Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten. Gustav Weil
Читать онлайн книгу.und edle Ritterschaft bei sich in London versammelt zu sehen, und empfing sie allesamt mit vielen Ehrenbezeigungen und großer Festlichkeit. König Artus war unterdessen auch ein sehr schöner Herr und vortrefflicher Ritter geworden, so daß es eine Freude war, ihn anzuschauen, und er war mit seinen Gütern sehr freigebig. Er beschenkte jeden der Fürsten und jeden Ritter mit kostbaren Kleinodien und mit allerhand reichen Gaben, und mit so edlem freigebigem Anstand, wie einer, dem es an solchen Schätzen nicht fehlt, und der gewohnt ist, sie zu verschenken. Einige von den Fürsten nahmen die Geschenke mit Freude an und dachten sehr gut von ihrem König deswegen; andre aber waren voller Neid, und von dieser Zeit an trugen die größten und vornehmsten einen tödlichen Haß gegen den König im Herzen. »Ist es nicht eine Torheit«, sagten sie untereinander, »daß wir einem Burschen von so geringer Abkunft eine solche Macht und das beste Königreich gelassen haben, daß er solche Schätze sammeln und sie mit Stolz verschenken kann? Das wollen wir von nun an nicht länger zugeben.«
Sie schlugen also die Geschenke des Königs hoffärtig ab und schickten sie ihm zurück, ließen ihm auch dabei sagen, er solle wissen, daß sie ihn nicht länger als ihren König ansähen, er möge daher nur aufs eiligste sein Reich sowie das ganze Land verlassen und sich wohl hüten, sich je wieder dort sehen zu lassen, sonst würden sie ihn auf alle Weise ums Leben zu bringen suchen.
König Artus war sehr ergrimmt über diese Drohungen; da er sich aber nichts Gutes von ihnen versah, entfernte er sich in der Stille und verschloß sich in einen festen Turm, welcher in der Stadt London stand, wo er sich fünfzehn Tage lang verbarg, weil er die Verräterei der Fürsten schon kannte. Hierauf kam Merlin an, und zeigte sich öffentlich dem ganzen Volk. Als dieses den Merlin erkannte, war seine Freude so groß und die Freudensbezeigungen und der Tumult so laut um ihn her, daß man wohl den Donner nicht gehört hätte, so sehr lärmten sie. »Merlin ist gekommen! Merlin ist da!« So schrien sie auf allen Gassen einander zu. Auch die Fürsten gingen ihm entgegen, erzeigten ihm viel Ehre und führten ihn in den Palast, in einen Saal, dessen Fenster über die Stadt weg auf eine luftige grüne Wiese sahen; durch diese Wiese sah man einen schönen hellen Fluß fließen, den man sehr weit verfolgen konnte, bis er die Mauern der festen Burg Clarion umgab. Hier setzten die Fürsten sich mit Merlin nieder und zogen ihn zur Rechenschaft, fragten ihn, was ihn bedünke zu dem neuen König, welchen der Erzbischof Brice gekrönt habe, ohne ihre Erlaubnis und gegen ihren Willen, wie auch gegen den Willen des Volkes.
»Er hat wohl getan«, antwortete Merlin, »Ihr mögt wissen, daß er keinen andern hätte wählen können, der geschickter dazu wäre.« – »Wie das, Merlin? Erklärt Euch; denn uns dünkt, es sind viele unter uns, die sowohl der Tapferkeit als der Geburt nach diese Ehre mehr verdient hätten als ein solcher Bursche, von dem man nicht weiß, wer er ist?« – »Er ist von höherer Abkunft als einer von Euch«, sagte Merlin, »denn er ist weder Anthors Sohn noch Lreux Bruder!« – »Merlin, Ihr macht uns immer mehr und mehr verwirrt; wer ist er denn? was sollen wir denken?« – »Sendet nach dem König Artus, daß er hier vor uns erscheine, und versprecht ihm Sicherheit; auch seinen Pflegevater Anthor lasset zugleich herkommen, und Ulsius, den Rat des Königs Uterpendragon, nebst den Erzbischöfen von Brice und von London, in deren Gegenwart sollt Ihr hören, wer Artus ist, und Eure Zweifel sollen gelöst werden.«
Es wurde sogleich einer aus ihrer Mitte abgesandt, der den König Artus im Namen Merlins und der versammelten Fürsten rufen mußte, so auch die Erzbischöfe, und die andern beiden. Als sie hörten, daß Merlin dabei war, wurden sie fröhlichen Mutes und begaben sich sogleich hin; Artus zog aber einen Panzer unter seinem Rock an, denn er traute den verräterischen Fürsten nimmer. Als sie nun in den Saal vor die versammelten Herren kamen, wo sich auch eine große Menge von Volk befand, um diese Sache zu hören, setzten sich alle, Merlin aber stand auf, und erzählte den ganzen Verlauf von der Geburt des Königs Artus mit allen Umständen und mit großer Deutlichkeit, worauf denn Ulsius und Anthor den Eid vor den Bischöfen ablegten, daß alles sich so zugetragen, wie Merlin es erzähle. »Ihr seht also«, sagte Merlin weiter, »daß König Uterpendragon, sein Vater, ihn nicht für seinen Sohn und Erben erklären wollte, aus große Gewissenhaftigkeit, weil er nämlich diesen seinen Sohn mir überliefert hatte, noch ehe er wußte, daß er ihn erzeugt, er wollte also seinen Schwur auf keine Weise brechen. Gott der Herr aber, der seine Frömmigkeit und die Tugend seiner Gemahlin Yguerne sah, beschloß, daß um der Eltern willen der Sohn dennoch zu seinem rechtmäßigen Erbe gelange, und sandte das Wunder mit dem Schwert, damit Ihr alle erkennen möget, wie Gott selber ihn erwählte, und daß er Euer König sein soll.«
Das ganze Volk weinte vor Freude, als es diese wunderbare Geschichte hörte, und daß Artus ein Sohn des sehr geliebten Königs Uterpendragon sei, und verfluchte im Herzen diejenigen, welche diese Zerstörung anfingen und nicht wollten, daß Artus König sein solle.
