David Copperfield. Charles Dickens

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David Copperfield - Charles Dickens


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her­um­ge­hen. Ich saß zu sei­ner Lin­ken, und die üb­ri­gen hat­ten sich auf die nächs­ten Bet­ten und auf dem Fuß­bo­den um uns her­um grup­piert.

      Wir sa­ßen da zu­sam­men und spra­chen flüs­ternd mit­ein­an­der. Oder bes­ser ge­sagt, die an­de­ren spra­chen, und ich hör­te ehr­er­bie­tig zu. Das Mond­licht fiel ins Zim­mer und mal­te ein blei­ches Fens­ter auf den Fuß­bo­den; die meis­ten von uns sa­ßen im Dun­keln, nur Steer­forth tauch­te zu­wei­len ein Zünd­hölz­chen in die Phos­phor­büch­se, wenn er et­was auf dem Ti­sche su­chen woll­te, was je­des Mal einen blau­en Schein über uns er­goss, der gleich wie­der er­losch. Ein Ge­fühl des Ge­heim­nis­vol­len, her­vor­ge­ru­fen durch die Dun­kel­heit, die Heim­lich­keit des Ge­la­ges und den flüs­tern­den Ton, in dem sich alle un­ter­hiel­ten, be­schleicht mich wie­der, und ich höre al­len zu mit ei­nem dunklen Ge­fühl der Ehr­furcht und des Grau­ens, das mich froh sein lässt, dass sie alle so nahe sind. Und wenn ich auch tue, als la­che ich, so klopft mir doch das Herz, wenn Tradd­les ein Ge­s­penst in der Ecke zu se­hen be­haup­tet. Ich höre al­ler­lei Ge­schich­ten über die Schu­le und was mit ihr zu­sam­men­hängt, höre, dass Mr. Cre­akle nicht ohne Grund ein Ei­sen­schä­del zu sein be­haup­tet, dass er der strengs­te al­ler Leh­rer sei und je­den Tag scho­nungs­los und un­barm­her­zig über die Kna­ben her­fal­le und um sich schlü­ge; – dass er wei­ter nichts kön­ne als die Kunst des Prü­gelns und, wie J. Steer­forth sag­te, un­wis­sen­der sei als der letz­te in der Schu­le und vor vie­len, vie­len Jah­ren ein klei­ner Hop­fen­händ­ler in ei­nem Markt­fle­cken ge­we­sen sei und das Schul­leh­rer­ge­schäft erst an­ge­fan­gen habe, als er in Hop­fen Bank­rott ge­macht und Mrs. Cre­akles Ver­mö­gen ver­braucht habe. Ich er­fuhr noch vie­ler­lei der Art und staun­te, dass sie so viel wuss­ten.

      Ich hör­te, dass der Mann mit dem Stelz­fuß, der Ton­gay hieß, ein hart­her­zi­ger Bar­bar, frü­her auch im Hop­fen­ge­schäft ge­we­sen und mit Mr. Cre­akle zum Schul­fach über­ge­gan­gen sei, weil er das Bein in Mr. Cre­akles Dienst ge­bro­chen und man­cher­lei schmut­zi­ge Ge­schäf­te für ihn ver­rich­tet hat­te und um alle sei­ne Ge­heim­nis­se wüss­te, hör­te, dass Ton­gay mit Aus­nah­me Mr. Cre­akles die gan­ze An­stalt, Schul­leh­rer und Kna­ben, als sei­ne na­tür­li­chen Fein­de be­trach­te, und dass es die ein­zi­ge Freu­de sei­nes Le­bens sei, mür­risch und bos­haft zu sein. Ich hör­te, dass Mrs. Cre­akle einen Sohn habe, den Ton­gay nicht hat­te aus­ste­hen kön­nen, und der ein­mal als Un­ter­leh­rer in der Schu­le sei­nem Va­ter Vor­stel­lun­gen über die zu grau­sa­me Züch­ti­gung ei­nes Kna­ben ge­macht und ge­gen die Art, wie Cre­akle sei­ne Gat­tin be­han­del­te, pro­tes­tiert hät­te. Ich hör­te, dass Mr. Cre­akle ihn des­we­gen ver­sto­ßen hät­te, und dass Mrs. und Miss Cre­akle dar­über sehr be­küm­mert sei­en.

      Das Wun­der­bars­te aber war, dass ein Kna­be in der Schu­le sei, an den Mr. Cre­akle nie­mals wag­te, die Hand an­zu­le­gen, näm­lich J. Steer­forth. Steer­forth selbst be­stä­tig­te das und sag­te, er möch­te es gern ein­mal se­hen, wenn Cre­akle so was pro­bie­ren woll­te. Als ein klei­ner schüch­ter­ner Jun­ge frag­te, was er in so ei­nem Fall denn tun wür­de, brann­te er ein Zünd­holz an, wie um einen hel­len Schein über sei­ne Ant­wort zu ver­brei­ten, und sag­te, er wür­de ihn zu­erst ein­mal mit der schwe­ren Tin­ten­fla­sche, die im­mer auf dem Ka­min stand, zu Bo­den schla­gen. Eine Zeit lang sa­ßen wir dann atem­los im Dun­keln da.

