Deutsche Geschichte (Band 1-3). Ricarda Huch
Читать онлайн книгу.Gewissens, das ihr manches verbietet, was der Mann sich erlaubt, und ihr manches auferlegt, was der Mann vernachlässigt. Sieht man ab von den Beschränkungen, mit denen die Natur die Frau eingeengt hat, so findet man, daß sowohl die germanische Auffassung wie die der Kirche der Frau günstig war. Das Wort Frau heißt Herrin, und Herrinnen waren die adligen und freien nordischen Frauen, von denen Geschichte und Sage melden. Durch das Gesetz allerdings war die Frau vom Manne abhängig und von der Betätigung im staatlichen Leben ganz ausgeschlossen, wenn sie auch im Volksrecht einiger Stämme doppeltes Wergeld genoß und auch sonst gewisse Züge auf eine zartfühlende Berücksichtigung der körperlich schwächeren und geistig so wirksamen, der opferbereiten, mit so schwerer Verantwortung beladenen Gefährtin deuten. Allein man kann auf die Geltung, die eine Klasse von Menschen hat, nicht nur aus dem Gesetz schließen. Die enge Beziehung zwischen Mutter und Sohn, Vater und Tochter, Bruder und Schwester, Mann und Frau schuf im täglichen Leben Gewohnheiten, die der Frau mehr zuwendeten, als das plumpe Gesetz ihr nahm. Soweit die Persönlichkeit wirken konnte, hatte die Frau viel Einfluß. Läßt er sich selten ausdrücklich berechnen, so spiegelt er sich darin, daß die Überlieferung oft, wenn ein Mann etwas im Guten oder Bösen Auffallendes, etwas Sieghaftes oder Unheilvolles tat, die Mutter oder Frau dafür verantwortlich machte.
Unbändiger Stolz beseelte die deutsche und namentlich die nordische Frau, ebenso wie die nordgermanischen Männer. Sie zürnen dem Vater, wenn er sie, ohne sie um ihre Einwilligung zu fragen, vermählt, zürnen ihm doppelt, wenn er sie einem Unebenbürtigen gibt. Es kommt vor, daß der Mann die Frau im Zorne schlägt, aber ebensooft, daß sie den Schlag mit seinem Tode rächt. Als der norwegische König Olaf Tryggvasohn um die schwedische Königin Sigrid warb und verlangte, daß sie Christin würde und sie das nicht wollte, schlug er ihr den Handschuh ins Gesicht. »Das soll dir noch einmal den Tod bringen«, sagte sie und hielt Wort. Sie heiratete den Dänenkönig Sven Gabelbart und bewog ihn, Olaf zu bekriegen, bis er als Unterliegender sich selbst den Tod gab. Es scheint, daß die Männer die Frauen um so mehr liebten, je stolzer, kühner und selbständiger sie waren. Sie bewunderten ihre Klugheit, hörten auf ihren Rat, ordneten sich ihnen unter, hatten besonders eine abergläubische Ehrfurcht vor ihnen, wenn sie ihre Sehergabe, Zauberkunst und Heilkunst ausübten. Zur Zeit, als die Sitten schon bedeutend gemildert waren, erscheinen in der Dichtung Kriemhild und Gudrun in einer Pracht der Persönlichkeit, wie sie nur bei ungekränktem Selbstgefühl sich entfalten kann. Gudruns entrüstete Ablehnung eines Gemahls, der Vasall ist, veranlaßt verheerenden Krieg, und wilden Stolz verleugnet das Königskind nie, nicht in Todesgefahr, nicht unter Qualen und Demütigungen, nicht gegenüber der Schmeichelei. Als Bräutigam und Bruder sie wiedergefunden haben und Befreiung in Aussicht steht, ist ihr erstes Tun, daß sie mit jubelndem Hohn die Wäsche, die sie waschen mußte, ins Meer wirft. In königlicher Großmut sucht sie die Feindin, als sich der Sieg den Ihren zugewendet hat, zu schützen, findet es aber doch richtig, daß die Frau, die sie, die Hochgeborene, gezwungen hat, Magddienste zu tun, mit dem Tode büßen muß. Nicht selten erscheint der Verschwendung, den hochmütigen Ansprüchen der Frau gegenüber der Mann als der Bescheidenere, Maßvollere.
