Der belogene Patient. Falk Stirkat

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Der belogene Patient - Falk Stirkat


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von diesen Patienten benötigt im Verlauf der Krankheit eine intensivmedizinische Therapie, meist dann auch eine Intubation mit künstlicher Beatmung. Ursächlich hierfür ist entweder eine sogenannte Viruspneumonie, also eine virusbedingte Lungenentzündung, oder – im schlimmsten Fall – ein ARDS, ein Akutes Lungenversagen.

      Glücklicherweise übersteht ein Großteil der Infizierten die Krankheit ohne weitere Probleme. Je schwerwiegender der Verlauf allerdings ist, desto schlechter sind die Überlebenschancen. Nicht selten wird im Verlauf der Genesungsphase über einen merkwürdigen Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns berichtet, dessen Relevanz bisher unklar ist, der aber wieder verschwindet. Eine aktuelle Erhebung der Universität Wien legt nahe, dass es verschiedene Formen der Erkrankung gibt, in denen Symptomkonstellationen charakteristisch auftreten. Vielleicht handelt es sich bei COVID-19 also nicht um eine, sondern um eine Vielzahl von (klinischen) Erkrankungen. Hier ist noch viel Forschungsarbeit nötig.

      DIE MACHT DER ANGST UND DIE STUNDE DER VERWIRRTEN

      Und dann war sie gekommen, die Stunde der Verwirrten. Alles, was seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten unter der Oberfläche gegärt hatte, brach nun hervor. Die Impfgegner, die Verschwörungstheoretiker und Leugner, alle diejenigen, die schon immer der Meinung gewesen waren, auf höherer Ebene werde eine Verschwörung großen Ausmaßes vorbereitet, sahen in Corona und der vermeintlichen Harmlosigkeit der Krankheit COVID-19 den endgültigen Beweis dafür. Während Tausende Mitarbeiter des Gesundheitswesens und eine große Anzahl (nicht immer nur älterer) Patienten am absoluten Limit waren und ums nackte Überleben kämpften, riefen all die, die es schon immer gewusst hatten, zum großen Umsturz auf.

      Verschwörungstheorien und ideologische Einbahnstraßen gab es zur Zeit der sogenannten Hygienedemos, die sich gegen die Anti-Corona-Maßnahmen der Regierung richteten, genug. Ohne hier auf die zum größten Teil grotesken Fantasien einiger Verwirrter einzugehen, hielten und halten sich doch drei Aussagen besonders hartnäckig in der öffentlichen Wahrnehmung.

      1. Bill Gates versucht, die Menschheit auf 500.000 Personen zu reduzieren, und nutzt Corona, um die Bevölkerung zu sterilisieren.

      Wieso der Begründer von Microsoft binnen kurzer Zeit ganz oben auf der Liste der Verschwörungstheoretiker zu finden war, ist nicht ganz klar. Möglicherweise liegt es an einem vor mehr als fünf Jahren geführten Interview, in dem Gates vor einem dem heutigen ähnlichen Szenario warnt und Pandemien als die wahre Gefahr für die Menschen beschreibt. Dieses Interview wird immer wieder ins Feld geführt, was, in Anbetracht des Umstandes, dass Gates ja genau vor einem solchen Szenario warnt, doch einigermaßen absurd anmutet. Zum einen ergibt es relativ wenig Sinn, den eigenen perfiden Plan schon fünf Jahre vor dessen vermeintlicher Ausführung öffentlich zu diskutieren, zum anderen wurde dem Deutschen Bundestag ein ganz ähnliches Szenario wiederum zwei Jahre zuvor vorgelegt (siehe Kasten >). Ein immer wieder gern vorgebrachtes Argument für eine vermeintliche Verschwörung ist das der WHO-Finanzierung. Bill Gates und seine Ehefrau kontrollierten mit ihrer gemeinsamen Stiftung die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dies geschehe mit dem Ziel, die Weltbevölkerung zu dezimieren, um – so die Verschwörungstheoretiker – eine neue, elitäre Weltordnung zu schaffen. Geschehen soll das über das massenhafte Impfen mit einem Impfstoff, dem ein Sterilisationsmittel beigefügt wurde. Und was kommt den bösen Buben da ganz gelegen? Na klar – eine Pandemie. Wie praktisch. Zum Glück sind diese kruden Thesen in keiner Weise verifizierbar. Trotzdem verbreiten sie sich online nahezu viral, sodass man hier wirklich von einer Pandemie im Denken, einer Pandemie der Scharlatane sprechen kann. Und die ist brandgefährlich.

