Personzentriertes Arbeiten in sozialen Berufen. Petr Ondracek
Читать онлайн книгу.wurde sie lange Zeit nur am Rande erwähnt und nicht präzisiert.
Die Personzentriertheit hängt von der jeweiligen Einstellung der heilpädagogisch tätigen Fachperson gegenüber dem zu unterstützenden Menschen ab. Die Bezeichnung »Einstellung gegenüber …« hängt vor allem mit dem Menschenbild1 zusammen, das in der Heilpädagogik als handlungsleitender Hintergrund betrachtet wird. Neben der christlich verankerten Philosophie und Ethik spielt auch die psychologische Sicht auf den Menschen eine wichtige Rolle. Wenn es um die Personzentriertheit geht, ist das Menschenbild der humanistischen Psychologie von grundlegender Bedeutung. In ihrer Auffassung ist jeder Mensch
Wer dieses Menschenbild verinnerlicht, sieht sein Gegenüber aus dem Blickwinkel seiner Möglichkeiten und Potentiale und lässt sich von den vorhandenen organischen oder Verhaltensmerkmalen nicht blenden/irreleiten. Das ist die Voraussetzung für eine Vorgehensweise bei der Aufgabenerfüllung im Berufsalltag, die den zu unterstützenden Menschen als Person wahr- und ernst nimmt, ihn miteinbezieht und am Geschehen teilhaben lässt.
Der Schlüssel zu einem positiv wirkenden Handeln liegt demnach primär in einer diesem Menschenbild entsprechenden Haltung, von der aus die Heilpädagoginnen und Heilpädagogen dem zu unterstützenden Menschen wohlwollend, mit Respekt und mit echtem Interesse an seiner Person (also mitmenschlich) begegnen. Darauf wird hier später noch genauer eingegangen.
Der Autor selbst hatte als Fachperson, Hochschullehrer und Wissenschaftler das Privileg, Ausbildungen in mehreren Ansätzen der Psychotherapie, psychologischer Beratung und Pädagogik zu absolvieren und mit ihnen in der Anwendungspraxis der Erziehungs- und Behindertenhilfe Erfahrung zu machen.
Die persönlichen Erkenntnisse aus der Konfrontation mit den Möglichkeiten und Grenzen der Nützlichkeit dieser Ansätze für die Unterstützung von Menschen in beeinträchtigten Lebenslagen flossen dann in die Lehre bei der Ausbildung von Heilpädagoginnen und Heilpädagogen sowie in die Weiterbildungsworkshops und unzählige Teamberatungen/Fallbesprechungen bei der Unterstützung von heilpädagogisch tätigen Fachpersonen ein.
Das Anliegen dabei war es, die Sicht-, Denk- und Handlungsweise der Studierenden wie auch der heilpädagogisch tätigen Kolleginnen und Kollegen gegenüber von andersseienden Menschen um relevantes Fachwissen und Know-how, aber auch um Selbsterkenntnis im Kontext der eigenen Art, ein beruflicher Mitmensch zu sein, zu erweitern. Das ermöglichte ihnen, die subjektive Wirklichkeit des Gegenübers zu »erforschen«/einzuschätzen/begreifen. Denn vor allem von dieser Orientierung aus kann man auf das Gegenüber als »beruflicher Mitmensch« eingehen.
Das ist die »Strategie« der Personzentriertheit (wenn man überhaupt von einer Strategie sprechen kann): zuerst begreifen/verstehen/orientiert sein, dann handeln.
Soviel zu den Motiven im Hintergrund der vorliegenden Ausführungen. Es handelt sich nicht nur um die Darstellung von theoretisch-methodischem Fachwissen, sondern auch um subjektiv gefärbte Erfahrungen und Überlegungen des Autors zur Frage »Was kann dem Handeln von heilpädagogisch tätigen Fachpersonen die Kraft und die Note einer positiven Wirksamkeit verleihen?«
Die Darstellungen werden immer wieder mit Exkursen zu relevanten Situationen, Aussagen, Feststellungen aus Theorie und Praxis diverser Felder sozialer Arbeit veranschaulicht. Die Heilpädagogik, das heilpädagogische Handeln und die heilpädagogisch tätigen Fachpersonen weisen dabei eine besondere Relevanz auf. Man kann sich verständlicherweise fragen, wieso. Wozu soll das gut sein? Die Antwort: Weil in der heilpädagogischen Berufswelt solche erschwerenden Umstände und Beeinträchtigungen von Kommunikation, Interaktion, Entwicklung, Beziehung und Prozessen wirken, die in keinem anderen Beruf aus dem bunten Pool der Sozialen Arbeit vorzufinden sind.
Das bedeutet allerdings nicht etwa, dass Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Lehrer, Erzieher, Altenpfleger und alle weiteren Fachpersonen, die in anderen Praxisfeldern (also außerhalb der Behindertenhilfe) mit Menschen unterstützend arbeiten, ein leichtes Berufsleben haben. Selbstverständlich werden auch sie mit belastenden Gegebenheiten konfrontiert. Nur ist deren Häufigkeit und Intensität i. d. R. nicht so hoch und die Chancen auf eine (zumindest kleine) positive Veränderung der Lage sind größer.
Ob da oder dort, ist eigentlich egal, weil die personzentrierte Arbeitsweise die genuin menschlichen Bedürfnisse anspricht und folglich bei allen Menschen positiv wirken kann. Wohlbemerkt – kann, aber nicht muss, denn auch ihre Wirkung hat Grenzen. Sich mit dieser Tatsache abzufinden ist die Aufgabe aller, die auf personzentriertes Auftreten im Berufsalltag Wert legen.
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich folgende inhaltliche Struktur des Buches:
Die Leserinnen und Leser sind eingeladen, sozusagen um das Thema herum mitzugehen und es von diesen Blickwinkeln zu betrachten – in der Hoffnung, dass diese »Wanderung« ihrer persönlichen Auseinandersetzung mit den Erfordernissen der personzentrierten Arbeitsweise in ihrem Berufsalltag dienlich sein könnte.
Bochum, im Dezember 2019
Prof. Dr. Petr Ondracek
1 Menschenbilder sind allgemeine Vorstellungen vom Sinn des menschlichen Daseins, von dem Wert und von bestimmten Eigenschaften des Menschen.
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