Faust. Der Tragödie erster Teil. Johann Wolfgang von Goethe

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Faust. Der Tragödie erster Teil - Johann Wolfgang von Goethe


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und Zweit nicht wär,

      Das Dritt und Viert wär nimmermehr.

      Das preisen die Schüler aller Orten,

      Sind aber keine Weber geworden.

      Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben,

      Sucht erst den Geist herauszutreiben,

      Dann hat er die Teile in seiner Hand,

      Fehlt, leider! nur das geistige Band.

      Encheiresin naturae nennts die Chemie,

      Spottet ihrer selbst und weiss nicht wie.

      schüler . Kann Euch nicht eben ganz verstehen.

      mephistopheles . Das wird nächstens schon besser gehen,

      Wenn Ihr lernt alles reduzieren

      Und gehörig klassifizieren.

      schüler . Mir wird von alledem so dumm,

      Als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum.

      mephistopheles . Nachher, vor allen andern Sachen,

      Müsst Ihr Euch an die Metaphysik machen!

      Da seht, dass Ihr tiefsinnig fasst,

      Was in des Menschen Hirn nicht passt!

      Für was drein geht und nicht drein geht,

      Ein prächtig Wort zu Diensten steht.

      Doch vorerst dieses halbe Jahr

      Nehmt ja der besten Ordnung wahr!

      Fünf Stunden habt Ihr jeden Tag;

      Seid drinnen mit dem Glockenschlag!

      Habt Euch vorher wohl präpariert,

      Paragraphos wohl einstudiert,

      Damit Ihr nachher besser seht,

      Dass er nichts sagt, als was im Buche steht!

      Doch Euch des Schreibens ja befleisst,

      Als diktiert Euch der Heilig Geist!

      schüler . Das sollt Ihr mir nicht zweimal sagen!

      Ich denke mir, wie viel es nützt:

      Denn was man schwarz auf weiss besitzt,

      Kann man getrost nach Hause tragen.

      mephistopheles . Doch wählt mir eine Fakultät!

      schüler . Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen.

      mephistopheles . Ich kann es Euch so sehr nicht übel nehmen,

      Ich weiss, wie es um diese Lehre steht.

      Es erben sich Gesetz und Rechte

      Wie eine ewge Krankheit fort;

      Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte

      Und rücken sacht von Ort zu Ort.

      Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage:

      Weh dir, dass du ein Enkel bist!

      Vom Rechte, das mit uns geboren ist,

      Von dem ist, leider! nie die Frage.

      schüler . Mein Abscheu wird durch Euch vermehrt.

      O glücklich der, den Ihr belehrt!

      Fast möcht ich nun Theologie studieren.

      mephistopheles . Ich wünschte nicht, Euch irrezuführen.

      Was diese Wissenschaft betrifft,

      Es ist so schwer, den falschen Weg zu meiden;

      Es liegt in ihr so viel verborgnes Gift,

      Und von der Arzenei ists kaum zu unterscheiden.

      Am besten ists auch hier, wenn Ihr nur Einen hört

      Und auf des Meisters Worte schwört.

      Im ganzen: haltet Euch an Worte!

      Dann geht Ihr durch die sichre Pforte

      Zum Tempel der Gewissheit ein.

      schüler . Doch ein Begriff muss bei dem Worte sein.

      mephistopheles . Schon gut! Nur muss man sich nicht allzu ängstlich quälen;

      Denn eben, wo Begriffe fehlen,

      Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.

      Mit Worten lässt sich trefflich streiten,

      Mit Worten ein System bereiten,

      An Worte lässt sich trefflich glauben,

      Von einem Wort lässt sich kein Jota rauben.

      schüler . Verzeiht, ich halt Euch auf mit vielen Fragen,

      Allein ich muss Euch noch bemühn.

      Wollt Ihr mir von der Medizin

      Nicht auch ein kräftig Wörtchen sagen?

      Drei Jahr ist eine kurze Zeit,

      Und, Gott! das Feld ist gar zu weit.

      Wenn man einen Fingerzeig nur hat,

      Lässt sichs schon eher weiterfühlen.

      mephistopheles für sich

      Ich bin des trocknen Tons nun satt,

      Muss wieder recht den Teufel spielen.

       Laut

      Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen!

      Ihr durchstudiert die gross- und kleine Welt,

      Um es am Ende gehn zu lassen,

      Wies Gott gefällt.

      Vergebens, dass Ihr ringsum wissenschaftlich schweift,

      Ein jeder lernt nur, was er lernen kann;

      Doch der den Augenblick ergreift,

      Das ist der rechte Mann.

      Ihr seid noch ziemlich wohlgebaut,

      An Kühnheit wirds Euch auch nicht fehlen,

      Und wenn Ihr Euch nur selbst vertraut,

      Vertrauen Euch die andern Seelen.

      Besonders lernt die Weiber führen!

      Es ist ihr ewig Weh und Ach,

      So tausendfach,

      Aus einem Punkte zu kurieren,

      Und wenn Ihr halbweg ehrbar tut,

      Dann habt Ihr sie all unterm Hut.

      Ein Titel muss sie erst vertraulich machen,

      Dass Eure Kunst viel Künste übersteigt;

      Zum Willkomm tappt Ihr dann nach allen Siebensachen,

      Um die ein andrer viele Jahre streicht,

      Versteht das Pülslein wohl zu drücken

      Und fasset sie, mit feurig-schlauen Blicken,

      Wohl um die schlanke Hüfte frei,

      Zu sehn, wie fest geschnürt sie sei.

      schüler . Das sieht schon besser aus! Man sieht doch wo und wie.

      mephistopheles . Grau, teurer Freund, ist alle Theorie,

      Und, grün des Lebens goldner Baum.

      schüler . Ich schwör Euch zu: mir ists als wie ein Traum!

      Dürft ich Euch wohl ein andermal beschweren,

      Von Eurer Weisheit auf den Grund zu hören?

      mephistopheles . Was ich vermag, soll gern geschehn.

      schüler . Ich kann unmöglich


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