Die Fürsten aber erklärten laut, sie wollten keinen König, der nicht in rechtmäßiger Ehe erzeugt sei; stießen darauf sehr üble Reden aus, die ich gar nicht hersetzen will; unter anderm sagten sie, er sei ein Bastard, und einem Bastard hätten sie nicht nötig, den Frieden zu halten, oder ihn in einem Reich wie London herrschen zu lassen. Darauf gingen sie alle in großem Zorn und Grimm davon; die Erzbischöfe aber, der Klerus und alles Volk war auf Artus Seite. Die Ritter bewaffneten sich in ihren Gasthöfen; und ließen dem König Artus den Frieden aufsagen. Dieser begab sich wieder nach seinen festen Turm und setzte sich nebst so vielen Leuten, als er habhaft werden konnte, in Bereitschaft, sich zu verteidigen. Nachdem seine ganze Partei versammelt war, fand es sich, daß er wohl, den Klerus mitgezählt, an siebentausend Mann hatte. Ritter hatte er aber nur eine sehr geringe Anzahl, ungefähr dreihundert und fünfzig an der Zahl; der König gab ihnen Waffen und Pferde, und sie versprachen ihm treu bis in den Tod zu bleiben und ihm zu helfen.
Merlin ging zu den Fürsten, die sich fertig machten, den König anzugreifen, und machte ihnen Vorstellungen wegen ihres bösen Unternehmens. Die Fürsten aber spotteten über Merlin, nannten ihn Schwarzkünstler und hießen ihn schweigen. Merlin sagte, es würde sie dieses Betragen zeitig genug gereuen, ging von ihnen, und begab sich zum König Artus in sein festes Schloß.
»Sei nicht erschrocken, Sire«, sagte er, »Du darfst Deine Feinde nicht fürchten, denn ich will Dir helfen gegen sie; keiner unter ihnen ist so keck, daß er nicht, noch ehe es Nacht wird, wenn auch ganz nackt, bei sich zu Hause zu sein wünschen soll.« Artus bat ihn darauf in sehr sanften und demütigen Worten, daß er ihn nicht verlassen möchte, und daß er ihn so lieben möge, wie er seinen Vater Uterpendragon geliebt; er wolle, so wie dieser, ihm in allen Stücken gehorchen und seinen Willen pünktlich erfüllen. »Sei gutes Mutes, König Artus«, erwiderte Merlin, »Du darfst nichts fürchten; höre aber genau zu, was ich Dir hier sagen will. Sobald Du diese Barone Dir vom Halse geschafft haben wirst, was gar nicht lange dauern soll, so tue, wozu ich Dir hier raten will. Wie Du weißt, sind die Ritter von der runden Tafel, nach dem Tode Deines frommen Vaters, dessen Seele jetzt bei Gott ist, als sie sahen, welcher Betrug und welche Falschheit hier im Lande entstand, von hier fortgezogen und haben die Tafel verlassen. Nun mußt Du wissen, es regiert ein König, Namens Leodagan, in Thamelide, seine Gemahlin ist tot, er ist schon bei Jahren und hat nur eine einzige Tochter, Genevra genannt, die einzige Erbin seines Reiches ist. Dieser König Leodagan ist in einem schweren Krieg begriffen gegen Rion, König des Riesen- und des Hirtenlandes, das niemand bewohnen kann, denn es gehen so wunderbare und seltsame Dinge dort vor, daß kein Mensch weder des Tags noch des Nachts Ruhe findet. König Rion ist sehr mächtig, an Land und an kühnen, tapfern Leuten; dabei ist er ein sehr grausamer Mann. Er hat wohl schon an zwanzig gekrönte Könige bezwungen und ihnen grausamer Weise die Bärte abgeschnitten, aus denen er sich einen Mantel verfertigen ließ; diesen Mantel muß einer seiner Ritter ihm stets vortragen bei seiner Hofhaltung; da nun an diesem Mantel noch etwas fehlt, so hat er geschworen, nicht eher zu ruhen, bis er dreißig Könige besiegt und mit ihren Bärten seinen Mantel vollendet hätte. Jetzt macht er dem König Leodagan den Krieg und hat seinem Land schon unendlich viel Schaden zugefügt.
Du mußt aber wissen, wenn er erst sein Land erobert hat, verlierst Du auch das Deinige gegen ihn; und würde König Leodagan nicht von den Rittern der Tafelrunde unterstützt, die sich alle bei ihm versammelt haben, so hätte er schon jetzt sein Königreich verloren, denn er ist schon alt. Zu diesem König Leodagan ziehe also und diene ihm eine Zeitlang; er wird Dir seine Tochter Genevra zur Gemahlin