David Copperfield. Charles Dickens

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David Copperfield - Charles Dickens


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der Fisch­ge­ruch, der so durch­drin­gend war, dass mein Ta­schen­tuch, als ich es ein­mal her­aus­zog, ge­ra­de so roch, als ob ein Hum­mer dar­in ein­ge­wi­ckelt ge­we­sen wäre. Als ich die­se Ent­de­ckung Peg­got­ty an­ver­trau­te, be­lehr­te sie mich, dass ihr Bru­der mit Hum­mern, Krab­ben und Kreb­sen han­del­te.

      Spä­ter fand ich her­aus, dass ein Hau­fen die­ser Ge­schöp­fe in wun­der­ba­rer Ver­knäu­e­lung, in der sie nicht wie­der loslie­ßen, was sie ein­mal mit ih­ren Sche­ren ge­fasst hat­ten, drau­ßen in ei­nem klei­nen höl­zer­nen Schup­pen, in dem Töp­fe und Kes­sel hin­gen, auf­be­wahrt wur­den.

      Eine sehr höf­li­che Frau mit wei­ßer Schür­ze, die ich schon drau­ßen in der Türe hat­te kni­xen se­hen, als ich auf Hams Rücken noch eine Vier­tel­mei­le vom Hau­se ent­fernt war, emp­fing uns. Des­glei­chen ein sehr schö­nes, klei­nes Mäd­chen – so kam sie mir we­nigs­tens vor, – mit ei­nem Hals­band aus blau­en Glas­per­len.

      Die Klei­ne ließ sich nicht küs­sen, als ich sie dazu auf­for­der­te, son­dern rann­te fort und ver­steck­te sich. Spä­ter, als wir ein präch­ti­ges Mit­ta­ges­sen, be­ste­hend aus ge­koch­ten Fi­schen, ge­schmol­ze­ner But­ter und Kar­tof­feln, so­wie ei­ner Ham­mel­rip­pe für mich, zu uns ge­nom­men hat­ten, kam ein stark be­haar­ter Mann mit sehr gut­mü­ti­gem Ge­sicht nach Hau­se. Er nann­te Peg­got­ty »Mä­chen« und gab ihr einen herz­haf­ten Schmatz auf die Wan­ge, wor­aus ich bei der sons­ti­gen Züch­tig­keit ih­res We­sens schloss, dass es ihr Bru­der sein müss­te. Er war es auch und wur­de mir als Mr. Peg­got­ty, der Herr des Hau­ses, vor­ge­stellt.

      »Freut mich, Sie zu se­hen, Sir«, sag­te Mr. Peg­got­ty »– wer­den uns rau fin­den, aber stets be­reit.«

      Ich dank­te ihm und gab zur Ant­wort, dass ich mich an so ei­nem an­ge­neh­men Ort ge­wiss wohl­be­fin­den wür­de.

      »Wie geits to Hus, Sir?« frag­te Mr. Peg­got­ty, plötz­lich in sei­nen Schif­fer­dia­lekt ver­fal­lend. »Ha­ben Sie Ihre Mama frisch und mun­ter ver­las­sen?«

      Ich teil­te Mr. Peg­got­ty mit, dass sie so mun­ter und frisch sei, wie ich nur wün­schen könn­te, und dass sie sich ihm emp­feh­len lie­ße, was eine klei­ne, höf­li­che Lüge mei­ner­seits war.

      »Ick bünn Ehr sehr ver­bun­nen«, ant­wor­te­te Mr. Peg­got­ty. »Wenn Sej et hier for­tein Dag ut­hol­len könt mit der da«, er nick­te sei­ner Schwes­ter zu, »und Ham und lütt Emly, sünn wi stolz op Ehr Ge­sell­schaft.«

      Nach­dem Mr. Peg­got­ty in so gast­freund­li­cher­wei­se die Hon­neurs sei­nes Hau­ses ge­macht hat­te, ging er mit der Be­mer­kung, kal­tes Was­ser rich­te ge­gen Dreck nichts aus, hin­aus, um sich warm zu wa­schen.

      Er kehr­te bald zu­rück und sah viel bes­ser aus, aber so ge­rötet, dass ich mich des Ge­dan­kens nicht er­weh­ren konn­te, sein Ge­sicht habe mit den Hum­mern und Kreb­sen das eine ge­mein, dass es schwarz in das war­me Was­ser hin­ein und rot wie­der her­aus­kom­me.

      Als nach dem Tee die Tür fest zu­ge­macht war, – denn die Näch­te wa­ren kalt und neb­lig, – er­schi­en mir das Haus als die präch­tigs­te Un­ter­kunft, die mensch­li­che Ein­bil­dungs­kraft er­sin­nen kann. Den Wind drau­ßen auf dem Mee­re brau­sen zu hö­ren, zu wis­sen, dass der Ne­bel sich über die trost­lo­se Ebe­ne aus­brei­te­te, in das Feu­er zu se­hen und zu den­ken, dass kein Haus weit und breit au­ßer die­sem da sei, und dass die­ses eine ein Schiff war, wirk­te wie Zau­be­rei.

