Dombey und Sohn. Charles Dickens

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Dombey und Sohn - Charles Dickens


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hatten; aber seine Hinterlassene trug noch immer schwarzen Bombasin von so glanzlosem, tiefem, toten, düsteren Schatten, daß nach Eintritt der Dunkelheit sogar eine Gaslampe sie nicht aufzuhellen vermochte und ihre Gegenwart jede auch noch so große Anzahl von Kerzenlichtern zum Erblinden brachte. Sie galt im allgemeinen als eine Person, die sehr gut mit Kindern umzugehen wußte, und das Geheimnis ihrer Behandlung bestand darin, daß sie jedem gab, was ihm unlieb war, und nichts, was es gerne hatte; dadurch wurden denn ihre Charaktere sehr gezähmt. Sie war eine so bittere alte Dame, daß man sich wohl versucht fühlen konnte, zu glauben, in der Anwendung der peruanischen Maschinerie habe ein Irrtum stattgefunden, und es sei, statt des Wassers aus den Minen, alles Wasser der Heiterkeit und alle Milch der Menschenliebe völlig aus ihr herausgepumpt worden.

      Das Kastell dieser Werwölfin und Kinderbändigerin stand an einer abschüssigen Stelle in einer Nebenstraße von Brighton. Der Boden war daselbst mehr als gewöhnlich kalkig, kieselig und unfruchtbar, und die Häuser zeigten ein gar schmächtiges, gebrechliches Aussehen. Die kleinen Gärten vorn besaßen die unerklärliche Eigentümlichkeit, nichts anderes als Ringelblumen hervorzubringen, was man sonst auch säen mochte, und die Schnecken klebten stets an den Haustüren und anderen öffentlichen Plätzen, wo sie wohl nicht als Zierde dienen konnten, mit der Beharrlichkeit von Schröpfköpfen. Winters konnte die Luft nicht aus dem Kastell heraus- und sommers nicht hineingebracht werden. Auch gab es darin einen so unaufhörlichen Widerhall des Windes, daß es überall stets wie eine große Muschel tönte, die die Insassen gleichsam Tag und Nacht an die Ohren halten mußten, ob sie nun wollten oder nicht. Natürlich konnte von einem frischen Geruch nicht die Rede sein, und vor dem Fenster des Vorderzimmers, das nie geöffnet wurde, unterhielt Mrs, Pipchin eine Sammlung von Topfpflanzen, die der ganzen Anstalt ihren eigenen erdigen Duft mitteilten.

      Wie sorgsam gewählt auch in ihrer Art die Exemplare sein mochten, die Pflanzen standen jedenfalls in einem eigentümlichen Einklang mit dem ganzen Hause der Mrs. Pipchin. Da waren ein halb Dutzend Kaktusse, die sich wie haarige Schlangen um runde Stöcke wanden; ein anderes Gewächs derselben Art streckte breite Krallen hinaus, wie ein grüner Hummer, mehrere Kriechpflanzen hatten stechende klebrige Blätter, und ein einziger unfreundlicher Blumentopf, der von der Zimmerdecke herunterhing, schien durch Sieden übergelaufen zu sein und kitzelte jetzt die unter ihm befindlichen Personen mit seinen langen grünen Enden, die an eine Spinne erinnerten – eine Tiergattung, von der es in Mrs. Pipchins Wohnung wimmelte, obschon sie vielleicht zur geeigneten Jahreszeit von den Ohrwürmern noch überboten wurden.

      Gleichwohl steigerten sich Mrs. Pipchins Anforderungen an alle, die es erschwingen konnten, sehr hoch, und da die Dame selten die gleichmäßige Schärfe ihres Wesens zugunsten irgendeines Pfleglings milderte, so galt sie als eine Frau von merkwürdiger Festigkeit, die in ihrer Behandlung des kindlichen Charakters ganz wissenschaftlich zu Werke gehe. Auf die Grundlage dieses Rufs und des gebrochenen Herzens ihres Gemahls hin gelang es ihr, nach dem Ableben des Mr. Pipchin Jahr für Jahr sich leidlich durchzuschlagen. Drei Tage, nachdem Mrs. Chick ihrer zum erstenmal Erwähnung getan hatte, erlebte die treffliche alte Dame die Freude, einer respektablen Erhöhung ihrer laufenden Einnahmen aus Mr. Dombeys Tasche entgegensehen zu können und Florence sowohl als deren kleinen Bruder Paul zu den Insassen des Kastells zählen zu dürfen.

      Mrs. Chick und Miß Tor waren abends zuvor mit den Kleinen angelangt und hatten die Nacht in einem Gasthaus zugebracht. Nach Ablieferung ihrer Fracht fuhren sie wieder der Heimat zu, und Mrs. Pipchin musterte, ihren Rücken dem Feuer zugekehrt, die neuen Ankömmlinge wie ein alter Feldwebel. Eine ältliche Nichte der Dame, eine gutmütige, dienstbeflissene Sklavin, die aber eine sehr hagere, eisenfeste Außenseite besaß und viel von Schwären an der Nase zu leiden hatte, nahm eben dem Master Bitherstone den reinen Halskragen ab, den er bei der Parade getragen hatte. Miß Pankey, zurzeit die einzige weitere kleine Kostgängerin, war kurz zuvor nach dem Gefängnis des Kastells, einem leeren Hintergemach, das zu Korrektionszwecken dienen mußte, geschickt worden, weil sie in Anwesenheit der Gäste dreimal geschnüffelt hatte.

