Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten. Gustav Weil

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Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten - Gustav  Weil


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solche, die wir nicht ausschlagen können, und so muß man von zwei Übeln das kleinste wählen.« Die Dame gab ihren Freunden die Vollmacht alles zu tun, was ihnen genehm sei, sie willige in alles ein, was sie unter sich beschließen möchten.

      Die Botschafter wurden wieder vor sie gerufen und gefragt, welche Genugtuung der König ihnen zu geben gedächte. »Wir wissen den Willen des Königs nicht weiter«, antworteten sie, »als daß er beschlossen hat, in dieser Sache ganz nach dem Willen seiner Barone und seiner Räte zu verfahren.« Darauf verabredeten sie, daß die Herzogin sich nach fünfzehn Tagen mit allen ihren Verwandten und Freunden nach Kardueil begeben würde, wozu der König ihnen sicheres Geleite entgegensenden müsse; daß auch, wenn seine Anerbietungen die Genugtuung betreffend der Herzogin und ihrer Partei nicht genehm dünkten, der König sie alle auf seine Unkosten nach Tintayol zurücksenden müsse. Nach dieser Abrede empfahlen die Botschafter sich der Dame, sowie den Übrigen, und ritten zum König nach Kardueil zurück. Der war sehr begierig, welche Antwort sie ihm von der Dame bringen würden, und voller Freude, als er vernahm, wie sie nach Kardueil kommen wollten.

      Nach vierzehn Tagen sandte er sicheres Geleit der Dame Yguerne entgegen, die so wie ihre Freunde und Verwandte in tiefer Trauer zu Kardueil anlangte. Sogleich sandte der König seine Räte in ihre Versammlung, und sie wurden von ihnen im Namen des Königs gefragt, welche Genugtuung sie für den Tod des Herzogs forderten. Die Räte der Dame antworteten: »Die Herzogin ist nicht hierher gekommen zu fordern, sondern um zu vernehmen, was der König für sie zu tun Willens ist.« Der König hielt die Räte der Dame für sehr verständige Männer, wegen dieser Antwort. Ulsius ging nun in die Versammlung der Barone und Herren, um sich mit ihnen zu beraten, weil der König ihnen alle Vollmacht gegeben, zu tun und zu raten, was ihnen nach ihrer Weisheit am besten dünkte und am rätlichsten zum Besten des Reichs und seiner Untertanen. »Ich gehe«, sagte Ulsius dem König, als er sich von ihm beurlaubte, »um zu tun, was Ihr mir gebietet; erinnert Euch aber, mein König, daß ein Fürst seinen Leuten nicht gut genug begegnen und sich nicht genug vor ihnen demütigen kann.«

      Ulsius und die übrigen Räte begaben sich sofort zur Dame Yguerne, stellten sich ihr als diejenigen vor, denen der König Vollmacht gegeben, in dieser Sache Recht zu sprechen, und fragten sie, ob sie damit zufrieden sei und sich ihrem Spruch unterwerfen wolle. Dame Yguerne antwortete ihnen: Der König könne ihr nichts Größeres anbieten, als daß er seine Barone wolle für sich urteilen lassen; worauf sich die des Königs wieder entfernten und sich besonders versammelten, um die Sache zu beenden.

      Nachdem sie sich untereinander beraten, was am besten zu tun sei, riefen sie allesamt den Ulsius, daß er zuerst seine Meinung sage. »Ihr wißt wohl«, fing Ulsius an, »daß der Herzog durch des Königs Schuld ums Leben kam, und daß er den Tod nicht verdiente; seiner Gemahlin blieben die Kinder zur Last, und der König verheerte ihr Land durch den Krieg. Auch haben die Verwandten und Freunde des Herzogs gar viel durch seinen Tod eingebüßt; es ist also der Billigkeit und dem Rechte gemäß, daß ihnen nach Würden so viel erstattet werde, was sie verloren, damit der König ihrer Anhänglichkeit und Liebe gewiß bleibe. Andrerseits ist der König unvermählt, und es ist Zeit, daß er eine Gemahlin sich erwähle; da nun Dame Yguerne, wie Ihr wißt, eine der tugendsamsten Frauen der Welt ist, so wäre meine Meinung, der König könne keine schicklichere Genugtuung geben, als wenn er sie zur Gemahlin erwählte. Mich dünkt, solches würde eine große Wohltat sein für das ganze Land wie auch für Euch, und ein jeder wird diese Art Genugtuung zu geben lobenswert finden. Auch rate ich, daß er die älteste Tochter des Herzogs dem König von Orcanien, welcher hier zugegen ist, zur Gemahlin gebe; und allen übrigen so tue, daß sie ihn für ihren gnädigen und großmütigen König lieben und in Ehren halten.«

      Die Geschichte erzählt, daß, als Ulsius auf diese Weise seine Meinung gesagt, er die andern Räte aufforderte, die ihrige gleichfalls zu sagen. »Ulsius«, antworteten sie ihm insgesamt, »Du hast den besten Rat erteilt, und den allerhochschwingendsten, den je ein Mensch zu denken sich erdreistet; wenn Ihr denselben, so wie Ihr jetzt vor uns tatet, vor dem König wiederholt, und wir sehen, daß er einwilligt, so wollen auch wir gern einwilligen.« – »Das ist nicht genug«, sagte Ulsius, »Ihr müßt noch vor dem König Eure Einwilligung dazu geben; hier ist gleich der König Loth von Orcanien zugegen, auf den der Frieden nun zum Teil ankommt, er mag zuerst seine Meinung sagen.« Und der König von Orcanien antwortete.: »Ich möchte um alles in der Welt nicht, daß der Frieden um meinetwillen unterbliebe.«

