Emma. Jane Austen

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Emma - Jane Austen


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daß er vorwärtsstrebt und mit der Zeit ein recht wohlhabender Mann wird – und daß er grob und ungebildet ist, braucht uns ja nicht zu stören.«

      »Daß er nicht an das Buch gedacht hat, wundert mich auch«, war alles, was Harriet zur Antwort gab, und in einem Ton ernstlichen Mißfallens, das man, fand Emma, getrost sich selber überlassen durfte. Deshalb sagte er eine Weile nichts mehr. Bis sie dann wieder anfing:

      »In einer Hinsicht übertrifft Mr. Elton in seinen Manieren vielleicht sogar Mr. Knightley und Mr. Weston. Bei ihm sind sie noch feiner, man könnte sie eher noch als Vorbild hinstellen. Mr. Weston ist von einer Offenherzigkeit, einer Lebhaftigkeit, ja beinah Derbheit, die aber jedermann an ihm gefällt, weil alles so vergnügt herauskommt, doch das ist nicht nachzuahmen. Ebensowenig Mr. Knightley, der so geradezu und bestimmt und gebieterisch ist, obwohl es ihm gut ansteht; seine Gestalt, sein Aussehen, seine Stellung im Leben dürften es ihm wohl erlauben. Aber wenn ein beliebiger junger Mann anfinge, ihn zu kopieren, das wäre unleidlich. Dagegen, glaube ich, könnte man einem jungen Manne getrost empfehlen, sich Mr. Elton zum Vorbild zu nehmen. Mr. Elton ist immer aufgeräumt, heiter, gefällig und sehr nett. Mir scheint, er ist in letzter Zeit besonders nett. Ich weiß nicht, Harriet, ob er sich nicht bei einer von uns beiden damit beliebt machen will, jedenfalls fällt mir auf, daß er noch sanfter geworden ist als früher. Wenn er etwas damit bezweckt, so dir zu gefallen. Habe ich dir nicht erzählt, was er mir neulich über dich gesagt hat?«

      Sie hatte Mr. Elton einmal ein warmes Lob entlockt und brachte es nun recht eindrucksvoll zur Geltung. Harriet wurde rot und sagte lächelnd, sie hätte Mr. Elton immer schon sehr sympathisch gefunden.

      Mr. Elton war nämlich derjenige, den Emma dazu ausersehen hatte, Mr. Martin, den jungen Pächter, bei Harriet auszustechen. Sie fand, die beiden mußten ein Paar werden, sie paßten ausgezeichnet zusammen. Nur schien ihr diese Verbindung zu naheliegend und wünschenswert, zu selbstverständlich und wahrscheinlich, als daß sie sich etwas Besonderes darauf zugute tun könnte, sie zu prophezeien. Sie fürchtete, jeder müßte so denken und es kommen sehen. Aber es war nicht anzunehmen, daß jemand ihr mit diesem Plan zuvorgekommen war, denn er hatte sich schon an dem Abend, als Harriet zum erstenmal nach Hartfield gekommen war, in ihrem Kopf eingenistet. Je länger sie ihn erwog, desto mehr leuchtete er ihr ein. Mr. Elton war in einer sehr annehmbaren Position, dazu ganz Gentleman und ohne niederen Anhang, zugleich aber nicht von einer Familie, die billigerweise an Harriets zweifelhafter Herkunft Anstoß nehmen könnte. Er hatte ihr ein behagliches Heim zu bieten und, wie Emma vermutete, ein ausreichendes Einkommen. Zwar war das Pastorat von Highbury nicht groß, doch wußte man, daß er etwas eigenes Vermögen besaß; und sie schätzte ihn als einen umgänglichen, wohlgesinnten, achtbaren jungen Mann, dem es weder an praktischem Verstand noch an Weltkenntnis mangelte.

      Es war ihr schon eine Genugtuung, daß er Harriet hübsch fand; das schien ihr, bei so häufigen Begegnungen in Hartfield, eine ganz gute Grundlage auf seiner Seite. Und was Harriet betraf, war kaum daran zu zweifeln, daß der Gedanke, er habe von allen Mädchen gerade auf sie ein Auge geworfen, nicht die übliche mächtige Wirkung tat. Er war ja auch wirklich ein sehr sympathischer junger Mann, jede nicht gerade wählerische Frau könnte ihn gern haben. Er galt als sehr ansehnlich, sein Äußeres wurde allgemein bewundert – freilich nicht von ihr selber; seinen Zügen fehlte eine gewisse Feinheit, die sie nicht missen mochte. Aber das Mädchen, das sich so dankbar freute über einen Robert Martin, der im Lande herumritt, um ihr Walnüsse zu suchen, mußte ja wohl durch die Huldigungen Mr. Eltons zu erobern sein.

