Das Evangelium nach Lukas. Ambrosius von Mailand

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Das Evangelium nach Lukas - Ambrosius von Mailand


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weggenommen werden wird; denn dieser „ward entrückt, daß die Bosheit sein Herz nicht verkehre"486, jene aber erfreut sich als „die herrliche, heilige, makellose, ohne Runzel"487 der Liebe Christi488; und wie unvergleichlich Besseres besagt nicht die Aufnahme des ganzen Leibes (der Kirche) als* seine* Aufnahme! Denn das ist die Hoffnung der Kirche: Sie wird in Wahrheit entrückt, auf- und hinweggenommen werden in den Himmel. Sieh, im feurigen Wagen ward Elias, wird die Kirche entrückt! Du glaubst mir’s nicht? So glaube doch wenigstens Paulus, in welchem Christus gesprochen: „Wir werden entrückt werden auf Wolken Christus entgegen in die Luft, und so werden wir immerdar beim Herrn sein"489.

       89.

      [Forts. ] Zum Aufbau der Kirche werden nun zwar viele gesendet, werden gesendet die Patriarchen, werden gesendet die Propheten, wird gesendet der Erzengel Gabriel, werden unzählige Engel abgeordnet und lobte eine Menge der himmlischen Heerschar Gott490, weil der Bau dieser Stadt herannahte: viele werden zu ihr gesendet, doch Christus allein erbaut sie. Freilich nicht allein ist er, weil auch der Vater dabei ist491. Und wenn er allein baut, so spricht er doch das Verdienst dieses so herrlichen Baues nicht allein an492. Vom Tempel Gottes, den Salomo baute, dem Vorbilde der Kirche, steht geschrieben, daß es siebzigtausend waren, die auf den Schultern trugen, und achtzigtausend Steinhauer493. Möchten jene Engel kommen! Möchten Behauer der Steine kommen! Möchte das Überflüssige an unseren Steinen weggehauen, das Rauhe geglättet werden! Möchten auch Schulterträger kommen! Denn es steht geschrieben: „Auf den Schultern werden sie getragen werden"494.

       90.

      So kam denn Christus zu Johannes ― das übrige habt ihr ja vernommen ― er kam zur Taufe des Johannes495. Doch die Taufe des Johannes bedeutete Buße über die Sünden496. Darum „wehrte es ihm Johannes und sprach: Ich habe nötig von Dir getauft zu werden, und Du kommst zu mir?"497 Warum kommst Du zu mir, der Du keine Sünde hast? Nur der hat die Taufe nötig, der Sünde hat. Warum soll der, „welcher keine Sünde getan hat"498, nach dem Bußbade verlangen? „Laß es jetzt" ― d. i. da die Kirche erbaut wird ― „geschehen", lautet die Antwort; „es geziemt uns jegliche Gerechtigkeit zu erfüllen"499. Was anders ist Gerechtigkeit als Barmherzigkeit? Denn „er teilt aus und gibt den Armen; seine Gerechtigkeit währt ewiglich"500. Er gab mir Armen, er gab mir Dürftigen die Gnade, die ich zuvor nicht besaß. ― „Seine Gerechtigkeit währt ewiglich." Was bedeutet Gerechtigkeit als erst selbst tun, was man von anderen verlangt, und mit seinem Beispiel andere anspornen? Was besagt Gerechtigkeit, als daß der Fleischgewordene als Gott die Gesinnung und den Dienst des Fleisches nicht ausschloß, sondern als Mensch das Fleisch überwand, um mich Überwindung zu lehren? Er lehrte nämlich, wie ich den mit irdischen Lastern vermengten Unrat des verderbten Fleisches für das Sündenleben begraben, für das Tugendleben verjüngen soll.

       91.

      O wahrhaft göttliche Fürsorge des Herrn selbst in seiner Niedrigkeit! Denn je tiefer seine Niedrigkeit, umso göttlicher seine Vorsehung. Aus der Bitterkeit seiner Leiden bricht hervor der Strahl seiner Gottheit, und in der Anwendung seiner Heilmittel ― er selbst bedurfte keiner Heilmittel ― erweist sich seine Gottheit. Wenn niemand die Gnadentaufe zurückweist, nachdem Christus die Bußtaufe nicht zurückgewiesen: was trüge so sehr den Stempel des Göttlichen zur Aneiferung des Volkes? Niemand spreche, er sei frei von Sünde, nachdem Christus zum Heilbade der Sünden gekommen! Wenn er unsertwegen sich abgewaschen oder vielmehr uns in seinem Leibe abgewaschen hat, wieviel mehr müssen wir unsere eigenen Sünden abwaschen? Durch welche Tat denn, durch welches Geheimnis hätte Gott, wiewohl „Gott in allem"501 sich mehr (als solcher) erwiesen als damals, da er über die ganze Welt, soweit nur das Menschengeschlecht reicht, über die trennenden Grenzen und Marken der Länder hinweg in* einem* Augenblick, in* einem* Leib das Unheil der alten Verirrung tilgte, die Gnade des Himmelreiches ausgoß? Einer tauchte hinab (ins Taufbad), doch alle hob er daraus; einer stieg hinab, daß wir alle heraufstiegen; einer nahm die Sünden aller auf sich, daß in ihm die Sünden aller abgewaschen würden. Reiniget euch denn, wie der Apostel mahnt502, da jener für euch sich reinigte, welcher der Reinigung nicht bedurfte! Soviel, was uns betrifft.

