »Was habt Ihr dort, Sir?«

      »Das«, versetzte Mr. Dombey, »ist, glaube ich, irgendein kaltes Präparat von Kalbskopf. Ich sehe noch kaltes Geflügel – Schinken – Pastetchen – Salat – Hummern. »Miß Tox, wollt Ihr mir die Ehre erweisen, etwas Wein anzunehmen? Champagner für Miß Tox.«

      Lauter zahnwehmachende Dinge. Der Wein war so grimmig kalt, daß Miß Tox einen leichten Schrei ausstieß, und sie hatte große Mühe, ihn zu einem »hem« umzuwandeln. Der Nierenbraten kam aus einer so luftigen Speisekammer, daß der erste Bissen auf Mr. Chick den Eindruck machte, als ränne ihm kaltes Blei bis an die Zehenspitzen. Nur Mr. Dombey blieb unbewegt. Man hätte ihn auf einem russischen Jahrmarkt als Probe eines erfrorenen Gentlemans zum Verkauf aushängen können.

      Der vorherrschende Eindruck war sogar für seine Schwester zu viel. Sie gab sich sogar keine Mühe, ihre sonstigen Schmeicheleien und ihre Redseligkeiten anzubringen, sondern richtete alle ihre Anstrengungen darauf hin, so warm, als sie nur konnte, auszusehen.

      »Na, Sir«, sagte Mr. Chick, nach langem Schweigen einen verzweifelten Anlauf nehmend und sich dazu ein Glas Xeres füllend; »mit Eurer Erlaubnis, Sir, will ich ein Hoch auf den kleinen Paul ausbringen.«

      »Gott segne ihn!« murmelte Miß Tox, von ihrem Weine schlürfend.

      »Der liebe kleine Dombey!« flüsterte Mrs. Chick.

      »Mr. John«, sagte Mr. Dombey mit ernster Gravität, »wenn mein Sohn die Gunst, die Ihr ihm erwiesen habt, zu würdigen wüßte, so würde er sich ohne Zweifel sehr verpflichtet fühlen und Euch seinen Dank ausdrücken. Doch ich hoffe zuversichtlich, er wird mit der Zeit den Beweis liefern, daß er jeder Verantwortlichkeit gewachsen ist, welche ihm die Verbindlichkeit seiner Verwandten und Freunde im Privatleben oder die beschwerliche Beschaffenheit unserer Stellung im öffentlichen auferlegen kann.«

      Der Ton, in dem das gesprochen wurde, gab nichts Weiterem Raum, und Mr. Chick verfiel wieder in ein trübseliges Schweigen. Nicht so Miß Tox, welche Mr. Dombey sogar mit emphatischerer Aufmerksamkeit als gewöhnlich und mit einer ausdrucksvolleren Neigung ihres Kopfes auf die eine Seite zugehört hatte. Sie lehnte sich jetzt quer über den Tisch und sagte mit leiser Stimme zu Mr. Chick:

      »Louisa!«

      »Meine Liebe«, versetzte Mrs. Chick.

      »Die beschwerliche Beschäftigung unserer Stellung im öffentlichen ihm – ich habe den Ausdruck wieder vergessen.«

      »Zulegen könnte«, sagte Mrs. Chick.

      »Verzeiht, meine Liebe«, erwiderte Miß Tox. »Ich glaube nicht. Er war gerundeter und fließender. Die Verbindlichkeit seiner Verwandten und Freunde im Privatleben oder die beschwerliche Beschaffenheit der Stellung im öffentlichen – ihm – auflegen könnte?«

      »Natürlich ihm auflegen könnte«, sagte Mrs. Chick.

      Miß Tox schlug triumphierend, aber doch nur leicht ihre zarten Hände zusammen und fügte mit einem aufwärts gerichteten Blick hinein: »In der Tat Beredsamkeit!«

      Mittlerweile hatte Mr. Dombey Befehl erteilt, daß die Richards herbeigerufen werden sollte, und diese trat jetzt mit Verbeugungen, aber ohne Bübchen, herein, da Paul nach den Anstrengungen des Morgens schläfrig geworden war. Mr. Dombey überreichte dieser Vasallin ein Glas Wein und redete sie mit nachstehenden Worten an, nachdem zuvor Miß Tox ihren Kopf zur Seite geneigt und alle übrigen Vorbereitungen getroffen hatte, sie in den Tiefen ihrer Seele einzugraben.

      »Während der sechs Monate oder so, Richards, welche Ihr eine Insassin dieses Hauses gewesen seid, habt Ihr Eure Pflicht getan. Es war daher mein Wunsch, Euch bei dieser Gelegenheit einen kleinen Dienst zu erweisen. Ich habe darüber nachgedacht, wie ich das am besten könnte, und befragte deshalb meine Schwester, Mistreß –«

      »Chick«, flocht der Gentleman dieses Namens ein.

      »O, seht, wenn ich bitten darf!« sagte Miß Tox.

      »Ich wollte Euch sagen, Richards«, nahm Mr. Dombey mit einem streng zurechtweisenden Blick gegen Mr. John wieder auf, »daß meinen Entschluß die Erinnerung an ein Gespräch unterstützte, das ich mit Eurem Gatten in diesem Zimmer hatte, zur Zeit, als Ihr gemietet wurdet. Er entdeckte mir damals den traurigen Umstand, daß Eure Familie, ihn selbst, das Haupt, nicht ausgenommen, tief in Unwissenheit versunken sei.«

      Richards bebte unter der Großartigkeit dieses Vorwurfs.

      »Ich bin zwar durchaus kein Freund von dem«, fuhr Mr. Dombey fort, »was von den aufdringlichen Gleichmachern allgemein Erziehung genannt wird; aber es ist immerhin nötig, daß die unteren Klassen fortwährend unterrichtet werden, wie sie ihre Stellung erkennen und sich demgemäß gebührend aufführen müssen. Insoweit haben die Schulen meinen Beifall. Da es nun in meiner Macht steht, für eine alte Anstalt, die von einer verehrungswerten Gesellschaft den Namen der barmherzigen Schleifer erhalten hat, ein Kind zu nominieren – die Schüler erhalten dort nicht nur eine gesunde Erziehung, sondern auch einen mit dem Abzeichen des Instituts versehenen Anzug – so habe ich, nachdem ich zuerst durch Mrs. Chick mit Eurer Familie Rücksprache nehmen ließ, Euren ältesten Sohn für eine erledigte Stelle bezeichnet, und wie ich höre, trägt er schon heute die Montierung. Die Nummer ihres Sohnes«, fügte Mr. Dombey gegen seine Schwester bei, als ob er nicht von einem Kinde, sondern von einer Mietkutsche spreche – »ist, wie ich glaube, hundertsiebenundvierzig. Louisa, du kannst es ihr sagen.«

      »Hundertsiebenundvierzig«, bekräftigte Mrs. Chick. »Die Montierung, Richards, besteht aus einem netten, warmen blauwollenen Fräcklein, einer Mütze mit orangefarbigem Band, rotwollenen Strümpfen und sehr starken Lederhosen. Man könnte die Sachen selbst tragen«; fügte Mrs. Chick mit Enthusiasmus hinzu, »und Gott dafür danken.«

      »So, Richards!« sagte Miß Tox. »Nun dürft Ihr in der Tat stolz sein. Die barmherzigen Schleifer!«

      »Ich bin Euch gewiß sehr verbunden, Sir«, entgegnete Richards kleinlaut, »und weiß es sehr zu schätzen, daß Ihr meiner Kleinen gedenkt.«

      Wie


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