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Читать онлайн книгу.Großvater für ihn gethan, daß er ein Menschenherz untersucht und nichts in ihm gefunden habe, was das Thierherz nicht auch enthalte. »Aber ich muß es in Zusammenhang mit den anderen Organen des Menschen arbeiten sehen,« rief er erregt, »und mein Entschluß steht fest. Ich verlasse das Setihaus und bitte die Kolchyten, mich in ihre Zunft aufzunehmen. Wenn es sein muß, so verrichte ich anfänglich die Dienste der niedrigsten Paraschiten.«
Pentaur zeigte dem Arzte, einen wie schlechten Tausch er machen werde, und rief endlich, als Nebsecht ihm lebhaft widersprach: »Dieß Zerschneiden der Herzen mißfällt mir. Du sagst selbst, daß es Dich nichts gelehrt habe. Findest Du es gut, schön oder auch nur nützlich?«
»Mich kümmert es nicht,« gab Nebsecht zurück, »ob das, was ich beobachte, gut oder schlecht, schön oder häßlich, nützlich oder unnütz erscheint, ich will nur wissen, wie es ist, weiter nichts!«
»Also um der Neugier willen,« rief Pentaur, »willst Du die Seligkeit von tausend Mitmenschen gefährden, das trübseligste Handwerk auf Dich nehmen und diese edle Arbeitsstätte verlassen, in der wir nach Erleuchtung ringen, nach innerer Läuterung und Wahrheit!«
Der Naturforscher lachte höhnisch.
Da schwoll auf Pentaur's hoher Stirn die Zornesader und seine Stimme klang drohend, als er fragte:
»Glaubst Du, daß Deine Finger und Augen die Wahrheit gefunden haben, nach der edle Geister mit all' ihrer Kraft seit tausend Jahren vergeblich ringen? Zu den Sinnesmenschen steigst Du hinab durch Dein thörichtes Wühlen im Staube, und je bestimmter Du meinst, Du besäßest die Wahrheit, je schmählicher führt Dich der elende Irrthum am Seile.«
»Glaubt' ich wirklich die Wahrheit zu haben, würd' ich denn nach ihr suchen?« fragte Nebsecht. »Je mehr ich beobachte und erkenne, je tiefer empfind' ich die Mängel unsres Könnens und Wissens.«
»Das klingt bescheiden,« gab der Dichter zurück, »aber ich kenne die Selbstüberhebung, zu der Deine Arbeit Dich führt. Untrüglich scheint Dir Alles, was Du mit den Augen siehst und den Fingern betastest, und unwahr nennst Du in Deinem Innern mit überlegenem Lächeln Jedwedes, was Deinen Erfahrungen widerstrebt. Aber diese Erfahrungen erwirbst Du nur im Bereiche der Sinnenwelt und vergißt, daß es Dinge gibt, die auf einer andern Ordnung stehen.«
»Diese Dinge kenne ich nicht,« entgegnete Nebsecht ruhig.
»Wir Geweihten aber,« rief der Dichter, »wenden auch ihnen unsere Aufmerksamkeit zu. Ahnungen über ihre Beschaffenheit und Wirksamkeit sind vor Jahrtausenden unter uns ausgesprochen worden. Hundert Generationen haben diese Ahnungen geprüft, gebilligt und sie uns als Glauben hinterlassen. Mangelhaft ist all' unser Wissen und doch vermögen begnadigte Propheten in die Zukunft zu schauen, magische Kräfte werden vielen Sterblichen verliehen; das widerspricht doch den Gesetzen der Sinnenwelt, die Du allein anzuerkennen geneigt bist, und erklärt sich dennoch so leicht, wenn wir eine höhere Ordnung der Dinge annehmen. Gottes Geist lebt wie in der Natur in jedem von uns. Der Sinnenmensch kann nur zum gemeinen Wissen gelangen, in dem Propheten aber wirkt die göttliche Eigenschaft des Wissens in ungetrübter Form, das ist die Allwissenheit, und den Wundertäter befähigt zu übernatürlichen Werken nicht die menschliche Kraft, sondern zu Zeiten die von keiner Schranke gehemmt göttliche, das ist die Allmacht.«
»Geh' mir mit Propheten und Wundern!« rief der Arzt.
