Ein Lord wie kein anderer. Inka Loreen Minden

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Ein Lord wie kein anderer - Inka Loreen Minden


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Zopf geflochten hatte, auf dem Boden. Emily schätzte sie auf höchstens zwanzig Jahre. Vor ihr saß ein kleines schwarzhaariges Mädchen, das mit Buchstabenwürfeln spielte. Das musste die einjährige Sophia sein. Mit dem runden Gesicht und den leicht geröteten Pausbacken sah sie wie ein Engelchen aus. Ob sie ihrer Mutter ähnelte? Das leicht störrische Kinn und das dunkle Haar schien sie auf jeden Fall von Daniel geerbt zu haben.

      Als Emily eintrat, stand die Frau sofort auf und begrüßte sie. »Sie müssen Mrs Rowland sein. Ich bin Lizzy Brooks, Sophias Nanny.« Eine kleine Tasche, ähnlich wie die von Emily, stand an der Tür des Zimmers.

      Emily reichte ihr die Hand. »Sehr erfreut, Lizzy.«

      Die junge Frau machte einen lieben Eindruck und erklärte ihr den Tagesablauf mit Sophia und weitere Dinge. Emily erfuhr, dass Lizzy diese Anstellung schweren Herzens aufgeben musste, damit sie sich um ihre kranke Mutter kümmern konnte. Mit dem Gehalt, das sie in einem Jahr verdient hatte, würde sie wohl eine Weile auskommen. Wie ihr die junge Frau außerdem verriet, hatte Daniel ihr sogar noch einen Bonus gezahlt.

      »Der Earl ist ein wirklich edler Mensch«, erzählte sie Emily. »Ihnen wird es hier gefallen.« Lizzy wies auch darauf hin, dass Lord Hastings jeden Tag, nachdem er seinen Tee im Blauen Salon eingenommen hatte, einen kurzen Bericht über Sophias Entwicklung erwartete.

      Emily runzelte die Stirn. Daniel konnte doch selbst sehen, wie weit seine Tochter bereits entwickelt war? Sicher wollte er diese zauberhafte kleine Lady, die in ihrem Puffärmelkleid wie eine Prinzessin aussah, so oft im Arm halten wie möglich. Allerdings wusste sie, dass sich vor allem der Hochadel nicht wirklich um die Erziehung seiner Kinder kümmerte, sondern diese allein in die Hände der Nanny und später der Gouvernante legte. Emily fände es schade, wenn es bei Daniel auch so wäre. Sie war ihren Eltern heute noch dankbar, dass diese sie nicht völlig von der Welt der Erwachsenen abgeschottet hatten.

      Die Frage lautete eher: Wo befand sich der Blaue Salon? Die Villa war riesig! Emily würde sich erst einmal zurechtfinden müssen.

      Sie verwarf den Gedanken an das große Haus, weil Lizzy unaufhörlich redete. »Und das hier ist Sophias Lieblingsbuch, Mrs Rowland.« Das Kindermädchen hielt ihr eine vergilbte Ausgabe von »Das Leben und die Abenteuer einer Maus« entgegen.

      »Oh, das mochte ich als Kind auch sehr gerne.« Das zerfledderte Heft enthielt die autobiografische Erzählung der Maus Nimble, die über ihre Begegnungen mit frechen Kindern und deren gemeine Scherze berichtete. Die Geschichte handelte von Tapferkeit und dass man Tieren gegenüber Respekt zeigen und ihnen keine Blechdosen an den Schwanz binden sollte. Zum Entsetzen ihrer Mutter hatte Emily damals drei Mäuschen in ihrem Puppenhaus wohnen lassen und sie mit Käse gefüttert, den sie aus der Küche stibitzt hatte. Danach hatte ihre Mutter das Buch verbrannt, worüber Emily sehr traurig gewesen war.

      »Am liebsten bekommt sie vor dem Einschlafen vorgelesen«, erzählte Lizzy weiter. »Wir sitzen dabei zusammen in meinem Bett, und wenn sie eingenickt ist, lege ich sie in ihres, lasse die Tür offen und ein kleines Licht brennen. Manchmal schleicht sie sich nämlich wieder zurück zu mir oder ruft, damit ich sie hole.«

      Emily stellte es sich schön vor, ein solch süßes, kleines Wesen bei sich liegen zu haben, das ihren Schutz suchte und mit ihr kuschelte. Ihr Herz verkrampfte sich schmerzhaft, weil sie das nie mit einem eigenen Kind erleben würde.

      »Und nun zu dir, kleine Lady«, sagte Lizzy sanft und wischte sich schnell über die Augen. »Sei schön lieb zu Mrs Rowland und iss immer brav dein Gemüse auf.«

      Sophia blickte sie nur aus großen Augen an und hielt ihr einen Buchstabenwürfel hin. Als Lizzy ihn nicht nahm, sondern ihr stattdessen einen Kuss auf die Stirn drückte und aufstand, streckte die Kleine die Ärmchen in die Luft und schob ihre Unterlippe vor.

      Samuel und Melissa, Claires Zwillinge, hatten auch mal so süße Patschehändchen besessen. Nun waren sie aber schon richtig groß im Gegensatz zu Sophia. In den ersten Lebensjahren sahen Kinder beinahe jeden Tag ein wenig anders aus. Beim nächsten Besuch bei Claire würde Emily die Kleinen wohl kaum noch erkennen. Sie wuchsen einfach viel zu schnell.

