Ein Lord wie kein anderer. Inka Loreen Minden

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Ein Lord wie kein anderer - Inka Loreen Minden


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seinen Nachnamen nicht mehr tragen!«, spie sie ihm energisch entgegen und murmelte kurz darauf: »Entschuldigung.«

      Sie wirkte so verzweifelt, dass er es nicht übers Herz brachte, ihr eine Absage zu erteilen. Emily würde wahrscheinlich auch nirgendwo anders eine Anstellung bekommen. Es gab sehr viel mehr Frauen, die als Nannys oder Gouvernanten arbeiten wollten, als freie Stellen. Smithers hatte bereits an der Haustür eine Vorauswahl getroffen und allein heute sicherlich hundert verzweifelte Frauen abgewiesen.

      Ja, er würde Emily einstellen. Außerdem brannte er darauf, ihre ganze Geschichte zu hören, denn da steckte mehr dahinter, als sie zugab.

      Im Moment genoss er jedoch einfach nur ihre Nähe und dass sie miteinander redeten, fast so wie früher. Emily machte keine Anstalten, ihre Hände zurückzuziehen, und ließ diese Intimität zu. Wie lange hatten sie sich nicht mehr gesehen? Eine gefühlte Ewigkeit …

      Sie hatten sich völlig aus den Augen verloren, als Vater ihn für ein paar Jahre auf die Militärakademie in Sandhurst geschickt hatte. Als Daniel heimkam, waren seine Eltern längst aus dem Stadthaus gezogen und in ihre frisch renovierte Villa zurückgekehrt, die nun ihm gehörte, wie alles, was Vater ihm hinterlassen hatte. Er musste sich keine Sorgen um seine Zukunft machen und wollte sich nicht ausmalen, wie sich Emily jetzt fühlte. Sie schien wirklich alles verloren zu haben.

      »Du hast also keine Kinder?«, fragte er vorsichtig. Sie könnte vielleicht eine Tochter haben, so wie er. Immer noch hielt er ihre Hände in seinen, aber mittlerweile hatten sich ihre Finger entspannt.

      Sanft schüttelte sie den Kopf.

      Das erleichterte ihn ein wenig. Sie musste sich nur um sich kümmern. »Wieso möchtest du denn ausgerechnet als Nanny arbeiten? Hast du Übung im Umgang mit kleinen Kindern?«

      Ihre Miene erhellte sich. »Ich habe dem Kindermädchen meiner Freundin mit den Zwillingen geholfen. Sie konnte in den ersten Jahren jede zusätzliche Hand gebrauchen.«

      Bestimmt hatte Emily viel Erfahrung sammeln können. Seine Tochter war kein Baby mehr, krabbelte längst und versuchte auch schon die ersten Schritte, wie Lizzy ihm erzählt hatte. »Bist du dir wirklich ganz sicher, für mich arbeiten zu wollen?«

      »Ich könnte diese Anstellung sehr gut gebrauchen«, sagte sie leise, ohne ihn anzusehen. »Ich weiß, dass du Angst vor einem Skandal hast, und ich kann dich verstehen, wenn du mich nicht möchtest. Ich kann dir auch nicht versichern, dass mich wirklich niemand erkennt.«

      »Erzähle mir noch etwas über deinen Mann«, bat er sie. Daniel musste einfach mehr über ihre Lage erfahren.

      Kurz biss sie sich auf die Unterlippe, wie damals als Mädchen, wenn sie ihm etwas gebeichtet hatte. »Edward hat mich zu Beginn unserer Ehe nur selten zu gesellschaftlichen Anlässen mitgenommen, und die letzten Jahre vor seinem Tod haben wir ausschließlich auf dem Land gelebt, da er sein eigenes Stadthaus vermietet hat. Ich habe erst später erfahren, dass er das Stadthaus meiner Eltern längst an einen anderen Spieler verloren hatte. Den ehemaligen Möbelhandel meines Vaters, den Edward weiterführen sollte, hat er in die Hände eines unfähigen Mannes gegeben, damit er sich auf dem Land ein gemütliches Leben machen konnte. Dort … verstarb er dann plötzlich.« Sie hüstelte leise und mied seinen Blick. »Seit drei Jahren lebe ich nun bei meiner Freundin Claire, und bisher hat sich niemand an mich erinnert. Außer Claire und dir hatte ich auch keine engeren Freunde. Da ich mich viel um Claires Kinder gekümmert habe, hielt mich ohnehin schon jeder für ihr Kindermädchen und ich war für alle nur Mrs Rowland.«

      Schweigend blickte Daniel zu ihr auf und ließ sich ihre Geschichte durch den Kopf gehen. Seine Mutter hatte damals vielleicht ihren Freundinnen von Emilys Heirat erzählt. Doch von diesen Ladys lebte fast keine mehr. Womöglich könnte ihre Täuschung funktionieren. Er tat Em einen Gefallen und hätte endlich eine Nanny für Sophia. Zwar hatte er noch so viele Fragen an Emily, doch gerade wollte er ihre Demütigung nicht verstärken. Er sah, wie sehr sie unter ihrer Vergangenheit litt. Daniel kannte genug Geschichten von Spielern, die alles verloren hatten und deren Frauen auf der Straße gelandet waren. Em hatte solch ein Schicksal nicht verdient, und er war heilfroh, dass ihre Freundin sie aufgefangen hatte. Daniel wollte ihr plötzlich helfen, aber er würde sich auch umhören, um mehr über sie und ihren Mann zu erfahren. Daniel vertraute ihr, das hatte er bereits früher schon, und auch jetzt erkannte er in ihren grünbraunen Augen, dass ihr Herz immer noch auf dem rechten Fleck saß.