      Als die andern dies hörten, pflichteten sie gleichfalls alle der Meinung des Ulsius bei und gingen darauf allesamt zum König, wo auch Dame Yguerne mit den Ihrigen sich einfand. Die ganze Versammlung setzte sich nieder, ausgenommen Ulsius; dieser stand vor ihnen, trug den Ratschluß der Barone und Fürsten vor und fragte den König darauf, ob er dem Rat dieser Männer beipflichte. »Ich pflichte ihm bei«, antwortete der König, »wenn anders Dame Yguerne und ihre Partei darin einwilligen, und wenn König Loth von Orcanien die älteste Tochter des Herzogs ehelichen will.« – »Sire«, sprach König Loth, »es gibt nichts, was ich nicht aus Liebe zu Euch, und des Friedens wegen, zu tun entschlossen wäre.« Ulsius wandte sich nun zur Partei der Dame und fragte sie, wie sie zufrieden seien, und ob sie unter diesen Bedingungen Frieden schließen wollten.

      Als er sich so an sie wandte und erwartete, daß der, welcher den Auftrag hatte, im Namen der Herzogin zu reden, nun antworten würde, fingen sie vor großer Rührung alle an zu weinen, so daß Tränen so groß wie Erbsen ihnen aus den Augen fielen; so auch weinte der, welcher hatte sprechen sollen, vor Freude und Rührung, so daß er nicht ein Wort vorbringen konnte. Endlich sagte er: »Nein, niemals hörte ich solche Reden, noch sah ich solche ehrenvolle Genugtuung, wie die ist, welche der König jetzt einem seiner Lehnsleute widerfahren läßt!« fragte darauf die Dame und die übrigen Verwandten, ob sie mit diesen Bedingungen zufrieden wären. Dame Yguerne weinte, konnte aber nicht reden; die anderen sprachen für sie und waren einstimmig der Meinung, eine ehrenvollere Genugtuung könnten sie nicht verlangen noch einen schönern Frieden schließen.

      Zwei Tage nachher ward die Vermählung des Königs mit der Yguerne gefeiert, zugleich auch die des Königs Loth von Orcanien mit der ältesten Tochter des Herzogs. Dame Yguerne hatte noch eine andre Tochter, Morgante genannt, diese wurde in ein Kloster geschickt, um dort unterrichtet zu werden. Sie brachte es so weit in allen Wissenschaften, daß es ein Wunder war; sie verstand auch die Astronomie in einem so hohen Grade, daß niemand sich neben ihr in dieser Kunst durfte sehen lassen; nachmals ward sie Morgante, die Fee, genannt. Die andere Tochter, welche dem König von Orcanien vermählt wurde, gebar drei Söhne, alle drei sehr tapfere Ritter, welche nachmals an der Tafelrunde saßen. So wurden auch die übrigen Kinder der Herzogin gut vom König versorgt, und ihre Freunde und Verwandten liebte er und hielt sie sehr in Ehren.

      XXVIII. Yguerne entdeckt dem König, daß das Kind weder von ihm noch dem Herzog sei, und Merlin verabredet mit Anthor einen Kindestausch

       Inhaltsverzeichnis

      Es waren an dem Tag, als der König mit der schönen Yguerne Hochzeit hielt, gerade zwanzig Tage, seit er in Gestalt des Herzogs bei ihr geschlafen und daß sie schwanger von ihm geworden. Die Hochzeit wurde sehr fröhlich und in großer Pracht gefeiert; fünfzehn Tage lang dauerte die Festlichkeit, wo ein jeder, der sich dazu einfand, aufs herrlichste bewirtet wurde. Der König war voll Freuden, das erlangt zu haben, wo nach er sich so gesehnt, und wollte lange Zeit von nichts anderem hören als von Festen und Freudenbezeigungen. Als er nun einmal des Nachts bei seiner Gemahlin lag, und sie hoch schwanger war, fragte er sie, von wem sie schwanger sei, da er nicht glaubte, daß sie es schon von ihm sein könne, auch vom Herzog könne es nicht sein, da er lange Zeit vor seinem Tod nicht bei ihr gewesen war.

      Die Königin Yguerne fing an zu weinen, als sie diese Worte des Königs vernahm, und sagte unter vielen Tränen: »Mein König, ich kann Euch auf keine Weise eine Unwahrheit sagen; es ist nur zu wahr, daß ich nicht von Euch schwanger sein kann, aber habt um Gottes Barmherzigkeit willen Erbarmen mit mir! Was ich Euch erzählen will, ist sehr wunderbar, aber es ist darum nicht weniger die Wahrheit; ich bitte Euch daher, versprecht mir ehe ich spreche, daß Ihr mich nicht verstoßen wollt, daß Ihr mir auch keinen Vorwurf machen


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