David Copperfield. Charles Dickens

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David Copperfield - Charles Dickens


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auch nicht, dass Mr. Murd­sto­ne den gan­zen Tag über ein­mal ge­lacht hät­te, au­ßer über den Shef­field-Witz, den er ja üb­ri­gens sel­ber ge­macht hat­te.

      Wir gin­gen abends zei­tig nach Hau­se. Es war ein sehr schö­ner Abend, und mei­ne Mut­ter und Mr. Murd­sto­ne gin­gen wie­der an der Ro­sen­he­cke auf und ab, wäh­rend ich hin­ein­ge­schickt wur­de, um mei­nen Tee zu trin­ken.

      Als er weg­ge­gan­gen war, frag­te mich mei­ne Mut­ter aus über die Ta­ge­s­er­leb­nis­se. Ich er­zähl­te, was sie über sie ge­äu­ßert hat­ten, und sie lach­te und sag­te, es sei­en un­ver­schäm­te Bur­schen, die Un­sinn schwatz­ten, aber ich merk­te ganz gut, dass es ihr ge­fiel. So ge­nau, wie ich es jetzt weiß. Ich be­nutz­te die Ge­le­gen­heit, sie zu fra­gen, ob sie einen ge­wis­sen Brooks aus Shef­field ken­ne, sie er­wi­der­te, nein, aber es müs­se ein Mes­ser- und Ga­bel­fa­bri­kant sein.

      Kann ich von ih­rem Ge­sicht, so­sehr es sich spä­ter ver­än­der­te, so ver­blüht ich es weiß, sa­gen, es sei nicht mehr, wenn es hier in die­sem Au­gen­blick so deut­lich mir vor Au­gen tritt, wie je­des be­lie­bi­ge Ge­sicht, das auf be­leb­ter Stra­ße an mir vor­bei­geht? Kann ich von ih­rer un­schulds­vol­len, mäd­chen­haf­ten Schön­heit sa­gen, sie sei ver­welkt und da­hin, wenn ihr Atem jetzt mei­ne Wan­ge be­rührt, wie er es an je­nem Abend tat? Kann ich sa­gen, sie habe sich je­mals ver­än­dert, wenn mei­ne Erin­ne­run­gen sie nur mit die­sen Zü­gen ins Le­ben zu­rück­ru­fen?

      Ich schil­de­re sie ge­nau so, wie sie war, als ich nach die­ser Un­ter­hal­tung zu Bett ge­gan­gen und sie zu mir kam, um mir gute Nacht zu sa­gen. Sie knie­te ne­ben mei­nem Bett nie­der, leg­te ihr Kinn auf ihre Hän­de und frag­te la­chend:

      »Was sag­ten sie, Davy? Sag es noch ein­mal. Ich kann’s nicht glau­ben.«

      »Der himm­li­schen –« fing ich an.

      Sie leg­te mir die Hand auf den Mund.

      »Himm­lisch ge­wiss nicht«, sag­te sie la­chend. »Himm­lisch kann es nicht ge­we­sen sein, Davy. Jetzt weiß ichs, dass es nicht wahr ist.«

      »Doch! Der himm­li­schen Mrs. Cop­per­field«, wie­der­hol­te ich stand­haft, »und der rei­zen­den –«

      »Nein, nein, rei­zend ge­wiss nicht. Nicht rei­zend«, un­ter­brach mich mei­ne Mut­ter und leg­te mir wie­der die Fin­ger auf die Lip­pen.

      »Ja, es war so. Der rei­zen­den klei­nen Wit­we.«

      »Was für när­ri­sche, un­ver­schäm­te Men­schen!« rief mei­ne Mut­ter la­chend und be­deck­te ihr Ge­sicht, »was für al­ber­ne Bur­schen, nicht wahr, mein lie­ber Davy?«

      »Ja­wohl, Mama.«

      »Sag Peg­got­ty nichts. Sie könn­te böse drü­ber wer­den. Ich bin auch sehr böse drü­ber, aber es ist bes­ser, Peg­got­ty er­fährt nichts da­von.«

      Ich ver­sprach es na­tür­lich, und wir küss­ten uns noch vie­le Male, und bald lag ich in fes­tem Schlaf.

      Nach der lan­gen in­zwi­schen ver­gan­ge­nen Zeit kommt es mir jetzt so vor, als ob mir be­reits am Tage dar­auf Peg­got­ty den son­der­ba­ren Vor­schlag mach­te, von dem ich so­gleich er­zäh­len will, – aber wahr­schein­lich la­gen zwei Mo­na­te da­zwi­schen.

      Wir sa­ßen wie­der ei­nes Abends, als mei­ne Mut­ter auf Be­such war, in Ge­sell­schaft des Strump­fes, des El­len­ma­ßes, des Wachs­stück­chens, des Kas­tens mit der St.-Pauls-Kir­che und des Kro­ko­dil­buchs bei­sam­men, Peg­got­ty und ich, als sie (nach­dem sie mich mehr­mals an­ge­blickt und den Mund auf­ge­ris­sen, als woll­te sie spre­chen, – ich hielt es für blo­ßes Gäh­nen, sonst hät­te es mich be­un­ru­higt, –) end­lich mit ein­schmei­cheln­der Stim­me sag­te: »Mas­ter Davy, wie wäre es, wenn du mit mir auf vier­zehn Tage mei­nen Bru­der in Yar­mouth be­such­test? Wär das nicht fein?«

      »Ist dein Bru­der ein an­ge­neh­mer Mann?« frag­te ich vor­sich­tig.

