Emma. Jane Austen

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Emma - Jane Austen


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an Reiz gewonnen hat, ist tausendmal mehr wert, als was die Natur ihr verliehen hat.«

      »Es freut mich, daß Sie meinen, ich sei ihr von Nutzen gewesen. Aber man brauchte Harriet nur ein bißchen aus sich herauszulocken und ihr hier und da einen kleinen Wink zu geben. All ihre natürliche Anmut, ihr liebreizendes und ungekünsteltes Wesen waren schon da. Ich habe sehr wenig dazugetan.«

      »Wenn es erlaubt wäre, einer Dame zu widersprechen . . .«, sagte Mr. Elton galant.

      »Vielleicht habe ich ihren Charakter etwas mehr gefestigt und sie gelehrt, über manches nachzudenken, was ihr früher nicht vorgekommen war.«

      »Stimmt genau; dies fällt mir besonders auf. Viel mehr Charakterfestigkeit! Eine geschickte Hand war da am Werk!«

      »Es hat mir große Freude gemacht, denn nie ist mir eine so wahrhaft liebenswerte Veranlagung begegnet.«

      »Daran zweifle ich nicht«, sagte er mit einem so seelenvollen Seufzer, daß es sich fast wie ein Liebesgeständnis anhörte. Nicht weniger freute sie die Art, wie er eines andern Tages auf ihren plötzlichen Wunsch einging, ein Bild von Harriet zu haben.

      »Bist du schon einmal gemalt worden, Harriet? Hast du schon mal für ein Porträt gesessen?«

      Harriet wollte gerade das Zimmer verlassen und blieb nur stehen, um mit rührender Naivität zu erwidern:

      »Ach du liebe Güte, nein, nie!«

      Kaum war sie draußen, als Emma ausrief:

      »Was für ein herrlicher Besitz wäre ein gutes Bild von ihr! Ich gäbe gern jedes Geld dafür aus, doch am liebsten versuchte ich selber, sie zu malen. Sie können es freilich nicht wissen, aber vor zwei oder drei Jahren habe ich leidenschaftlich gern Porträts gemalt und mich an einigen meiner Verwandten versucht, und man fand, ich hätte im allgemeinen ein ganz gutes Auge dafür. Doch aus dem einen oder andern Grunde wurde ich’s leid und gab es auf. Aber wirklich, ich möchte mich jetzt fast wieder daran wagen, wenn Harriet mir sitzen wollte. Wie schön, wenn man ein Bild von ihr hätte!«

      »Ich bitte Sie darum, es wäre in der Tat entzückend. Ich bitte Sie, Miss Woodhouse, lassen Sie ein so reizendes Talent Ihrer Freundin zuliebe wieder aufleben! Ich weiß doch, wie Sie malen! Wie konnten Sie glauben, ich wüßte es nicht? Ist dieses Zimmer nicht mit Landschaften und Blumenstücken von Ihnen reich geschmückt, und hat nicht Mrs. Weston ein paar unnachahmliche figürliche Bilder in ihrem Salon in Randalls hängen?«

      Ja, guter Mann! dachte Emma, aber was hat das alles mit Porträtmalerei zu tun? Du verstehst ja nichts vom Malen. Tu doch nicht so, als wärst du wegen meiner Pinseleien derart aus dem Häuschen! Spar dir deine Bewunderung für Harriets Gesicht auf. »Also gut«, sagte sie, »wenn Sie mich so freundlich ermutigen, Mr. Elton, werde ich versuchen, was ich tun kann. Harriet hat sehr feine Züge, da ist es schwierig, eine Ähnlichkeit herauszubringen. Und doch liegt etwas Besonderes im Schnitt ihrer Augen und in den Linien um den Mund, das müßte man treffen.«

      »Stimmt genau – der Schnitt der Augen und die Linien um den Mund – ich zweifle nicht an Ihrem Gelingen. Bitte, bitte, versuchen Sie es. Da Sie es machen, wird es, um Ihre eigenen Worte zu gebrauchen, bestimmt ein herrlicher Besitz.«

      »Aber ich fürchte, Mr. Elton, Harriet wird mir nicht gern sitzen. Sie denkt so wenig an ihre Schönheit. Haben Sie nicht beobachtet, wie sie mir antwortete? Ganz als wollte sie sagen: warum von mir ein Bild malen?«

      »O ja, ich habe es wohl bemerkt, es ist mir nicht entgangen. Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, daß sie sich nicht überreden ließe.«

      Kurz darauf trat Harriet wieder ein und wurde sogleich mit dem Vorschlag überfallen, und sie hatte keine Einwände, die länger als ein paar Minuten dem ernstlichen Drängen der beiden standhielten. Emma wollte sofort ans Werk gehen und holte deshalb ihre Mappe hervor, die verschiedene Entwürfe zu Porträts enthielt – denn keins war je zu Ende geführt worden –, um mit ihnen das geeignetste Format für Harriet auszusuchen. Ihre vielen angefangenen Arbeiten wurden ausgebreitet, Miniaturen, halbe Lebensgröße, ganze Lebensgröße, Bleistift, Kohle, Wasserfarben, alles hatte sie durchprobiert. Immer hatte sie alles tun wollen und es sowohl im Malen wie in der Musik weiter gebracht, als es manch anderem mit so wenig Mühe, wie sie daran wandte, gelungen wäre. Sie spielte Klavier und sang, sie zeichnete und malte fast in jeder Technik, aber immer hatte es ihr an Ausdauer gefehlt; und in nichts kam sie nur annähernd zu so hervorragenden Leistungen, wie sie gern erreicht hätte und hätte erreichen können. Sie selber machte sich über ihre Fähigkeiten im Malen und Musizieren nichts vor, aber es war ihr nicht unlieb, wenn andre sich etwas darüber vormachten, und sie hörte es nicht ungern, wenn man ihre Künste über Gebühr pries.

