Das Geheimnis der Madame Yin. Nathan Winters

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Das Geheimnis der Madame Yin - Nathan Winters


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Geschichte nicht verfolgt, aber nein … ich glaube nicht.“

      „Wenn das so ist: Halten Sie es dann für klug, Dorothea ausgerechnet jetzt zurückzuholen?“

      „Ich verstehe nicht, was Sie mir damit sagen wollen.“ Ellingsford tippte seine Fingerspitzen gegeneinander. „Sie sollten wissen, dass in dieser Stadt ständig Menschen zu Tode kommen. Das ist zu meinem Leidwesen nichts Ungewöhnliches. Und natürlich ist der Tod der jungen Miss Wiggins tragisch, wirklich, doch ich habe es kommen sehen.“

      Celeste spürte, wie sich ihr ganzer Körper verkrampfte und ihre Fingerspitzen zu kribbeln begannen. Ellingsfords gleichgültige Art machte sie wütend. „Wieso haben Sie es kommen sehen?“

      „Nun, sie hatte zahlreiche Liebschaften mit recht zweifelhaften Gentlemen. Aus diesem Grund hatte ich Dorothea auch verboten, weiter Kontakt zu dieser Person zu halten.“

      „Was für Gentlemen? Was für Liebschaften? Woher wissen Sie das alles eigentlich so genau?“

      „Man hört so einiges.“

      „Ach, also beziehen sich Ihre Aussagen lediglich auf Gerüchte? Sie glauben tatsächlich das, was andere Ihnen vorplappern?“

      Ellingsford sagte nichts, durchbohrte sie aber mit seinen Blicken.

      Die Luft zwischen ihnen summte förmlich, bis Celeste das stumme Kräftemessen beendete und sagte: „Ihre Schwester macht sich wirklich Sorgen.“

      „Meine Schwester hat sich schon immer um Dinge gekümmert, die sie nichts angehen. Offenbar eine Schwäche, die Sie mit ihr teilen.“

      Celeste verbiss sich einen bitteren Kommentar und zwang sich zu einem Lächeln. „Uns interessiert eben, was sich hinter dem Vorhang verbirgt, Lord Ellingsford. Dürfte ich Ihnen einen Vorschlag machen?“

      Er sah sie skeptisch an, nickte dann aber zögerlich.

      „Dorothea wird Angst haben und traurig sein, wenn sie von Estelles Tod erfahren sollte, und das wird sich wohl kaum vermeiden lassen. Sie kennt mich und ich glaube, sie vertraut mir. Ich würde auf sie aufpassen und dafür sorgen, dass sie nicht wieder in die Nähe irgendwelcher Opiumhöhlen kommt. Es wird sicherlich eine schwere Zeit für sie.“

      Ellingsford nahm sich Zeit für seine Antwort. Langsam ging er im Wintergarten auf und ab, tippte sich mit den Fingerspitzen an die Lippen und betastete gedankenverloren die rot gesprenkelten Blüten einer Orchidee. Schließlich sagte er: „Auch wenn ich Ihre unverschämte Art nicht gutheißen kann, möchte ich mir trotzdem nicht nachsagen lassen, dass ich nicht das Beste für meine Tochter will. Ich werde mit ihr sprechen und wenn sie Ihre Gesellschaft wünscht, gestatte ich Ihnen zu bleiben.“

      „Ich bin einverstanden.“ Als ob sie eine Wahl gehabt hätte.

      Sie wollten den Wintergarten gerade verlassen, als sich Schritte näherten und eines der Hausmädchen zwischen den geöffneten Türflügeln erschien. „Verzeihen Sie die Störung, Eure Lordschaft“, sagte das Mädchen und knickste.

      „Ja, was gibt es denn, Francine?“

      „Mr. Bradshaw ist hier. Er sagt, er bringt die Gemälde.“

      Ellingsford sah auf seine Uhr. „Um diese Zeit noch?“ Er klappte den Deckel zu, schob die Uhr wieder in die Westentasche. „Na schön. Bitten Sie ihn herein.“

      In der Halle trafen sie auf Ellingsfords Besucher, einen älteren Mann mit dunklem Bart und schütterem Haar. Er trug einen bereits sichtlich in die Jahre gekommenen Anzug, dessen Revers und Ärmel ein paar schlecht entfernte Farbflecke aufwiesen.