      2. Die Impfung gegen Corona ist schon lange hergestellt und soll uns mithilfe von Mikrochips gefügig machen.

      Dieses »Argument« fanden wir immer besonders skurril, bedenkt man doch die vielen Hundert Wissenschaftler, die aktuell an einer Impfung forschen. Abgesehen davon offenbart die Annahme, man würde den Impfstoff mit Mikrochips beladen, um uns wahlweise zu steuern oder unfruchtbar zu machen, eklatante Logikfehler. Es ist eigentlich furchtbar, dass man sich im 21. Jahrhundert mit solch wahnwitzigen Thesen herumschlagen muss, aber viele Menschen finden doch, aus welchem Grund auch immer, etwas Wahres an diesem Blödsinn. Also versuchen wir dem Ganzen mit Logik beizukommen. Die erste Frage, die sich hier stellt, ist natürlich die, weshalb man sich einen Impfstoff für die Mikrochips aussucht und nicht einfach das weltweit in rauen Mengen konsumierte Schmerzmittel Ibuprofen. Die Darreichungsform von solch winzigen Chips, die mit dem bloßen Auge oder dem Mikroskop oder auch dem Massenspektrometer (mit dem unabhängige Prüfinstitute Impfstoffe auf ihre Reinheit kontrollieren) nicht sichtbar sind, scheint ja völlig egal zu sein. Warum das Zeug also in einen von den Impfgegnern doch ohnehin schon kritisch beäugten Impfstoff stecken, um es dann in einen Muskel zu pumpen, wo doch so gut wie jeder mindestens einmal im Jahr zur Ibuprofen-Tablette greift? Und dann wäre da natürlich noch die Sache mit dem Betriebssystem! Mit welchem sollten denn die kleinen Kontrollbiester laufen? Microsoft? Sicher nicht – die haben ja noch nicht mal alle Bugs in Windows 7 in Ordnung bringen können. Ob hier der Zweck die Mittel heiligt und man sich bei der Konkurrenz bedient, darf doch sehr bezweifelt werden – micro-iOS wäre aber eigentlich schon charmant …

      Sie sehen, wie irrsinnig und wenig durchdacht diese hochgradig prominenten Argumente daherkommen. Das Problem ist aber, dass sich von den vielen mental Verwirrten, die diesen Unfug glauben, keiner diese Fragen stellt, weil nur das wahr sein kann, was ins Weltbild passt.

      3. Corona ist nicht schlimmer als eine Grippe.

      Hierbei handelt es sich um eine absolut falsche und sogar äußerst gefährliche Aussage, weil sie zum einen von – zumindest dem Papier nach – glaubhaften Vertretern der Ärzte- und Wissenschaft in die Welt gesetzt wurde (die meisten von ihnen sind allerdings bereits seit langer Zeit im Ruhestand oder aus anderen Gründen nicht mehr tätig). Und zum anderen ist eine echte Grippe schlimm – und zwar sehr schlimm. Aber fangen wir mal bei den mikrobiologischen Grundlagen an: Die Gefahr beim Coronavirus selbst liegt nicht unbedingt in seiner Virulenz, also der Wahrscheinlichkeit, dass eine Infektion zu einer schweren Krankheit führt. Wir beobachten zwar schlimme Schicksale, aber die Todesraten halten sich in Grenzen, zumindest prozentual. Trotzdem liegt die Fallsterblichkeit beim Coronavirus höher als bei der Grippe. Schwere und tödliche Verläufe gibt es aber auch bei vielen anderen Krankheiten, angefangen bei Krebs bis hin zu HIV oder Diabetes – und natürlich bei der Grippe. Das allein ist also kein Grund, dem Coronavirus und der damit einhergehenden Erkrankung COVID-19 einen derart großen Stellenwert einzuräumen. Die Ursache hierfür liegt in der exponentiellen Skalierbarkeit, also der Fähigkeit, sich explosionsartig zu verbreiten. Alle paar Jahrzehnte tritt ein Virus auf den Plan, das unter den momentan herrschenden Umweltbedingungen (wobei hier die Globalisierung natürlich als Beschleuniger wirkt) in der Lage ist, sich exponentiell zu vermehren. Menschliche Gehirne können sich eine exponentielle Funktion nur schwer vorstellen, weil sie das Problem hat, dass sie sehr langsam anläuft, die Menschen also eher in Sicherheit wiegt, um dann ganz plötzlich zuzuschlagen.

      Grippeviren haben zwar manchmal auch diese Eigenschaft – man denke nur an die spanische Grippe des vergangenen Jahrhunderts –, aber eben nicht immer. Die Argumente der Verharmloser und Leugner sind bei Corona immer die gleichen: Sie nehmen absolute Zahlen zu einem bestimmten Zeitpunkt, meist am Anfang der Pandemie, und vergleichen sie mit denen der Grippe-Saisonzahlen. Mit dieser Methode kann man sich quasi jede Katastrophe kleinreden. Wieso selbst vermeintlich intelligente Wissenschaftler sich dieser Methode bedienen, ist nicht ganz klar. Es ist aber eine ausgeprägte narzisstische Störung anzunehmen, die den Tod Tausender in Kauf nimmt, nur um kurz in den Medien in Erscheinung zu treten. Corona ist also sehr wohl schlimmer als eine Grippe (zumindest als die meisten Grippewellen). Hinzu kommt, dass uns gegen die häufigsten saisonalen Grippeviren sowohl Impfstoffe und im Krankheitsfall auch Medikamente zur Verfügung stehen. Nichtsdestotrotz sterben jährlich viele Menschen an Grippe – auch jüngere Menschen und schwangere Frauen. Die Aussage, Corona sei nicht schlimmer als eine Grippe, verharmlost also beide Krankheiten und verhöhnt die Menschen, die ihr Leben im Kampf gegen eine davon verloren haben. Das, was die Wissenschaftsleugner hier anrichten, ist mit ärztlicher Moral nicht zu vereinbaren.

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