Leichen bluten nicht - Roland Benito-Krimi 6. Inger Gammelgaard Madsen

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Leichen bluten nicht - Roland Benito-Krimi 6 - Inger Gammelgaard Madsen


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ihre Entscheidung. Die Transplantation würde hier in Dänemark vorgenommen werden, in einem medizinischen System, in das sie beide Vertrauen hatten. Kenneth Rissvang würde sich höchstpersönlich darum kümmern. Er wirkte sehr kompetent und hatte Erfahrungen in den USA gesammelt, die in vielen Dingen so weit voraus waren.

      Roland streifte die Schuhe unter dem Tisch ab, seine Strümpfe waren schweißnass. Bei dieser Hitze müssten es Sandalen sein, aber das passte nicht so richtig.

      »Wie ist es gelaufen?«, ertönte es von der Tür, die er offen hatte stehen lassen, um ein bisschen Durchzug zu schaffen. Er richtete sich in seinem Stuhl auf und versuchte, Isabella gefasst anzulächeln.

      »Gut. Es sieht so aus, dass Irene abgesehen von ihrer Lähmung in einem ausgezeichneten gesundheitlichen Zustand ist. Wie ein junges Mädchen.«

      »Das klingt doch richtig toll. Können sie ihr dann in der Privatklinik helfen?« Sie setzte sich nicht, sondern blieb vor ihm stehen wie eine gehorsame Schülerin.

      »Das wird die Zeit zeigen. Jetzt müssen wir abwarten.« Er tat, als ob er mit einigen Papieren beschäftigt wäre. »Was habt ihr über die beiden Mädchen herausgefunden?«

      »Sie haben nicht viel gemeinsam.« Mikkel, der gerade durch die Tür trat, antwortete. Isabella drehte sich überrascht um, kurz darauf kam Niels mit einigen Unterlagen herein. Sie hatten keine Zeit vergeudet, während er weg gewesen war. Die Obduktion war anscheinend auch abgeschlossen. Roland bemerkte allmählich den Wert der Position eines Vizepolizeidirektors, abgesehen von mehr Gehalt und Geld für Irenes Genesung: die anderen mit den schlimmsten Aufgaben betrauen zu können.

      »Setzt euch«, sagte Roland, dem gleich noch wärmer wurde, als sie sich wie eine Mauer um ihn herum aufstellten. Und Niels reichte fast bis zur Decke.

      »Aber es ist der gleiche Täter, daran gibt es sicher keinen Zweifel.« Niels legte Tanjas Obduktionsbericht vor ihm auf den Tisch. »Sie wurde wahrscheinlich mit dem gleichen Gegenstand misshandelt, die gleichen Verletzungen wie Maja im Unterleib auf jeden Fall, aber mit der Ausnahme, dass Tanja nicht nur verprügelt wurde, sie wurde auch erwürgt. Sie hat sich stärker zu Wehr gesetzt als Maja, das konnte Natalie an den Verletzungen erkennen. Vielleicht hatte sie noch nicht so tief geschlafen.«

      »Oder der Täter macht Fortschritte«, sagte Mikkel tonlos.

      »Konnte Natalie Spuren unter den Fingernägeln feststellen?«, fragte Roland.

      »Leider keine DNA. Tanjas Nägel waren kurz, fast abgekaut, und sie konnte vielleicht nicht sein Gesicht zerkratzen oder überhaupt die Haut. Aber Natalie hat etwas Wachsähnliches unter dem Mittelfingernagel gefunden. Die Kriminaltechniker kümmern sich gerade darum. Außerdem hatte Tanja Ekzeme auf den Armen und Händen. Aber keiner ihrer Freunde wusste etwas davon, dass sie an Ekzemen litt. Zumindest keiner von denen, mit denen ich gesprochen habe.« Niels kratzte sich das Gesicht.

      »Viele junge Leute leiden heutzutage an Allergien und Ausschlägen. Konnte Natalie sagen, welche Form von Ekzem?«

      Niels schüttelte den Kopf. »Noch nicht.«

      Roland versuchte, den Eindruck zu verbergen, den die Bilder von der Obduktion auf ihn machten. Tanja sah auf den ersten Blick schlimmer aus als Maja.

      »Sieht aus, als ob seine Brutalität zunimmt«, bestätigte Niels seine Gedanken. »Ich hoffe echt, wir finden ihn bald.«

      »Ist Kurt schon zurück?«, wollte Mikkel wissen. »Was er wohl der Presse gesagt hat?«

      Roland war froh darüber, dass sich der Vizepolizeidirektor um die Presse kümmerte. Natürlich nicht, wenn diese Position seine wurde, aber dann konnte einfach veranlasst werden, dass ein anderer diesen Part übernahm. Es fiel ihm schwer, sowohl mitten in einer Ermittlung Zeit dafür zu finden als auch ihre provokanten Fragen zu beantworten, Fragen nach dem Mörder zum Beispiel, ohne ausfallend zu werden.