       92.

      Jetzt laßt uns das Geheimnis der Trinität ins Auge fassen! Ein Gott ist, sagen wir. Doch den Vater bekennen wir und den Sohn bekennen wir. Denn ob auch geschrieben steht: „Du sollst den Herrn deinen Gott lieben und ihm, dem Alleinigen, dienen"503, versicherte doch der Sohn, er sei nicht allein, indem er bekannte: „Doch ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir"504. Auch im gegenwärtigen Augenblick ist er nicht allein; denn es beteuert der Vater, daß er da ist. Da ist auch der Heilige Geist; denn die Trinität läßt sich nimmer voneinander trennen. Daher denn auch: „Es öffnete sich der Himmel, herab stieg der Heilige Geist in leiblicher Gestalt gleich einer Taube". Wie also können die Häretiker behaupten, er sei allein im Himmel, nachdem er nicht allein auf Erden ist? Beachten wir genau das Geheimnis! Warum „gleich einer Taube"? Einfalt fordert die Taufgnade: „einfältig sollen wir sein wie die Taube"505. Friede fordert die Taufgnade: ihn brachte einstens im Alten Bunde die Taube im Sinnbilde (des Ölzweiges) zurück zur Arche, die allein von der Sintflut verschont blieb. Er, der jetzt in Gestalt der Taube herabzusteigen sich würdigte, lehrte mich, wessen Vorbild jene Taube war; er lehrte mich, daß jener Zweig, jene Arche ein Vorbild des Friedens und der Kirche darstellte, insofern selbst inmitten der die Welt heimsuchenden Sintflut der Heilige Geist seiner Kirche die Segensfülle des Friedens entgegenbringt. Auch David lehrte es, der mit prophetischem Geiste das Geheimnis der Taufe schaute und ausrief: „Wer wird mir Flügel geben gleich der Taube?"506

       93.

      [Forts. ] Es kam herab der Heilige Geist. Beachte jedoch das Geheimnis! Er kam herab auf Christus; denn „alles ist durch ihn geschaffen worden" und „hat in ihm seinen Bestand"507. Doch sieh den gütigen Herrn! Er allein unterzog sich den Leiden, er allein verlangte nicht Gnade und Erbarmen. ― Und wo508 hat (der Heilige Geist) die Kirche gebaut? „Ich werde, heißt es, den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Tröster geben, damit er bei euch bleibe in Ewigkeit, den Geist der Wahrheit, welchen diese Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und ihn nicht kennt"509. Mit Recht denn zeigte er sich in körperlicher Gestalt, da er in der göttlichen Wesenheit unsichtbar ist.

       94.

      Wir haben den Geist geschaut, doch nur in körperlicher Gestalt: so laßt uns auch den Vater schauen! Doch da wir ihn nicht schauen können, so laßt uns ihn hören! Denn der gütige Gott ist da, er wird seinen Tempel nicht verlassen. Er will jede Seele ausbauen, will sie zum Heile unterweisen, will lebendige Steine von der Erde zum Himmel hinaufnehmen. Er liebt seinen Tempel: so laßt auch uns ihn lieben! Laßt uns, wenn wir ihn lieben, seine Gebote halten!510 Laßt uns, wenn wir ihn lieben, ihn erkennen! Denn „wer sagt, er kenne ihn, und seine Gebote nicht hält, ist ein Lügner"511. Wie könnte auch einer Gott lieben, der die Wahrheit nicht liebt, da doch Gott die Wahrheit ist?512 Laßt uns also den Vater hören! Denn er ist unsichtbar513. Aber auch der Sohn ist seiner Gottheit nach unsichtbar; denn „Gott hat niemand gesehen"514. Da nun der Sohn Gott ist, ist er eben darum als Gott unsichtbar. Doch er wollte sich im Leibe zeigen. Und weil der Vater keinen Leib trug, darum wollte der Vater uns beweisen, daß er im Sohne zugegen ist, indem er beteuerte: „Mein Sohn bist du, an dir habe ich mein Wohlgefallen". Willst du es vernehmen, daß der Sohn immerdar beim Vater ist, so lies, was des Sohnes Stimme spricht: „Steige ich zum Himmel hinauf, so bist Du da; steige ich zur Unterwelt hinab, bist Du da"515. Verlangst du ein Zeugnis vom Vater, so hast du es von Johannes vernommen. Vertraue ihm, dem Christus zur Taufe sich anvertraute; dem der Vater mit der Stimme vom Himmel den Sohn empfahl mit den Worten: „Dies ist mein Sohn, der geliebte, an welchem ich mein Wohlgefallen habe"516.

       95.


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