»Ich dächte,« entgegnete Pentaur, »daß auch jene Ordnung der Natur, die Du anerkennst, Dir täglich die herrlichsten Wunden vorführt, ja der Eine verschmäht es nicht, zu Zeiten die gemeine Ordnung der Dinge zu durchbrechen, um denjenigen Theil seines Wesens, welchen wir unsere Seele nennen, auf das hohe Ganze, dem sie angehört, auf ihn selbst, hinzuweisen. Noch heute hast Du gesehen, wie das Herz des heiligen Widders . . .«
»Mann, Mann!« unterbrach Nebsecht seinen Freund. »Das heilige Herz ist das Herz eines armseligen Hammels, den ein dem Trunk ergebener Soldat für Lumpengeld einem feilschenden Viehmäster abgekauft hat, und der am Herd eines Unreinen geschlachtet ward. Ein geächteter Paraschit steckte es in die Brust des Rui und – und«, bei diesen Worten öffnete er die Lade, warf den Leichnam des Affen und einige Kleidungsstücke auf den Boden und holte dann eine Alabasterschüssel hervor, die er dem Dichter hinhielt, »und die Muskeln da in der Salzlache, das Zeug hier, hat einst in der Brust des Propheten Rui geschlagen. Mein Hammelherz werden sie morgen in der Prozession umhertragen! Ich würde es Dir gleich erzählt haben, wenn ich mir nicht wegen des alten Mannes Schweigen auferlegt hätte, und dann . . . aber Mann, Mann, was ist Dir?«
Pentaur hatte sich von dem Freunde abgewandt, schlug beide Hände vor sein Angesicht und stöhnte, als habe ihn ein heftiger Körperschmerz ergriffen.
Nebsecht ahnte, was in dem Dichter vorgehe. Wie ein Kind, das seiner Mutter ein Unrecht abbitten möchte, näherte er sich ihm, blieb zaghaft hinter ihm stehen und wagte es nicht, ihn anzureden.
So vergingen mehrere Minuten. Plötzlich richtet Pentaur sich in seiner ganzen Größe auf, erhob die Hände gen Himmel und rief: »Du Einer, wenn Du auch Sterne vom Himmel fallen läßt in Sommernächten, so lenkt doch Dein ewiges, unwandelbares Gesetz in schönen Harmonieen die Bahnen der Nimmerruhenden. Du die Welt durchdringender lauterer Geist, der Du Dich in mir kund thust durch den Abscheu vor der Lüge, wirke fort in mir, wenn ich denke als Licht, wenn ich handle als Güte, wenn ich rede als Wahrheit! immer als Wahrheit!«
Mit tiefer Inbrunst rief der Dichter diese Worte und Nebsecht lauschte ihnen, als wären es Töne aus einer fernen schönen Welt. Liebreich näherte er sich dem Freunde und reichte ihm die Hand. Pentaur erfaßte sie, drückte sie heftig und sagte: »Das war eine schwere Stunde! Du weißt nicht, was mir Ameni gewesen, und nun, nun?«
Er hatte nicht ausgesprochen, als sich Schritte dem Zimmer des Arztes näherten und ein junger Priester die Freunde aufforderte, sogleich im Versammlungssaal der Eingeweihten zu erscheinen.
Wenige Augenblicke später betraten Beide die mit Lampen hellerleuchtete Sitzungshalle.
Keiner von den Leitern des Setihauses fehlte.
Ameni saß an einem länglichen Tisch auf einem hohen Thronsessel, zu seiner Rechten der alte Gagabu, der zweite, und zu seiner Linken der dritte Prophet des Tempels. Auch die Vorsteher der einzelnen Priesterklassen und unter ihnen der Erste der Horoskopen hatten an dem Tische Platz gefunden, während die übrigen Priester, alle in schneeweißen Leinengewändern, in weitem, doppelten Halbkreis, in dessen Mitte sich eine Bildsäule der Göttin der Wahrheit und Gerechtigkeit erhob, würdevoll saßen.
Hinter Ameni's Thron stand die buntbemalte Figur des ibisköpfigen Toth, des Gottes, der das Maß und die Ordnung der Dinge bewahrte, der mit weiser Rede die Götter berieth wie die Menschen, und den Wissenschaften und Künsten vorstand.
In einer Nische am äußersten Ende der Halle war die Dreiheit der Götter von Theben zu schauen, der Ramses I. und sein Sohn Seti, die Gründer der Anstalt, mit Opfern nahten. Die Priester waren streng nach ihrer Würde und der Zeit ihrer Einführung in das Mysterium geordnet. Pentaur nahm den untersten Platz ein von allen.
Bis jetzt war nicht eigentlich Rath gehalten worden in dieser Versammlung, denn Ameni fragte, erhielt Antworten und ertheilte Befehle in Bezug auf das am folgenden Tage zu feiernde Fest.
Alles schien, wohl vorbereitet und geordnet, einen stattlichen Verlauf der Feier zu verheißen, obgleich die heiligen Schreiber über den spärlichen Eingang des Opferviehs von Seiten der von harten Kriegssteuern bedrückten Bauern klagten, und diejenigen Personen in der Prozession fehlen sollten, welche ihr sonst den größten Glanz verliehen; der König und seine Familie.
Dieser Umstand erweckte die Mißbilligung einiger Priester, welche meinten, daß es bedenklich sei, die beiden in Theben weilenden Kinder des Ramses von der Theilnahme an der Feier des Festes auszuschließen.
Da erhob sich Ameni.
»Den Knaben Rameri,« sagte er, »haben wir aus diesem Hause verwiesen, Bent-Anat der Reinheit entkleiden müssen, und wenn sie der weiche Leiter des Amonstempels zu Theben auch freispricht, so mag sie für rein gehalten werden da drüben, wo man dem Leben lebt, nicht aber hier, wo es uns obliegt, die Seelen