Wieviel Anteil die Frauen an den Staatsgeschäften nahmen, zeigt die Geschichte. Bertrada, die Mutter Karls des Großen, veranlaßte seine Heirat mit einer langobardischen Prinzessin; obwohl andere Wege eingeschlagen wurden, blieb sie bis zu ihrem Tode hochgeehrt von ihrem Sohn und ihrer ganzen Familie. Eine ähnliche Stellung hatte in Sachsen die fränkische Oda, die Frau Ludolfs und Mutter der Herzöge Brun und Otto, und ganz besonders die Königin Mathilde. Sie wurde einer Heiligen gleich geachtet, ihr Name erbte sich in der Familie fort, solange sie bestand. Nicht nur ihre eigenen erwachsenen Söhne betrachteten sie als Oberhaupt, sondern auch Ottos natürlicher Sohn Wilhelm, der Erzbischof von Mainz. Nach dem Tode ihres Mannes beschäftigte sie sich mit der Sorge für Arme, Kranke und Pilger, was als vornehmste Aufgabe der Frau angesehen wurde, aber auch mit Handarbeit und Wissenschaft; ihr Biograph betont, daß sie bei aller Demut immer die königliche Würde behauptete. Seiner Schwester Mathilde, der Äbtissin von Quedlinburg, vertraute Otto der Große während seiner Abwesenheit das Reich an; seine Tochter Mathilde, ebenfalls Äbtissin von Quedlinburg, hatte großen Einfluß während der Kindheit Ottos III. Ottos Bruder Heinrich hatte zwei energische und kluge Töchter, Gerberga, die Äbtissin von Gandersheim wurde, und Judith, die Gattin des viel älteren Herzogs Burkhard von Schwaben, welche letztere ganz besonders sowohl des Vaters Schönheit sowie seine Herrschsucht und sein heftiges Temperament geerbt zu haben scheint. Ihr Freund Ekkehard II., den sie zu sich auf den Hohentwiel befahl, um mit ihr den Virgil zu lesen, und den sie mit Gnaden und Geschenken überhäufte, genoß die Gunst der herben Dame halb widerwillig; so wenigstens wird berichtet. Unter der Führung der Äbtissin Gerberga und der Lehrerin Richardis bildete sich im Kloster Gandersheim, am Rande des Harzes, die Dichterin Hroswitha, deren Werk, wenn es auch, wie der Körper von einer Kutte, durch die fremde Sprache vermummt ist, Verstand und Geschmack und eine feste Linienführung offenbart. Daß Nonnen Latein lernten, war nicht selten. Nicht nur die Mädchen, sondern auch die Knaben erhielten ihren ersten Unterricht in den Frauenklöstern. Unter den Frauen der Salier ragt Gisela, die Witwe des Herzogs von Schwaben und Mutter des unglücklichen Ernst, als bedeutende Persönlichkeit hervor. Sehr großen Einfluß scheint die Braunsenweigerin Richenza auf ihren Mann, den König Lothar, gehabt zu haben, so daß, wer etwas bei ihm erreichen wollte, zuerst sie zu gewinnen suchte. Als sie mit Lothar in Italien war, besuchte sie nicht nur die heiligen Stätten, um zu beten, wie das üblich war, sondern auch die durch Geschichte und Kunst denkwürdigen Orte. Nach dem Tode ihres Mannes war sie noch jahrelang die Führerin der Welfen im Kampfe gegen die Staufer; als sie starb, erlahmte die Bewegung. Auch die Frau Barbarossas, die Kaiserin Beatrix, begleitete ihren Mann auf allen seinen Feldzügen; sie galt als klug und gebildet, und man wußte, daß der Kaiser sehr abhängig von ihrem Urteil war. Mochten Geistliche gelegentlich die Schwachheit der Frau im Munde führen, so dachte man doch nicht daran, der Frau ihr Geschlecht als Minderwertigkeit anzurechnen oder sie auf ein enges Feld der Betätigung einzuschränken, wenn die kriegerische auch für sie natürlich nicht in Frage kam. Wir hören, daß im 9. Jahrhundert Bischof Ansgar zuweilen zu einer sächsischen Adligen namens Liutbirg pilgerte, die im Bodetal ein Eremitendasein führte; sie unterrichtete Mädchen im Beten, Singen und Handarbeiten. Dazu kam später wohl noch die Kenntnis von Sprachen und das Spielen verschiedener Musikinstrumente. Jedenfalls waren die Frauen eher gebildeter als die ritterlichen Männer; noch Ende des 15. Jahrhunderts konnten ein Burggraf von Nürnberg und ein Graf von Sayn nicht schreiben, vielleicht konnte es auch Rudolf von Habsburg nicht: es ist anzunehmen, daß die Frauen, die sich so warm für Dichter und Dichtkunst interessierten, das Lesen verstanden. Daß Nonnen oft schrift- und sprachenkundig waren, ist selbstverständlich. Den Bürgerfrauen stand in bezug auf Arbeitsbetätigung ihr Geschlecht nur insofern im Wege, als ihnen zu manchen Berufen die körperliche Kraft fehlte. Der Eintritt in eine Zunft war ihnen nicht verwehrt, abgesehen davon, daß oft Witwen das Geschäft des Mannes fortsetzten. Besonders gehörten ihnen gewisse Berufe, die eine zarte, biegsame Hand erforderten, wie der der Schleierwäscher oder Goldspinner oder Sticker, aber auch andere, in denen sie seit der Zeit geschickt sein mochten, als der häusliche Haushalt für die eigenen Bedürfnisse aufkam. Wie in der Frühzeit übten sie auch später die ärztliche Kunst aus; es gab hier und da Stadtärztinnen.
Dem Vater stand es zu, Söhne und Töchter ins Kloster zu schicken oder zu verheiraten; aus vielen Beispielen geht hervor, daß er dabei in der Regel die Wünsche der Mutter berücksichtigte. In vielen adligen Familien war es Sitte, nur je eines der Kinder zu verheiraten, die übrigen geistlich werden zu lassen. Bei der Heirat wurde hauptsächlich der Vorteil in Betracht gezogen; aber es wird liebevolle Eltern gegeben haben, die bestimmte Neigung oder Abneigung der Kinder nicht unbeachtet ließen. Von der eigenwilligen Judith erzählte man, sie habe, weil sie keine Lust hatte, den ihr bestimmten griechischen Prinzen zu heiraten, dem griechischen Maler gegenüber, der sie porträtieren sollte, ihr schönes Gesicht zur Grimasse verzogen, um den Freier abzuschrecken, was ihr auch gelungen sei. Den Aufenthalt im Kloster zogen gewiß viele Mädchen der Ehe vor; sie genossen dort Bequemlichkeit, Sicherheit und Ehre, und auch eine weitgehende Freiheit nahmen die adligen Frauen als selbstverständlich für sich in Anspruch. Fanden die Frauen kein Glück in der Ehe, so wußten sie sich zu entschädigen, wenigstens möchte man das aus den häufigen Verdächtigungen hochgestellter Frauen schließen, wenn sie auch nicht immer begründet waren. Ottos des Großen Tochter Liutgard wurde des