Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten. Gustav Weil

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Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten - Gustav  Weil


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ihnen konnte es herausziehen. Am Tag der Lichtmesse versammelten alle sich wieder; da stieg Artus auf Befehl des Erzbischofs die Stufen hinauf, zog das Schwert mit Leichtigkeit aus dem Amboß und überreichte es dem Erzbischof; dieser wie auch der ganze anwesende Clerus weinten vor Freude und Wehmut, als sie dieses Wunder sahen.

      »Ist noch einer unter Euch«, rief der Erzbischof, »welcher an der göttlichen Wahl zweifelt?« – »Dennoch erlaubt, Herr Erzbischof«, sagten die Fürsten, »daß es noch bis Ostern anstehe, und kommt bis dahin niemand, der es vermag, so wollen wir diesem untertan sein.« – »Wollt Ihr«, fragte der Erzbischof, »gern gehorsam sein, wenn ich noch bis zu Ostern warte?« – »Ja, Herr Erzbischof, das wollen wir.« – »Nun so geht, Artus, steckt das Schwert wieder an seinen Ort; so es Gott gefällt, wird es doch das Eure bleiben.« Artus gehorchte, das Schwert stak wieder fest wie zuvor, und zehn Männer bewachten es.

      Am Osterfest nach der Messe wurde Artus die Stufen hinaufgeführt, wo er wieder das Schwert aus dem Amboß zog. Da erhoben die Fürsten sich und begrüßten ihn als ihren Herrn; baten ihn aber, daß er noch einmal das Schwert auf den Amboß stecken und erst etwas mit ihnen reden möchte. »Sehr gerne«, antwortete Artus höflich, »so wie alles was Euch beliebt, das ich tue.« Sie gingen darauf alle zusammen in die Kirche, um mit Artus sich zu unterreden und ihn auf die Probe zu stellen; denn der Erzbischof hatte den Fürsten vorher viel Rühmens gemacht von der Verständigkeit und dem guten Anstand des Artus; jetzt also wollten sie prüfen, ob sich dies so verhalte.

      »Sire«, redeten sie ihn an, »wir sehen nun wohl, daß es Gottes Wille ist, daß Ihr über uns herrschen sollt; was Gott will, daß muß geschehen; wir erkennen Euch also als unsern König und Herrn und wollen jetzt von Euch unsre Lehen und Gaben empfangen; doch bitten wir Euch gehorsamst, daß Ihr Eure Krönung noch bis zum Pfingstfest anstehen lasset, Ihr sollt dessen ungeachtet unser König und Herr verbleiben. Hierüber sagt uns jetzt Eure Meinung, ob Ihr es so zufrieden seid?« König Artus erwiderte auf der Stelle: »Daß ich Euch Gaben und Lehen erteilen sollte, kann nicht eher geschehen, als bis ich erst das meinige erhalten, ich kann niemand erteilen, was ich selber nicht besitze; so kann ich auch nicht eher Euer König genannt und dafür gehalten werden, als bis ich zum König gesalbt und gekrönt worden bin und das Reich mir überantwortet ist. Doch der Aufschub, den Ihr von mir verlangt, den gebe ich Euch gern; denn ich bin weit entfernt, die Krönung oder das Reich zu verlangen noch ihm nachzutrachten, wenn es nicht Gottes und Euer Wille ist.«

      Die Fürsten waren mit seiner Antwort sehr wohl zufrieden, und alle, die zugegen waren, sagten: »Dieser Knabe würde, wenn er am Leben bliebe, sehr verständig werden.« Dann wandten die Fürsten sich wieder gegen Artus und sagten: »Sire, es dünkt uns gut, daß Ihr erst am Pfingstfest mit der königlichen Krone gekrönt werdet; bis dahin aber wollen wir Euch auf Befehl des Erzbischofs gehorchen.«

      Nachdem dieses beschlossen und die Fürsten endlich den Entschluß gefaßt, Artus als ihren König anzusehen, brachte ihm ein jeder reiche Geschenke; einige brachten kostbare Rüstungen, andre vortreffliche Rosse, noch andre goldne Halsketten und köstliche Edelsteine; und so brachte ihm ein jeder, wonach, wie sie glaubten, Artus trachten würde. Artus nahm diese Geschenke sehr ehrenvoll auf, und war ihnen sehr verbindlich dafür, teilte sie aber unter die, welche ihm am nächsten waren, und die er in Ehren hielt, alle wieder aus. Einem jeden gab er, was ihn nach Stand, Verdienst, nach seinem Amt und Gemüt am meisten vergnügen mußte. Den Rittern schenkte er Pferde und Rüstungen; goldene und seidene Stoffe den Eitlen, welche sich gern kostbar schmücken mochten; den Verliebten gab er Gold und Silber, die Geliebte damit zu beschenken, und den Verständigen, was ihnen wohl gefallen mochte; so wie er den Weisen, die aus fremden Ländern kamen, dasjenige verehrte, was in ihrem Lande am höchsten geachtet war, auch war er viel in ihrer Gesellschaft, und hörte auf ihre Ermahnungen und ihren Rat. So gab er alles wieder weg, was man ihm schenkte, und erwarb sich die Liebe aller derer, die mit ihm umgingen. Auch sagten die Fürsten und Barone zueinander: »Er muß wahrlich von hoher Abkunft sein, denn es ist keine Habsucht oder Begehrlichkeit in ihm.«