      An jeder Zeichnung war etwas Gutes, vielleicht vor allem an denen, die am wenigsten ausgeführt waren. Sie hatte einen beschwingten Stil. Aber es hätte viel schlechter oder zehnmal so gut sein können, das Entzücken und die Begeisterung der beiden wären die gleichen gewesen. Sie waren ganz hingerissen. Ein einigermaßen getroffenes Bildnis gefällt jedem, und was Miss Woodhouse vollbrachte, konnte nur unübertrefflich sein.

      »Ich kann Ihnen leider keine große Mannigfaltigkeit an Gesichtern zeigen«, sagte Emma. »Ich hatte ja nur meine Familie, um mich daran zu üben. Hier ist mein Vater – noch eins von meinem Vater; aber allein schon der Gedanke, für ein Bild zu sitzen, machte ihn so nervös, daß ich ihn immer nur heimlich zeichnen konnte; darum ist keines ähnlich. Hier wieder Mrs. Weston, und nochmal, und nochmal, sehen Sie. Die liebe Mrs. Weston, immer meine gütigste Freundin, bei jeder Gelegenheit. Sie saß mir, sooft ich sie darum bat. Da ist meine Schwester, wirklich ganz ihr elegantes Figürchen, auch das Gesicht nicht schlecht getroffen. Es wäre ein gutes Bild von ihr geworden, wenn sie mir nur länger gesessen hätte, aber vor lauter Ungeduld, daß ich ihre vier Kinder malte, wollte sie nicht stillsitzen. Hier kommen nun alle meine Versuche mit dreien von den vier Kindern – da sind sie: Henry und John und Bella vom einen Ende des Blattes zum andern, alle drei zum Verwechseln ähnlich. Sie war so darauf versessen, ein Bild von ihnen zu haben, daß ich ihr’s nicht abschlagen konnte. Aber man kann Kinder von drei oder vier Jahren nicht dazu bringen, daß sie stillhalten, und es ist auch nicht leicht, von ihnen mehr als eine Andeutung der Linien und die Haupttöne zu geben, außer wenn sie gröbere Züge haben, und das kommt bei Mamas Kinderchen doch nie vor. Hier ist meine Skizze von dem vierten, noch als Wickelkind. Ich zeichnete ihn, während er auf dem Sofa schlief, und sein kleiner Hahnenkamm ist so ähnlich, wie man nur wünschen kann. Er hatte sein Köpfchen ganz behaglich ins Kissen gekuschelt, das ist gut wiedergegeben. Ich bin ziemlich stolz auf Klein-George. Die Sofaecke ist sehr gut. Dann ist hier noch mein letztes« – sie entfaltete eine hübsche Skizze von einem Herrn in ganzer Figur, kleines Format – »mein letztes und bestes – mein Schwager, Mr. John Knightley. Da fehlte nicht mehr viel, und es wäre fertig gewesen, als ich es in einem Anfall schlechter Laune weglegte und schwor, nie wieder ein Porträt zu malen. Ich konnte nicht anders, ich war zu aufgebracht, und mit Recht; denn nach all meinen Mühen, und nachdem ich es wirklich gut getroffen hatte (Mrs. Weston und ich fanden einmütig, daß es sehr ähnlich war), nur zu hübsch, zu sehr geschmeichelt – aber das ist ja eher ein Fehler, den man gern in Kauf nimmt –, nach alledem hatte die arme Isabella dafür nur ein kühles: ›Ja, ein bißchen ähnlich ist es schon, aber gerecht wird es ihm nicht.‹ Wir hatten ihn mit großer Mühe überredet, mir überhaupt zu sitzen. Er tat, als wär’s eine große Gnade. Nun, alles in allem war es mehr, als ich vertragen konnte, und so hatte ich keine Lust, es zu beenden, nur damit man es bei jeder Morgenvisite in Brunswick Square mit der Entschuldigung vorführte, es sei leider ein sehr ungünstiges Bild. Und wie ich schon sagte, damals habe ich mich verschworen, nie wieder jemand zu malen. Aber für Harriet oder vielmehr für mich selber will ich meinen Entschluß widerrufen, es sind ja auch gegenwärtig keine Eheleute im Spiele.«

      Mr. Elton schien bei dieser Vorstellung geradezu freudig erregt, und er wiederholte: »Ja, gegenwärtig sind keine Eheleute im Spiel, wie Sie sagen. Stimmt genau. Keine Eheleute.« Er sagte es mit so merkwürdiger Betonung, daß Emma sich fragte, ob sie die beiden nicht lieber gleich alleinlassen sollte. Aber da sie ans Zeichnen gehen wollte, mußte die Liebeserklärung noch ein bißchen warten.

      Rasch


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