Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare
Читать онлайн книгу.sagte: Ei, fällst aufs Gesicht?
Wirst rücklings fallen, wenn du älter bist.
Nicht wahr, mein Kind? Still wards und sagte: Ja.
JULIA
Ich bitt dich, Amme, sei doch auch nur still.
WÄRTERIN
Gut, ich bin fertig. Gott behüte dich!
Du warst das feinste Püppchen, das ich säugte.
Erleb ich deine Hochzeit noch einmal,
So wünsch ich weiter nichts.
GRÄFIN CAPULET
Die Hochzeit, ja, das ist der Punkt, von dem
Ich sprechen wollte. Sag mir, liebe Tochter,
Wie stehts mit deiner Lust, dich zu vermählen?
JULIA
Ich träumte nie von dieser Ehre noch.
WÄRTERIN
Ein Ehre! Hättst du eine andre Amme
Als mich gehabt, so wollt ich sagen: Kind,
Du habest Weisheit mit der Milch gesogen.
GRÄFIN CAPULET
Gut, denke jetzt dran; jünger noch als du
Sind angesehne Fraun hier in Verona
Schon Mütter worden. Ist mir recht, so war
Ich deine Mutter in demselben Alter,
Wo du noch Mädchen bist. Mit einem Wort:
Der brave Paris wirbt um deine Hand.
WÄRTERIN
Das ist ein Mann, mein Fräulein! Solch ein Mann,
Als alle Welt - ein wahrer Zuckermann!
GRÄFIN CAPULET
Die schönste Blume von Veronas Flor.
WÄRTERIN
Ach ja, 'ne Blume! Gelt, 'ne rechte Blume!
GRÄFIN CAPULET
Was sagst du? Wie gefällt dir dieser Mann?
Heut abend siehst du ihn bei unserm Fest.
Dann lies im Buche seines Angesichts,
In das der Schönheit Griffel Wonne schrieb,
Betrachte seiner Züge Lieblichkeit,
Wie jeglicher dem andern Zierde leiht.
Was dunkel in dem holden Buch geblieben,
Das lies in seinem Aug am Rand geschrieben.
Und dieses Freiers ungebundner Stand,
Dies Buch der Liebe braucht nur einen Band.
Der Fisch lebt in der See, und doppelt teuer
Wird äußres Schön' als innrer Schönheit Schleier.
Das Buch glänzt allermeist im Aug der Welt,
Das goldne Lehr in goldnen Spangen hält.
So wirst du alles, was er hat, genießen,
Wenn du ihn hast, ohn etwas einzubüßen.
WÄRTERIN
Einbüßen? Nein, zunehmen wird sie eher;
Die Weiber nehmen oft durch Männer zu.
GRÄFIN CAPULET
Sag kurz, fühlst du dem Grafen dich geneigt?
JULIA
Gern will ich sehn, ob Sehen Neigung zeugt;
Doch weiter soll mein Blick den Flug nicht wagen,
Als ihn die Schwingen Eures Beifalls tragen.
Ein Diener kommt.
DIENER
Gnädige Frau, die Gäste sind da, das Abendessen auf dem Tisch; Ihr werdet gerufen, das Fräulein gesucht, die Amme in der Speisekammer zum Henker gewünscht, und alles geht drunter und drüber. Ich muß fort, aufwarten; ich bitte Euch, kommt unverzüglich!
GRÄFIN CAPULET
Gleich! -
Der Diener geht ab. Paris wartet; Julia, komm geschwind!
WÄRTERIN
Such frohe Nacht auf frohe Tage, Kind!
Alle ab.
VIERTE SZENE
Eine Straße
Romeo, Mercutio, Benvolio mit fünf oder sechs Masken, Fackelträgern und anderen.
ROMEO
Soll diese Red uns zur Entschuldgung dienen?
Wie? Oder treten wir nur grad hinein?
BENVOLIO
Umschweife solcher Art sind nicht mehr Sitte.
Wir wollen keinen Amor, mit der Schärpe
Geblendet, der den bunt bemalten Bogen
Wie ein Tatar geschnitzt aus Latten trägt
Und wie 'ne Vogelscheuch die Frauen schreckt;
Auch keinen hergebeteten Prolog,
Wobei viel zugeblasen wird, zum Eintritt.
Laßt sie uns nur, wofür sie wollen, nehmen,
Wir nehmen ein paar Tänze mit und gehn.
ROMEO
Ich mag nicht springen; gebt mir eine Fackel!
Da ich so finster bin, so will ich leuchten.
MERCUTIO
Nein, du mußt tanzen, lieber Romeo.
ROMEO
Ich wahrlich nicht! Ihr seid so leicht von Sinn
Als leicht beschuht; mich drückt ein Herz von Blei
Zu Boden, daß ich kaum mich regen kann.
MERCUTIO
Ihr seid ein Liebender; borgt Amors Flügel
und schwebet frei in ungewohnten Höhn.
ROMEO
Ich bin zu tief von seinem Pfeil durchbohrt,
Auf seinen leichten Schwingen hoch zu schweben.
Gewohnte Fesseln lassen mich nicht frei;
Ich sinke unter schwerer Liebeslast.
MERCUTIO
Und wolltet Ihr denn in die Liebe sinken?
Ihr seid zu schwer für ein so zartes Ding.
ROMEO
Ist Lieb ein zartes Ding? Sie ist zu rauh,
Zu wild, zu tobend; und sie sticht wie Dorn.
MERCUTIO
Begegnet Lieb Euch rauh, so tut desgleichen!
Stecht Liebe, wenn sie sticht; das schlägt sie nieder.
[Zu einem andern aus dem Gefolge.] Gebt ein Gehäuse für mein Antlitz mir: Eine Maske aufsetzend. 'ne Larve für 'ne Larve! [Bindet die Maske vor.] Nun erspähe Die Neugier Mißgestalt: was kümmerts mich? Erröten wird für mich dies Wachsgesicht.
BENVOLIO