      Er drückte ein letztes Mal ihre zarten Finger, stand auf und kehrte zu seinem Schreibtisch zurück. »Du bist eingestellt und kannst gleich nächsten Montag anfangen.«

      Erst teilten sich vor Erstaunen ihre Lippen, doch dann lächelte sie aus vollem Herzen, als könnte sie ihr Glück kaum fassen. »Danke, Daniel, du bist der Beste!« Da drückte sie sich die Hand an die Brust und sagte erschrocken: »Ich meinte … Lord Hastings!«

      »Bitte nenn mich Daniel«, murmelte er rau. »Wenigstens, wenn wir unter uns sind.« Er musste verrückt sein, ihr diese vertraute Anrede anzubieten, aber alles andere fühlte sich falsch an. Er wollte Emily helfen, und vielleicht ergab sich die Möglichkeit, einen neuen Mann für sie zu finden, einen, der kein Spieler war und ihr ein sicheres Leben bieten konnte. Daniel hatte da auch schon jemanden im Auge.

      Er verkniff sich ein Schmunzeln, weil er sich beinahe wie seine Mutter verhielt, die alte Kupplerin. Zuerst wollte er ohnehin sehen, wie Emily mit seiner Tochter umgehen konnte, und um ehrlich zu sein, war er froh, dass sie sich bei ihm beworben hatte. Alle anderen Kindermädchen wären auf keinen Fall in Frage gekommen.

      Es würde wohl eine Weile dauern, bis er eine gute Nanny auftreiben konnte. Die Zeit würde er also nutzen, um seiner Freundin aus Kindheitstagen zu neuem Glück zu verhelfen. Tatsächlich freute sich Daniel auf diese Aufgabe, denn die würde ein bisschen Abwechslung in sein trostloses Arbeitsleben bringen. Die Verwaltung seiner Ländereien langweilte ihn, auch wenn sie sein Einkommen sicherte, und auf einer Soiree oder auf sonstigen Veranstaltungen hatte er sich nach Imogens tragischem Tod kaum noch blicken lassen. Immerhin wurde es auch für ihn langsam Zeit, sich nach einer neuen Frau umzusehen. Er arbeitete schließlich nicht so viel, um sowohl sein Vermögen als auch seinen Titel einmal mit ins Grab zu nehmen – beziehungsweise seinem phlegmatischen Cousin zu überlassen.

      Daniel wusste nicht, ob er seine Gattin wirklich von ganzem Herzen geliebt hatte, aber er vermisste sie, genau wie ihren klugen Verstand und die gemeinsamen Gespräche zu den Mahlzeiten. Imogen war wie eine Freundin für ihn gewesen, wie ein guter Kamerad, der ihn viele Jahre lang treu und zuverlässig begleitet hatte. Sie hatten sich gegenseitig respektiert und es hatte so gut wie nie Streit zwischen ihnen gegeben. Das konnten nicht viele Paare von sich behaupten, deren Ehen von den Eltern arrangiert worden waren.

      Vielleicht fand er ja in Emily eine neue Gesprächspartnerin. Früher hatten sie sich schließlich auch über alles unterhalten können. Womöglich hatte ihm der Himmel Emily geschickt – oder der Geist seiner Imogen – damit er endlich aus seinem Schneckenhaus kroch.

      Kapitel 4 – Abschied von Claire

      »Weiß der Earl, dass du vermutest, Edward könne seinen Titel gefälscht haben und gar kein echter Adliger gewesen sein?«, fragte ihre Freundin Claire leise, als sie gemeinsam die Treppen nach unten in die kleine Eingangshalle schritten. Emilys Tasche mit ihren wenigen Habseligkeiten befand sich bereits in der Kutsche, die mit Claires Fahrer auf der Straße wartete, um sie nach Mayfair zu Daniel zu bringen.

      Ihr Herz bebte und sie flüsterte aufgeregt: »Er darf niemals davon erfahren! Keiner darf das.«

      Ihr war es einerseits schrecklich peinlich, einem Betrüger aufgesessen und so tief gefallen zu sein. Andererseits wollte sie ihre Eltern, die diese Ehe arrangiert hatten, post mortem nicht entehren. Emily wollte einfach nur alles vergessen und nicht erkannt werden, um nie wieder an Edward und die Schmach erinnert zu werden.

      Claire drückte kurz ihre Hand. »Dein Geheimnis wird auf ewig bei Kenneth und mir sicher sein.«

      Emily vertraute Claires Gatten. Er war ein fleißiger, ehrlicher Geschäftsmann, der seine Frau vergötterte, und


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