      »Nun, Sir«, sagte Mrs. Pipchin zu Paul, »glaubt Ihr wohl, daß es Euch bei mir gefallen wird?«

      »Ich denke nicht, daß es mir hier je gefallen kann«, versetzte Paul »Ich will wieder fort. Das hier ist nicht mein Haus.«

      »Nein. Es gehört mir«, entgegnete Mrs. Pipchin.

      »Es ist sehr garstig«, sagte Paul.

      »Gleichwohl gibt es noch einen schlimmern Platz darin«, erwiderte Mrs. Pipchin, »wo wir unsere bösen Buben einsperren.«

      »Ist der auch schon drinnen gewesen?« fragte Paul, auf Master Bitherstone deutend.

      Mrs. Pipchin nickte bejahend, und Paul hatte für den Rest des Tags genug damit zu schaffen, indem er Master Bitherstone von Kopf bis zu Fuß musterte und die Bewegungen seines Gesichts mit dem vollen Interesse beobachtete, das ein Knabe mit geheimnisvollen und schrecklichen Erfahrungen einzuflößen imstande ist.

      Ein Uhr war die Stunde des Mittagessens, das hauptsächlich aus Mehlspeisen und Gemüse bestand, und um diese Zeit wurde Miß Pankey (ein sanftes, blauäugiges kleines Mädchen) aus ihrem Gefängnis hervorgeholt. Die Werwölfin verrichtete dieses Amt in eigner Person und belehrte ihre kleine Pflegbefohlene, daß niemand, der vor den Gästen schnüffle, je in den Himmel komme. Nachdem ihr diese große Wahrheit gehörig ans Herz gelegt war, wurde sie mit Reis bewirtet und mußte dann die im Kastell herkömmliche Gebetformel vortragen, in der speziell die Klausel des Dankes gegen Mrs. Pipchin für das gute Essen eingeschlossen war. Mrs. Pipchins Nichte, Berinthia, erhielt kaltes Schweinefleisch, und Mrs. Pipchin, deren Konstitution warme Nahrung verlangte, setzte sich zu den Hammelrippchen, die zwischen zwei Platten ganz heiß hereingebracht wurden und sehr gut rochen.

      Da sie wegen des Regens nach dem Mahl nicht an die Küste hinuntergehen konnten und Mrs. Pipchins Konstitution nach den Hammelrippchen der Ruhe bedurfte, so begaben sie sich mit Berry (sonst Berinthia) nach dem Gefängnis, einem leeren Zimmer, das nach einer gegipsten Wand und einem Wasserfaß hinaussah, keinen Ofen hatte und mit seinem zerrissenen Kamin einen sehr gespenstischen Eindruck machte. Wenn übrigens Geselligkeit Leben hineinbrachte, war hier am Ende der beste Platz; denn Berry spielte da mit den Kindern und schien an deren Ausgelassenheit eine ebenso große Freude zu haben, wie ihre Pfleglinge. Dies dauerte fort, bis Mrs. Pipchin, wie der wieder auflebende »schwarze Mann«, zornig an die Wand klopfte; dann ließen sie ab, und Berry erzählte ihnen im Flüsterton Märchen bis zur Abenddämmerung.

      Statt des Tees war für die Kinder reichlich Milch und Wasser mit Butterbrot vorhanden. Nur für Mrs. Pipchin und Berry wurde ein kleiner schwarzer Teetopf nebst einer unbeschränkten Menge Röstschnitten mit Butter für Mrs. Pipchin aufgetragen, die ebenso heiß wie die Hammelrippchen ankamen. Obschon nun die Werwölfin infolge dieses Gerichts von außen sehr schmierig wurde, schien es sie doch von innen durchaus nicht geschmeidiger zu machen; denn sie blieb so wild wie immer, und das harte graue Auge wollte nichts von Weichheit wissen.

      Nach dem Tee brachte Berry ein kleines Arbeits-Etui, auf dessen Deckel der königliche Pavillon zu sehen war, hervor und fing an, emsig zu arbeiten, während Mrs. Pipchin ihre Brille aufsetzte, ein großes, in grüne Leinwand gebundenes Buch herausnahm und zu nicken begann. Sooft aber Mrs. Pipchin sich darüber ertappte, daß sie gegen das Fenster vorbeugte und daran aufwachte, gab sie Master Bitherstone einen Nasenstüber, weil er gleichfalls genickt hatte.

      Endlich war es für die Kinder Schlafenszeit, und nachdem sie ihr Gebet hergesagt hatten, wurden sie zu Bett gebracht. Da die kleine Miß Pankey sich fürchtete, allein im Dunkeln zu schlafen, so übernahm Mrs. Pipchin stets das Amt, sie in Person gleich einem Schaf die Treppe hinaufzutreiben; und es war gar erbaulich, mitanzuhören, wenn Miß Pankey noch lange hernach in der allerschlechtesten Kammer weinte und Mrs. Pipchin hin und wieder hineinging, um sie zu zausen. Um halb zehn Uhr brachte der Geruch von heißen Kalbsbrieslein (der Mrs. Pipchin gestattete ihre Konstitution nicht, ohne Kalbsbrieslein schlafen zu gehen) eine Abwechslung in die vorherrschenden Düfte des Hauses, die Mrs. Wickham als »Häusergeruch« bezeichnete, und bald nachher lag das ganze Kastell im Schlummer.

      Am andern Morgen war das Frühstück wie der Tee am Abend vorher, nur mit der Ausnahme, daß Mrs. Pipchin statt der Röstschnitten eine Semmel verspeiste und


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