      Ich ver­nahm, dass Mr. Sharp und Mr. Mell ver­mut­lich bei­de sehr schlecht be­zahlt wür­den, und dass, wenn war­mes und kal­tes Fleisch auf Mr. Cre­akles Ta­fel stün­de, man beim Mit­ta­ges­sen von Mr. Sharp stets er­war­te, er wer­de kal­tes vor­zie­hen, was wie­der­um von Steer­forth, der al­lein an der Ta­fel des Vor­ste­hers aß, be­stä­tigt wur­de. Ich ver­nahm, dass Mr. Sharp sei­ne Perücke nicht ge­nau pas­se, und dass er da­mit gar nicht so groß zu tun – auf­zu­dre­hen, wie es ei­ner nann­te – brauch­te, da man ganz deut­lich se­hen könn­te, wie sein ro­tes Haar dar­un­ter her­vor­schaue. Ich hör­te fer­ner, dass ein Schü­ler, der Sohn ei­nes Koh­len­händ­lers, da wäre in Ge­gen­rech­nung für be­zo­ge­ne Koh­len, und dass man ihn des­halb Wech­sel- oder Tausch­ge­schäft, wel­che Be­zeich­nung aus dem Arith­me­tik­buch stamm­te, be­nann­te. Ich hör­te, dass das Tisch­bier eine an den El­tern ver­üb­te Räu­be­rei und der Pud­ding eine Un­ver­schämt­heit wäre. Ich hör­te, dass man in der Schu­le all­ge­mein an­neh­me, Miss Cre­akle sei ver­liebt in Steer­forth, und wenn ich im Dun­keln saß und an sei­ne ge­win­nen­de Stim­me, sein fei­nes Ge­sicht, die un­ge­zwun­ge­nen Ma­nie­ren und sein lo­cki­ges Haar dach­te, hielt ich es für sehr wahr­schein­lich.

      Ich er­fuhr, dass Mr. Mell kein üb­ler Mensch wäre, aber kei­nen Six­pence be­sä­ße, um sich et­was leis­ten zu kön­nen, und dass die alte Mrs. Mell, sei­ne Mut­ter, so arm sei wie Hiob. Ich muss­te an mein da­ma­li­ges Früh­stück den­ken und an das, das wie »Mein Char­ley« ge­klun­gen hat­te, aber ich schwieg dar­über mäus­chen­still.

      Die Er­zäh­lung die­ser und vie­ler an­de­rer Sa­chen dau­er­te viel län­ger als das Fest­mahl. Der grö­ße­re Teil der Gäs­te ging schla­fen, als das Es­sen und Trin­ken vor­bei war, und wir, die wir halb ent­klei­det in flüs­tern­dem Ge­spräch noch auf­ge­blie­ben, ver­füg­ten uns end­lich auch ins Bet­t…

      »Gute Nacht, klei­ner Cop­per­field«, sag­te Steer­forth. »Ich wer­de dich un­ter mei­nen Schutz neh­men.«

      »Sie sind sehr freund­lich«, er­wi­der­te ich dank­bar. »Ich bin Ih­nen au­ßer­or­dent­lich ver­pflich­tet.«

      »Du hast wohl kei­ne Schwes­ter?« frag­te dann Steer­forth gäh­nend.

      »Nein«, ant­wor­te­te ich.

      »Das ist scha­de«, mein­te Steer­forth. »Wenn du eine hät­test, müss­te es ein klei­nes, schüch­ter­nes, hüb­sches Mäd­chen mit hel­len Au­gen sein, glau­be ich. Ich müss­te sie ken­nen­ler­nen. Gute Nacht, klei­ner Cop­per­field.«

      »Gute Nacht, Sir«, ant­wor­te­te ich.

      Ich muss­te sehr viel an ihn den­ken, als ich dann im Bet­te lag, und rich­te­te mich manch­mal auf, um ihn an­zu­se­hen, wie er im Mond­schein dalag, das schö­ne Ge­sicht auf­wärts ge­wen­det und den Kopf auf dem Arme ru­hend. Mei­ne Ge­dan­ken be­schäf­tig­ten sich so viel mit ihm, weil er in mei­nen Au­gen eine Per­son von großer Macht be­deu­te­te. Kei­ne un­ge­wis­se Zu­kunft um­schim­mer­te ihn trüb im Mond­licht und kei­ne dunkle Spur hin­ter­lie­ßen sei­ne Trit­te in dem Gar­ten, in dem zu wan­deln ich die gan­ze Nacht träum­te.

      Die Schu­le fing am nächs­ten Mor­gen al­len Erns­tes an. Es mach­te einen tie­fen Ein­druck auf mich, wie der lau­te Lärm in der Klas­se plötz­lich zur To­ten­stil­le wur­de, als Mr. Cre­akle nach dem Früh­stück ein­trat, in der Türe ste­hen blieb und sich um­sah, wie der Rie­se im Mär­chen­buch, wenn er sei­ne Ge­fan­ge­nen be­trach­tet.

      Ton­gay stand dicht ne­ben Mr. Cre­akle. Ich dach­te mir, er hat doch gar kei­ne Ur­sa­che, so grim­mig »Ruhe« zu ru­fen. Alle Schü­ler sa­ßen so­wie­so stumm und re­gungs­los da.

      Jetzt sah man Mr. Cre­akle spre­chen, und Ton­gay wie­der­hol­te laut sei­ne Wor­te.

      »Also, ihr Jun­gen, es ist ein neu­es Se­mes­ter an­ge­gan­gen. Nehmt euch in acht in die­sem neu­en Se­mes­ter. Seid bei


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