      »O was für ein an­ge­neh­mer Mann!« rief Peg­got­ty und streck­te die Hän­de in die Höhe. »Und dann ist das Meer da und die Boo­te und die Schif­fe und der Strand und Ham zum Spie­len.«

      Ham war Peg­got­tys Nef­fe, wie be­kannt. Ich war ganz auf­ge­regt über die in Aus­sicht ge­stell­ten Freu­den von Yar­mouth und er­wi­der­te, dass es frei­lich herr­lich sein müss­te, aber was wohl die Mut­ter dazu sa­gen wür­de.

      »Ich möch­te eine Gui­nee wet­ten, dass sie uns die Er­laub­nis dazu gibt. Wenn du willst, fra­ge ich sie, so­bald sie nach Hau­se kommt. Ab­ge­macht.«

      »Aber was wird sie an­fan­gen, wenn wir fort sind?« frag­te ich und leg­te mei­ne Ell­bo­gen auf den Tisch, um die Sa­che gründ­lich zu be­spre­chen. »Sie kann doch nicht al­lein blei­ben?«

      Wenn Peg­got­ty ganz plötz­lich jetzt nach ei­nem Lo­che in der Strumpf­fer­se späh­te, muss es wahr­haf­tig ganz klein und des Stop­fens nicht wert ge­we­sen sein.

      »Peg­got­ty! Hör doch. Sie kann doch nicht al­lein blei­ben.«

      »Ach Gott, rich­tig«, sag­te Peg­got­ty und sah mich end­lich wie­der an. »Weißt du es noch nicht? Sie geht auf vier­zehn Tage auf Be­such zu Mrs. Gray­per. Mrs. Gray­per be­kommt eine Men­ge Gäs­te.«

      Da die Sa­che so stand, war ich ganz be­reit zur Rei­se. In größ­ter Un­ge­duld war­te­te ich, bis mei­ne Mut­ter von Mrs. Gray­per, uns­rer Nach­ba­rin, nach Hau­se kam, um sie zu fra­gen, ob sie mit dem großen Plan ein­ver­stan­den sei. Gar nicht so über­rascht, wie ich ver­mu­tet hat­te, ging mei­ne Mut­ter be­reit­wil­lig dar­auf ein, und die Sa­che wur­de die­sen Abend noch ab­ge­macht und Woh­nung und Kost für mich für die vier­zehn Tage be­zahlt.

      Der Tag un­se­rer Abrei­se kam bald her­an. Er war so nahe an­ge­setzt, dass er selbst für mich bald kam, wo ich doch förm­lich vor Er­war­tung fie­ber­te und im­mer fürch­te­te, ein Erd­be­ben oder ein feu­er­spei­en­der Berg oder eine an­de­re große Ka­ta­stro­phe könn­te al­les hin­aus­schie­ben.

      Wir soll­ten mit ei­nem Fuhr­mann rei­sen, der die­sen Mor­gen nach dem Früh­stück auf­brach. Ich wür­de et­was dar­um ge­ge­ben ha­ben, wenn man mir er­laubt hät­te, mich schon über Nacht in den Man­tel wi­ckeln und mit Hut und Stie­feln schla­fen zu dür­fen. Es er­schüt­tert mich jetzt noch, wenn ich es so leicht­hin er­zäh­le und be­den­ke, wie un­ge­dul­dig ich mich von dem glück­li­chen Heim weg­sehn­te, ohne zu ah­nen, was ich für im­mer ver­ließ.

      Es steht wie eine fro­he Erin­ne­rung vor mir, als der Wa­gen vor der Türe hielt und mei­ne Mut­ter mich küss­te, und ich freue mich, dass ich vor zärt­li­cher Lie­be zu ihr und dem al­ten Hau­se, das ich noch nie ver­las­sen, wei­nen muss­te, freue mich über die Erin­ne­rung, dass auch mei­ne Mut­ter wein­te und ich ihr Herz an mei­nem schla­gen fühl­te.

      Und als der Wa­gen da­von­fuhr, da kam mei­ne Mut­ter noch ein­mal zur Gar­ten­tür her­aus und ließ hal­ten, um mich noch ein­mal zu küs­sen. Ich ver­wei­le gern in Ge­dan­ken bei der In­nig­keit und Lie­be, mit der sie mir ins Ge­sicht blick­te und mir noch einen letz­ten Ab­schieds­kuss gab.

      Als sie mit­ten auf der Stra­ße stand und uns nachsah, trat Mr. Murd­sto­ne zu ihr und schi­en ihr Vor­stel­lun­gen we­gen ih­rer großen Rüh­rung zu ma­chen. Ich sah um die Wa­gen­pla­che her­um zu­rück und war mir nicht klar dar­über, was ihn denn ei­gent­lich die gan­ze Sa­che an­gin­ge.


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