      „Mr. Bradshaw. Was für eine Überraschung, zu so später Stunde.“

      „Ich hoffe, mein Besuch kommt nicht ungelegen? Nur … ich war gerade in der Gegend und …“

      „Nein, nein, seien Sie unbesorgt.“ Ellingsford lenkte die Aufmerksamkeit auf Celeste. „Das ist Miss Summersteen, aus Amerika. Mr. Bradshaw, ein Freund des Hauses.“

      „Amerika? Was für ein faszinierendes Land. Diese unendliche Weite, die sich im Himmel zu verlieren scheint.“ Bradshaw nahm ihre Hand und deutete einen Kuss an.

      „Sie waren schon einmal da?“

      „Nein. Aber ich habe Gemälde bewundern dürfen, die versuchten die Schönheit des Landes wiederzugeben. Ist es wahr, dass dort Menschen mit roter Haut leben? Sie sollen sich in Lederhäute kleiden und in spitzen Häusern leben, die sie innerhalb kürzester Zeit abbauen können.“

      „Ja, das stimmt. Man nennt sie Tipis.“

      „Faszinierend. Was für ein wunderbar göttliches Geschöpf der Mensch in seiner Vielfältigkeit doch ist.“

      „Es sind Heiden, die unseren Gott nicht kennen“, tat Ellingsford seine Meinung kund und schlug die Tücher beiseite, die die Gemälde verhüllten.

      Das eine zeigte eine Seenlandschaft, mit einer Burgruine auf einem Hügel, umgeben von Strauchwerk und Tannen. Ein paar Jäger zu Pferd, die von einem Rudel Hunde begleitet wurden, brachen aus dem Tannengrün heraus.

      Das andere Bild war ein Portrait von Dorothea, in einem wundervollen roten Kleid mit weißen Blumenstickereien. Sie trug das Haar kunstvoll geflochten und mit einer silbernen Spange hochgesteckt. In der Hand hielt sie eine Leine. Ein Irish Setter saß zu ihren Füßen. „Was für wunderbare Gemälde“, sagte Celeste, die zwar nicht viel von Kunst verstand, aber recht genau wusste, was ihr gefiel.

      „Ich werde das Kompliment gerne weiterreichen. Albert ist äußerst begabt. Ich könnte mir keinen besseren Assistenten wünschen.“ Während Bradshaw das sagte, zeigten sich Sorgenfalten auf seiner Stirn, die Celeste nicht verborgen blieben.

      „Bedrückt Sie etwas?“

      „Miss Summersteen, bitte. Mr. Bradshaw ist sicher nicht hergekommen, um von Ihnen verhört zu werden.“

      Bradshaw winkte ab. „Nein, nein, es ist schon gut, Eure Lordschaft. Es stört mich nicht. Sie hat ja recht. Ich bin in Sorge. Albert ist seit ein paar Tagen verschwunden und es ist nicht seine Art, einfach ohne ein Wort der Erklärung fortzubleiben.“

      „Glauben Sie, ihm ist etwas zugestoßen?“

      „Ich kann es wirklich nicht sagen.“

      „Haben Sie denn mit der Polizei gesprochen?“

      „Ja, bereits heute Morgen. Sie werden die Augen offen halten.“

      „Dann ist die Sache ja geregelt“, mischte sich Ellingsford ein. „Ich danke Ihnen, mein lieber Freund. Einen besseren Zeitpunkt hätten Sie nicht wählen können. Dorothea wird das Bild sicher sehr gefallen. Ich werde meine Bank anweisen …“

      Bradshaw fiel ihm ins Wort. „Miss Dorothea ist zurück von ihrer Reise?“

      „Ja, seit etwa einer Stunde.“

      „Wenn Sie gestatten, würde ich ihr gerne meine Aufwartung machen.“

      „Ein anderes Mal, alter Freund. Sie ist erschöpft. Die lange Reise. Ich hoffe, Sie verstehen das?“

      „Aber natürlich. Ein anderes Mal.“ Bradshaw schien enttäuscht. Er nahm Celestes Hand und deutete einen Handkuss an. „Es war mir eine Freude, Sie kennenzulernen. Wenn Sie mich einmal in meinem Geschäft aufsuchen möchten, wäre ich hoch erfreut, Ihnen zu Diensten sein zu können. Hier, meine Visitenkarte.“

      Dann schüttelte er Ellingsford die Hand und verließ das Haus.

      „Francine“, sagte Ellingsford. „Sind die Ladyschaft und meine Tochter noch im Salon?“

      Sie knickste. „Nein, Sir. Sie haben sich nach oben zurückgezogen. Ihre Ladyschaft war erschöpft.“

      „Hmm. Das überrascht mich nicht. Sie war so aufgeregt, dass sie ihre Ruhepausen nicht eingehalten hat.“

      Celeste folgte Ellingsford hinauf in die erste Etage. Sie sprachen kein weiteres Wort mehr und so hatte


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