      Emly hat­te ihre Scheu über­wun­den und saß ne­ben mir auf der nied­rigs­ten und kleins­ten der Schiffs­kis­ten, die, ge­ra­de groß ge­nug für uns bei­de, ge­nau in die Ofen­e­cke pass­te.

      Mrs. Peg­got­ty in ih­rer wei­ßen Schür­ze strick­te auf der an­de­ren Sei­te des Feu­ers. Peg­got­ty selbst war bei ih­rer Ar­beit eben­so zu Hau­se, wie mit der St.-Pauls-Kir­che und dem Stück­chen Wachs­licht, als hät­te sie nie eine an­de­re Woh­nung ge­kannt. Ham ver­such­te mit schmut­zi­gen Kar­ten wahr­zu­sa­gen und präg­te je­dem Blatt, das er auf­schlug, die fi­schi­gen Ab­drücke sei­nes Dau­mens auf. Mr. Peg­got­ty rauch­te sei­ne Pfei­fe.

      Ich fühl­te die Zeit zu ver­trau­li­cher Un­ter­hal­tung ge­kom­men:

      »Mr. Peg­got­ty!«

      »Sir?«

      »Ha­ben Sie Ihren Sohn Ham ge­nannt, weil er in ei­ner Art Ar­che wohnt?«

      Mr. Peg­got­ty schi­en das für einen tief­sin­ni­gen Ge­dan­ken zu hal­ten und ant­wor­te­te:

      »Nein, Sir. Ich hew jem nie kee­nen Na­men nich ge­wen.«

      »Wer hat ihm denn die­sen Na­men ge­ge­ben?« forsch­te ich, Fra­ge Num­me­ro 2 aus dem Ka­te­chis­mus Mr. Peg­got­ty vor­le­gend.

      »Nun, Sir, sien Vad­der hett em den Na­men ge­wen«, sag­te Mr. Peg­got­ty.

      »Ich dach­te, Sie wä­ren sein Va­ter?«

      »Mien Bru­der Joe war sien Vad­der.«

      »Tot, Mr. Peg­got­ty?« frag­te ich nach ei­ner re­spekt­vol­len Pau­se.

      »Er­trun­ken«, sag­te Mr. Peg­got­ty.

      Ich war sehr er­staunt, dass Mr. Peg­got­ty nicht Hams Va­ter war, und hät­te gern Ge­nau­es über sei­ne Ver­wandt­schaft zu den an­de­ren An­we­sen­den ge­kannt. Ich brann­te so dar­auf, dass ich be­schloss, es her­aus­zu­krie­gen.

      »Die klei­ne Emly«, sag­te ich mit ei­nem Blick auf das Mäd­chen, »sie ist Ihre Toch­ter, nicht wahr, Mr. Peg­got­ty?«

      »Nein, Sir. Mien Schwa­ger Tom war ihr Vad­der.«

      Ich konn­te mich nicht zu­rück­hal­ten:

      »Tot, Mr. Peg­got­ty?« frag­te ich zö­gernd, wie­der nach ei­ner vor­sich­ti­gen Pau­se.

      »Er­trun­ken«, sag­te Mr. Peg­got­ty.

      Ich fühl­te die Schwie­rig­keit der Sach­la­ge, aber es war noch nicht al­les er­grün­det, und so muss­te ich doch wei­ter for­schen.

      »Ha­ben Sie kei­ne Kin­der, Mr. Peg­got­ty?«

      »Nein, Mas­ter«, ant­wor­te­te er mit kur­z­em La­chen. »Ick bünn een Jung­ge­sell.«

      »Jung­ge­sell?« frag­te ich ganz ver­wun­dert. »Wer ist denn das, Mr. Peg­got­ty?«, und ich wies auf die Frau mit der wei­ßen Schür­ze.

      »Das is Mrs. Gum­mid­ge.«

      »Gum­mid­ge, Mr. Peg­got­ty?«

      Aber hier mach­te Peg­got­ty – ich mei­ne mei­ne ei­ge­ne Peg­got­ty – so deut­li­che Ge­bär­den, ich sol­le nicht wei­ter fra­gen, dass ich nichts mehr tun konn­te als die schweig­sa­me Ge­sell­schaft an­se­hen, bis es Zeit war, zu Bett zu ge­hen. Dann in der Zu­rück­ge­zo­gen­heit mei­ner ei­ge­nen klei­nen Ka­bi­ne teil­te sie mir mit, dass Ham und Emly bei­de Wai­sen sei­en, die ihr Bru­der in frü­he­s­ter Kind­heit zu sich ge­nom­men hat­te, und dass Mrs. Gum­mid­ge die Wit­we sei­nes ehe­ma­li­gen Boot­teil­ha­bers sei, der sehr arm ge­stor­ben war. Peg­got­ty selbst sei nur ein ar­mer Mann, aber echt wie Gold und treu wie Stahl. Das wa­ren mei­ner Kinds­frau eig­ne Ver­glei­che. Das ein­zi­ge, sag­te sie mir, wor­über er je hef­tig wer­den könn­te bis zum Flu­chen, wäre, wenn man auf sein gu­tes Herz an­spie­le. Wenn man nur da­von sprä­che, schlü­ge


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