      Da sie nun keinen Tadel an ihm finden konnten, wie vielfach sie ihn auch prüften, versammelten sich alle Fürsten, Große, Edle und Ritter aus ganz England in London, am Tage vor dem Pfingstfest. Hier versuchte noch einmal ein jeder, das Schwert herauszuziehen, aber es war umsonst. Der Erzbischof, welcher alles zur Krönung auf den folgenden Tag in Bereitschaft gesetzt hatte, schlug auf Verlangen aller Fürsten den Artus zum Ritter, und er wachte die ganze Nacht in der Kirche bei seinen Waffen. Am andern Morgen hielt der Erzbischof den Fürsten eine schöne Rede und fragte am Ende derselben, wenn noch jemand gegen diese Wahl und die Krönung des Königs etwas einzuwenden habe, der sage es nun. Alle aber riefen einstimmig, er solle gekrönt werden. Darauf knieten sie alle vor Artus nieder und baten ihn um Verzeihung, daß sie so gegen ihn gewesen im Anfang, und daß sie seine Krönung so oft aufgeschoben; auf ihren Knien fleheten sie ihn um Gnade. Artus kniete auch nieder gegen sie und rief: »Ich vergebe Euch, und so vergebe Euch Gott!« Da standen sie auf, nahmen Artus und trugen ihn auf ihren Armen dahin, wo die königlichen Kleider lagen, und bekleideten ihn damit.

      Hierauf sprach der Erzbischof zu Artus, daß er nun hingehen müsse, das Schwert der Gerechtigkeit zu holen, womit er die Kirche und die Christenheit beschützen solle, sobald sie seiner bedürftig würde, denn unser Erlöser, als er die Gerechtigkeit auf Erden brachte, habe sie in ein Schwert gelegt. Darauf gingen sie alle, der Erzbischof, die ganze Geistlichkeit, Artus, die Fürsten, Herzoge, Barone und die edlen Ritter in einer Prozession zu dem Amboß mit dem Schwert.

      Ehe aber Artus hinaufstieg, sagte der Erzbischof, er müsse vorher den Eid ablegen. »Alles, was Ihr befehlt«, erwiderte Artus. »So schwöre«, fing der Erzbischof wieder an, »bei Gott dem Allmächtigen Schöpfer, bei der Jungfrau Maria, bei dem heiligen Petrus und bei allen Heiligen, daß Du unserer heiligen Mutterkirche getreu, sie in allem aufrecht erhalten und ihr in Nöten beistehen, ihr beständig die ihr gebührende Ehrfurcht erzeigen und ihren Frieden erhalten wirst; daß Du Dein Volk beschützen und schirmen und gegen jeden verteidigen willst; daß Du, so lange Du lebst, jedem Einzelnen wie allen zusammen, Treue und Redlichkeit halten, niemand in seinem Recht beeinträchtigen und den Frieden und die Freiheit erhalten willst; auch daß Du nach Deiner Macht die Gerechtigkeit pflegen willst, so wie es einem jeden gebührt.«

      Als der junge König diese feierliche Anrede vernahm, mußte er weinen, und alle Umstehenden weinten mit ihm; dann faßte er sich wieder und sagte mit gesetzter Stimme: »So wahr ich an Gott, den Herrn des Himmels und der Erde, und unser aller Vater glaube, so schwöre ich, daß ich nach meinen Kräften alles das tun werde, was Ihr mir vorgelegt.« – »Nun, so nimm das Schwert!« sagte der Erzbischof. Artus kniete nieder, ergriff das Schwert, zog es wie die vorigen Male mit großer Leichtigkeit heraus und trug es, gefolgt von allen, die mit ihm waren, zum großen Altar in die Kirche; hier legte er es hin. Nun wurde er gesalbt und ihm die Königskrone aufgesetzt, wobei man alle die üblichen Gebräuche beobachtete. Nun las der Erzbischof die Messe, und als sie aus der Kirche gingen, fanden sie weder die Stufen noch den Amboß mehr, worüber alle in das größte Erstaunen gerieten.

      So ward Artus König in London, wo er sehr lange Zeit in Frieden lebte, bis sich nachmals die Fürsten gegen ihn empörten, wie man weiterhin lesen wird.

      XXXII. Wie die Ritter König Artus drohten und er sich in einen Turm verschanzte, Merlin ihm den Weg zu Leodagan wies, zur schönen Genevra und dem Reich Thamelide

       Inhaltsverzeichnis

      Die Geschichte sagt, daß nach langer Zeit König Artus einst Hof halten wollte. Er ließ die Fürsten und Barone des Landes zusammen berufen, die auch mit großer Begleitung ankamen. Zuerst kam König Loth von Orcanien, welche das Land Leonnois hatte, mit fünfhundert Rittern, alle in guter Rüstung und wohl beritten; dann kam König Urien vom Lande Gorre, ein junger, in den Waffen wohl geübter Ritter, begleitet von vierhundert Rittern von hohem Wert. Alsdann König Uter von Gallot, welcher eine Schwester des Königs Artus zur Gemahlin hatte, mit siebenhundert Rittern; dann König Lrarados von Brebas, ein sehr großer und starker Herr, er beherrschte Estrangegore, und war einer der Ritter von der Tafelrunde. Dann kam der schöne junge König Aguiseaulx von Schottland,


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