Deutsche Geschichte (Band 1-3). Ricarda Huch

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Deutsche Geschichte (Band 1-3) - Ricarda Huch


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der Stadt versammelt hatte, dem Feinde entgegengehn; Ulrich verbot das und ließ die Tore gut verrammeln. Das Glück der Belagerten wollte, daß ein Führer der Ungarn fiel, worauf sie sich klagend ins Lager zurückzogen. Die dadurch gewonnene Zeit benutzte der Bischof, während der Nacht die Mauer verstärken zu lassen und Gebete anzuordnen. Nach kurzem Schlaf erhob er sich bei Tagesgrauen, feierte die Messe und reichte allen das Abendmahl. Noch hatte der Sturm nicht begonnen, als der herannahende Entsatz durch den König gemeldet wurde. Während des Kampfes war Ulrich mitten im Getümmel, hoch zu Roß, ungerüstet, mit der Stola bekleidet.

      Bischof Benno von Osnabrück, ein Schwabe, stammte, eine bemerkenswerte Ausnahme, von nichtadligen Eltern ab; begütert aber waren sie, denn sie pilgerten, um ihrer Kinderlosigkeit abzuhelfen, nach Rom und opferten am Grabe des Apostels ein silbernes Kind, worauf ihnen ein Knabe geschenkt wurde. Er wurde in Straßburg und in der Reichenau erzogen und lernte auf seinen Wanderungen viele Teile Deutschlands und viele Menschen kennen; seine mannigfache Begabung und ungewöhnliche Persönlichkeit machten auf ihn aufmerksam. Beim Bau des Domes von Speyer tat er sich durch seine Kenntnisse hervor: er ließ den Dom, der zu nah am Rheine gebaut war, auf eine neue und schwierige Art durch Mauern gegen Unterspülung sichern. Ebenso war er Leiter beim Bau der Burgen, durch welche die salischen Könige das Sachsenland unterwerfen wollten. Als Lehrer an der Domschule von Hildesheim glänzte er in der Wissenschaft, auf einem Kriegszuge gegen die Ungarn sorgte er erfinderisch für die Verpflegung des Heeres, in der Landwirtschaft und Viehzucht besaß er ungewöhnliche Kenntnisse, als Bischof von Osnabrück stellte er durch Entsumpfung brauchbare Wege her. In der aufgewühlten Zeit Heinrichs IV. war er unentwegt dem Kaiser treu, ohne sich deswegen gegen den Papst zu erklären. Es wird erzählt, daß er auf der Synode von Brixen, wo die königlichen Bischöfe den Papst absetzten, sich unter dem königstreuen Altar versteckte, um sich nicht gegen einen Akt auszusprechen, an dem er sich nicht beteiligen wollte. Daß weder Kaiser noch Papst ihm seine Haltung übelnahmen, beweist, wie hoch sie ihn schätzten, und daß sie ihn für ehrlich hielten. Lange Zeit war er von den Sachsen aus seinem Bistum vertrieben und mußte sich oft durch Verkleidung vor Nachstellungen schützen. Benno selbst hatte zuweilen das Gefühl, zu weltlich zu sein, um einen rechten Bischof abzugeben; jedenfalls hinderte ihn seine geistige Überlegenheit, das kirchliche Zeremoniell allzu ernst zu nehmen. Nicht selten befreite er Laien gegen Geld vom Fastengebot; er gab das Geld den Armen und sagte, es sei Gott lieber, als wenn einer den ganzen Tag einen leeren Bauch spazierentrage, um so mehr, als der Frömmigkeit dadurch kein Abbruch geschehe. Als er auf dem Sterbebett lag, bat eine vornehme Witwe, namens Azela, ihn besuchen zu dürfen. Er lehnte ab mit der Begründung, er wolle sie lieber im anderen Leben wiedersehen, wo sie sich gegenseitig ihres Anblicks erfreuen könnten, nachdem sie sich auf Erden rein und keusch geliebt hätten. Dort werde keine Todesangst ihre Liebe trüben.

      Weniger durch Begabung als durch Charakter zeichnete sich Bischof Meinwerk von Paderborn aus. Ihm lag das Los der Armen besonders am Herzen; es genügte ihm nicht, in der üblichen Art Almosen zu spenden, er überwachte die Meier und Vögte, von denen die Hörigen abhingen, untersuchte die Verhältnisse selbst, und damit er nicht betrogen würde, zog er als Kaufmann verkleidet im Sprengel herum. Er gebot den Meiern, die Hörigen zur Erntezeit mit Speise und Trank zu versorgen, was vorher augenscheinlich nicht üblich war, und als er einmal zufällig eine Wirtschafterin schimpfen hörte, daß man die Arbeiter mit Mehlsuppe abspeise, verordnete er, sie sollten noch einige Schinken außer denen erhalten, die die Meier ohnehin ihnen zu stellen verpflichtet waren. Wenn er auf Unregelmäßigkeiten stieß, wurde er leicht zornig, machte aber die Schläge, die er dann etwa austeilte, hernach in großmütiger Weise gut. Zur Zeit einer Hungersnot kaufte er in Köln Getreide auf und ließ es durch seine Meier so verteilen, daß ein Teil dem eigenen Bedarf, ein Teil den Leuten, ein Teil als Samengetreide und ein Teil den Bettlern diente. Wo die Bevölkerung einer Pfarrei sehr weite Wege zur Kirche hatte, teilte er sie entweder oder baute eine neue Kapelle innerhalb der Pfarrei.