      »Nein, er ist noch nicht zurück. Die Geier sind wohl dabei ihn aufzufressen. Es sind ja sogar zwei Fälle, über die sie informiert werden wollen.«

      »Ja, apropos. Was hast du bei dem Bestatter herausgefunden? Hast du etwas aus ihm herausbekommen?« Isabella versuchte ein kleines Lächeln zu verbergen. Der Fall mit diesem leeren Sarg war so spektakulär, dass es schwer war, ihn ernst zu nehmen, aber Roland bewahrte seine ernste Miene.

      »Der Bestatter ist eine Frau. Ich gebe zu, dass ich sie noch nicht gesprochen habe. Ihr Bruder hat gerade das Geschäft übernommen und wusste nichts.«

      »Es ist doch sicher auch wichtiger, diesen äußerst lebendigen Täter zu finden, oder nicht«, scherzte Mikkel.

      »Beides ist wichtig. Ich kontaktiere sie später. Heute war wohl eine Beerdigung, soweit ich das verstanden habe.«

      »Dann ist doch bloß zu hoffen, dass der Verstorbene nicht auch noch verschwindet«, spottete Mikkel.

      Roland räusperte sich.

      »Der technische Bericht über den Sarg liegt in der anderen Akte«, sagte Niels und deutete darauf.

      »Die Frage ist, wo in der Kette er verschwunden ist. Wurde er im Krankenhaus obduziert?«, fragte Isabella und setzte wieder eine professionelle Miene auf.

      »Nein, sieht nicht so aus. Es war ein Motorradunfall, daher war nicht besonders viel zu machen. Es wurde eine toxikologische Analyse durchgeführt um festzustellen, ob er Drogen oder Alkohol konsumiert hatte. Anscheinend nicht.«

      »Okay, aber sonst könnte er doch nach der Obduktion verschwunden sein«, schlug sie vor.

      Eine Weile war es ganz still. Durch das offene Fenster hörte man nur den Lärm von den Bauarbeiten am Hafen.

      »Ich werde mal mit dieser Bestatterin sprechen«, wiederholte Roland. »Es muss eine natürliche Erklärung geben. Zurück zu den Mädchen!«

      »Ja, das einzige, was sie gemeinsam haben, ist das Alter, und dass sie auf die gleiche Uni gegangen sind. Aber Tanja hat Naturgeschichte studiert und Maja Psychologie, es war also nicht das gleiche Fach. Maja sieht aus, als wäre sie sportlich gewesen, das war Tanja nicht, wir haben nicht einmal Turnschuhe bei ihr gefunden. Aber sie war kreativ. In ihrer Wohnung waren Unmengen von Fotos. Übrigens gute. Freunde und Familie bestätigen auch, dass sie Amateurfotografin auf hohem Niveau war. Aber wir haben etwas in ihren Schlafzimmern gefunden, was uns verwundert hat. Von ihrem ›das nette Mädchen‹-Typ ausgehend meine ich«, fügte Isabella hinzu.

      »Ja?«

      Roland hob interessiert die dunklen Augenbrauen.

      »Dildos.«

      Mikkel sagte das ganz trocken und nüchtern.

      »Dildos?«

      »Ja, und anderes Sexspielzeug. Sie hatten es beide gut versteckt in einer Schublade im Schlafzimmer.«

      »Tja, ist das nicht total normal für Frauen?«, fragte Kim. »Wurden sie vielleicht in demselben Geschäft gekauft?«

      »Das weiß man nicht. Die Modelle sind von den Firmen Scala und Orion, die kann man in allen Sexshops, auch im Internet, kaufen, daher ist es fast unmöglich, den Verkäufer ausfindig zu machen.«

      »Was ist mit einer Quittung für den Kauf?«, fragte Roland und fühlte sich auf diesem Wissensgebiet ganz außen vor.

      »Wir sind Ordner mit diversen Unterlagen durchgegangen, aber es war nichts zu finden«, sagte Mikkel.

      »Sowas heben Mädchen doch auch nicht auf.« Die Andeutung eines kleinen Lächelns erschien schnell wieder auf Isabellas von Lipgloss schimmernden Lippen.

      »Ach, du vielleicht nicht?« Kim stupste sie mit dem Ellbogen an und grinste leicht anzüglich.

      »Jetzt hör auf!«, Mikkel warf ihm einen warnenden Blick zu.

      Roland dachte, dass Mikkel sich wohl in seiner Männlichkeit verletzt fühlen könnte, wenn Isabella, seine Freundin, so etwas in der Schublade hätte. Vielleicht spielte er mit? Er hatte nie darüber nachgedacht, ob Irene wohl so etwas besaß. Wenn Kim meinte, dass das für


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