      »Du kannst diesmal leider nicht mitkommen.« Lizzy wandte sich schnell von dem Mädchen ab und blinzelte neue Tränen aus den Augen. Der Abschied fiel ihr sichtlich schwer, was Emily nicht verwunderte, denn die junge Frau hatte beinahe ein Jahr lang Tag und Nacht mit dem Kind verbracht. Emily vermisste Melissa und Samuel ebenfalls.

      Zittrig lächelte Lizzy sie an. »Das süße Engelchen wird mir schrecklich fehlen. Bitte geben Sie gut auf sie acht, Mrs Rowland.«

      »Das verspreche ich«, sagte Emily und blickte Lizzy nach, wie sie aus dem Zimmer eilte. Im Flur redete sie mit jemandem, und sie glaubte, die Stimme von Henry zu hören, der sagte: »Ich nehme deine Tasche …«

      Emily atmete tief durch und hoffte, dass sie der Aufgabe wirklich gewachsen war. Damit meinte sie nicht nur die Versorgung des Kindes, sondern vor allem mit Daniel unter einem Dach zu wohnen. Hoffentlich verliebte sie sich nicht wieder rettungslos in ihn. Vermutlich würde das jedoch eher nicht passieren. Edward hatte ihr gezeigt, dass sich hinter einer schönen Fassade etwas Fauliges verstecken konnte. Darauf wollte sie nie mehr hereinfallen.

      Kapitel 5 – Das neue Kindermädchen

      Daniel hatte, wie so oft im letzten Jahr, unruhig geschlafen und war bereits aufgestanden, als Emily mit einem Zweispänner vor seiner Villa ankam. Er beobachtete sie, verborgen hinter dem Vorhang, und trat nur einmal kurz zurück, als sie den Kopf in den Nacken legte, um unter ihrem Hut zu ihm aufzusehen. Sie konnte ihn jedoch unmöglich bemerkt haben. Dennoch flatterte sein Magen.

      Sie trug, wie schon bei ihrem letzten Besuch, ein gerade geschnittenes Kleid mit einer hohen Taille – diesmal in Pastellblau mit Blümchenmuster, soweit er das erkennen konnte. Der Ausschnitt war gerade so tief, um zu erahnen, welch wohlgeformte Brüste sie besaß. Darüber hatte sie eine kurze, eng anliegende Jacke an, die farblich zu ihrem Kleid passte.

      Hatte sie sich bewusst nicht für weißen Stoff entschieden? Weiß galt als Zeichen von Reichtum – mit dem eine Nanny gewiss nicht gesegnet war. Mit ihrem ernsten Gesichtsausdruck und ihrer steifen Haltung wirkte sie jedoch eher wie eine Gouvernante aus gutem Hause.

      Obwohl sie außerordentlich züchtig angezogen war, erregte ihn ihr Auftreten. Ob sie unter ihrer braven Kleidung immer noch so wild und gleichzeitig zutraulich war wie als kleines Mädchen? Seine Kehle wurde plötzlich trocken, und am liebsten wäre er nach unten geeilt, um Emily in sein von der Nacht zerwühltes Bett zu holen.

      Hastig wich er zurück, weil ihn seine unanständigen Gedanken schockierten, und machte zwanzig Liegestütze, bevor er sich fertig anzog. Sein Butler Smithers hatte ihm wie an jedem Morgen im Ankleidezimmer frische Kleidung und sein Rasierzeug bereitgelegt. Normalerweise wäre das die Aufgabe eines Kammerdieners, aber Daniel beschäftigte keinen Valet. Seit er auf der Militärakademie gewesen war, rasierte er sich selbst und zog sich auch eigenständig an.

      Er beeilte sich, um rechtzeitig in die Eingangshalle zu gelangen, um sich von seiner bisherigen Nanny zu verabschieden. Lizzy Brooks hatte seine Tochter hervorragend erzogen, und Daniel hatte nichts an ihr auszusetzen gehabt. Hoffentlich machte Emily den Job genauso gut. Er wollte sie nur ungern entlassen.

      Nachdem Lizzy gegangen war, beschloss er, gleich einmal nach Emily zu sehen. Daniel nahm immer zwei Stufen auf einmal, bis er im Dachgeschoss ankam. Die Tür zum Kinderzimmer war nur angelehnt, weshalb Emilys Stimme sowie das leise Quengeln seiner Tochter an seine Ohren drangen.

      »Ich weiß, dass du Lizzy schrecklich vermissen wirst«, sagte Em liebevoll, »aber wir beide werden bestimmt auch gut miteinander auskommen. Weißt du, dass wir sogar etwas gemeinsam haben?«

      Daniel lugte durch den Spalt, wobei er aufpasste, dass ihn keines der Hausmädchen erwischte, wie er spionierte. Doch die meisten waren jetzt damit beschäftigt, die Zimmer herzurichten, zu putzen oder seiner Köchin zu helfen.

      Emily saß auf einem kleinen Kinderstuhl und zog Sophia auf ihren Schoß. In der Hand hielt sie ein ramponiert aussehendes


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