      Er war ein naher Verwandter Heinrichs II. und stand mit ihm auf dem Fuße humoristischer Neckerei. Als der Kaiser beschlossen hatte, ihn zum Bischof zu machen, ließ er ihn kommen und überreichte ihm lächelnd einen Handschuh. Was das zu bedeuten habe? fragte Meinwerk. »Das Bistum Paderborn«, antwortete der Kaiser. Mit Bezug darauf, daß dies Bistum als sehr arm bekannt war, entgegnete Meinwerk: »Was soll mir dies Bistum, da ich mit meinen eigenen Gütern ein viel stattlicheres zu gründen vermöchte.« Eben darum, sagte der Kaiser, weil Meinwerk reich sei, solle er sich der Armut des Paderborner Sprengels erbarmen. Es scheint, daß diese Worte die tatkräftige Menschlichkeit Meinwerks entzündeten oder doch sie in beglückender Weise auf eine große Aufgabe lenkten. Er warf sich so stürmisch darauf, daß er drei Tage nach seiner Ankunft in Paderborn die bescheidene und ungenügende Hauptkirche niederreißen ließ und mit großem Aufwand einen neuen Dom zu errichten begann. Nicht genug, daß er unaufhörlich aus seinem eigenen Besitz spendete, er veranlaßte auch den Kaiser zu Schenkungen, wobei es den Spaß vermehrte, daß dieser sich seine Gaben ablisten oder abtrotzen ließ. Einmal schickte er dem Bischof einen Trunk edlen Weins in einem goldnen Becher. Unter einem Vorwand behielt Meinwerk den Becher über Nacht, ließ ihn durch einen Goldschmied in einen Kelch verwandeln und am anderen Tage während der Weihnachtsmesse in Gegenwart des Kaisers gebrauchen. Der Kaiser schalt ihn zwar einen Dieb, fügte sich aber. Da es bekannt war, daß Meinwerk kein Gelehrter und nicht sicher im Lateinischen war, ließ Heinrich einmal in Meinwerks Meßbuch bei der Gebetsformel für die Verstorbenen in den Worten famulis et famulabus die Silbe fa ausradieren, so daß der Bischof, als der Kaiser ihn bat, die Seelenmesse für seine Eltern zu lesen, für Maulesel und Mauleselinnen betete. Der Berichterstatter fügt hinzu, daß der Bischof zwar zu lesen angefangen, dann aber doch den Ulk bemerkt habe. Einmal trieb der Kaiser das Hänseln so weit, daß er auf Pergamentstreifen die Worte schreiben ließ: »Bischof Meinwerk, bestelle dein Haus, in fünf Tagen mußt du sterben«, und sie in der Umgebung des Bischofs verstreuen ließ. Für das Verhältnis der Menschen jener Zeit zum Tode ist es bezeichnend, mit welcher Ruhe und Umständlichkeit der Bischof sich auf seine Abberufung vorbereitete, über sein Hab und Gut verfügte, betete, fastete und schließlich der Vorschrift gemäß auf dem Boden der Krypta ausgestreckt das Ende erwartete. Da der Tod ausblieb, erriet er den Veranstalter des brutalen Scherzes oder sollte er absichtlich auf ihn eingegangen sein? – und belegte den Schuldigen und seine Gehilfen mit dem Bann, aus dem sie erst gelöst wurden, als der Kaiser öffentlich Buße getan und zu Füßen des Bischofs Verzeihung erfleht hatte.

      Ein anderer Verwandter Kaiser Heinrichs II., mit dem er gleichfalls gern Neckereien trieb, und der noch mehr Anlaß dazu bot als Meinwerk, war Bischof Megingaud von Eichstätt. Er war ein fröhlicher Zecher und liebte es nicht, sich die Essenszeit durch das vorgeschriebene Psalmensingen und Beten verkürzen zu lassen. Wenn er ein Kloster besuchte und man ihn, wie üblich, mit Gesängen begrüßen wollte, stellte er sie durch einen Wink ab, um desto eher zu Tisch gehen zu können. Wenn er das Hochamt hielt, kam es vor, daß er sich ärgerlich die Sequenz verbat und gleich zum Evangelium überging: »Die Narren lassen mich mit ihrem Gesang vor Hunger und Durst sterben«, sagte er. Er wurde leicht heftig und fluchte gern; mit den hundert Flüchen, für die er einmal die Erlaubnis erhielt, war er im Umsehen fertig. Wenn die übrigen Bischöfe sich vor dem Kaiser erhoben, blieb er sitzen, weil er der ältere sei, und die Bibel gebiete, den Älteren zu ehren. Trotz seiner Heftigkeit und Formlosigkeit wurde er geliebt. Sein Biograph fügte dem Bericht, daß Megingaud die Priester zuweilen, um schnell damit fertig zu werden, im Walde geweiht habe, die Bemerkung hinzu, daß Gott diese formlose Priesterweihe im Walde vielleicht lieber gewesen sei als die von manchem Bischof in der Kirche vollzogene; denn Megingaud sei ohne Falsch gewesen.

      Eine große politische Rolle spielte Willegis, wozu ihn schon seine Stellung zuerst als Kanzler Ottos I., dann als Erzbischof von Mainz und Erzkanzler berief. Er hat zur Zeit der beiden letzten Ottonen die Einheit des Reiches gewahrt und dem tüchtigen Herzog von Bayern, Heinrich II., die Krone zugewendet. Willegis war ein Sachse, wie man annimmt in Schöningen geboren; daß er niederen Herkommens, etwa gar ein Höriger gewesen sei, wird neuerdings bezweifelt, aber gewiß ist, daß er in den Kreisen des hohen Adels nicht beliebt war. Für die Armen sorgte er durch Almosenspenden und Speisungen, wobei er sich persönlich beteiligte; er selbst aß erst, nachdem er die Armen bedient hatte. Ebenso war er streng in der Beobachtung der Gebetsstunden, aber auf grundsätzliche mönchische Askese legte er keinen Wert;


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