      Fünftes Kapitel

      »Ich weiß nicht, wie Sie über die dicke Freundschaft zwischen Emma und Harriet denken, Mrs. Weston«, sagte Mr. Knightley, »aber ich finde sie bedenklich.«

      »Bedenklich? Halten Sie sie wirklich für bedenklich? Wieso denn?«

      »Ich meine, sie können beide einander nicht guttun.«

      »Das wundert mich! Emma kann Harriet doch nur guttun; und schon durch das neue Interesse, das sie in Emma weckt, dürfte Harriet auch Emma guttun. Ich habe ihre Freundschaft mit großem Vergnügen bemerkt. Wie verschieden wir doch empfinden! Die beiden sollten einander nicht guttun? Sie wollen natürlich wieder anfangen, mit mir über Emma zu streiten, Mr. Knightley!«

      »Und Sie glauben wohl gar, ich sei gerade jetzt gekommen, um mit Ihnen zu streiten, weil ich weiß, daß Mr. Weston ausgegangen ist und Sie Ihren Kampf allein ausfechten müssen?«

      »Jedenfalls würde Mr. Weston mir die Stange halten, wenn er hier wäre, denn er denkt über diese Sache ebenso wie ich. Noch gestern sprachen wir darüber und waren uns einig, was für ein Glück es für Emma ist, daß es ein solches Mädchen in Highbury gibt, mit dem sie sich befreunden kann. Nein, Mr. Knightley, ich glaube nicht, daß Sie dies gerecht beurteilen können. Sie sind es so gewohnt, allein zu leben, daß Sie gar nicht wissen, was es bedeutet, einen Gefährten zu haben; und vielleicht ist es überhaupt für einen Mann unmöglich, einer Frau nachzufühlen, was eine Frau ihr sein kann, zumal wenn sie immer mit einer andern zusammen gelebt hat. Doch ich kann mir denken, was Sie gegen Harriet Smith einzuwenden haben. Sie ist nicht das gebildete junge Mädchen, das Emma als Freundin braucht. Aber da Emma ja etwas für Harriets Bildung tun will, wird es sie anspornen, auch selber mehr zu lesen. Sie werden gemeinsam lesen. Das hat sie vor, ich weiß es.«

      »Schon seit ihrem zwölften Jahr hat Emma vor, mehr zu lesen. Ich habe eine Menge Listen gesehen, auf denen sie von Zeit zu Zeit die Bücher aufführte, die sie richtig durchlesen wollte – es waren wunderschöne Listen, eine gute Auswahl und fein säuberlich angeordnet, mal alphabetisch, mal nach einem andern Gesichtspunkt. Die Bücherliste, die sie sich schon mit vierzehn gemacht hat – ich weiß noch, wie ich damals dachte, sie zeugte für ihr Wertgefühl –, habe ich sogar eine Zeitlang aufbewahrt. Gewiß hat sie auch jetzt wieder ein prächtiges Verzeichnis entworfen. Aber ich habe die Hoffnung aufgegeben, daß Emma je mit ihrer Lektüre einen festen Kurs einhält. Sie wird nie etwas auf sich nehmen, das Fleiß und Geduld erfordert und wobei sie ihre Phantasie dem Verstande unterordnen muß. Wo Miss Taylor mit ihren Anregungen versagt hat – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche –, wird auch Harriet Smith nichts ausrichten. Sie haben sie nie dazu bringen können, auch nur halb soviel zu lesen, wie Sie wünschten. Das wissen Sie doch selber.«

      »Freilich«, erwiderte Mrs. Weston lächelnd, »damals dachte ich auch so; aber seit wir getrennt sind, kann ich mich gar nicht mehr daran erinnern, daß sie meinen Wünschen nicht gefolgt wäre.«

      »Man hat wohl auch kaum Lust, Erinnerungen dieser Art aufzufrischen«, sagte Mr. Knightley verständnisvoll und verstummte für eine Weile. »Aber ich«, fügte er alsbald hinzu, »der ich ja nicht in einem solchen Zauber befangen bin, ich kann nicht umhin zu sehen, zu hören und mich zu erinnern. Emma ist dadurch verwöhnt, daß sie die klügste in der Familie ist. Es ist ihr zum Verhängnis geworden, daß sie mit zehn Jahren schon Antworten geben konnte, die ihre siebzehnjährige Schwester verblüfften. Sie war von jeher schlagfertig und selbstsicher und Isabella langsam und schüchtern. Und schon seit ihrem zwölften Jahr war Emma Herrin im Hause und über Sie alle. In ihrer Mutter hat sie den einzigen Menschen verloren, der ihr gewachsen war. Sie hat die Begabung ihrer Mutter geerbt, ihr würde sie sich wohl gefügt haben.«

      »Ich könnte mir leid tun, Mr. Knightley, wenn ich die Familie Woodhouse verlassen hätte, um mir eine andere Stelle zu suchen, und auf Ihre Fürsprache angewiesen wäre. Ich glaube, Sie hätten bei keinem Menschen ein gutes Wort für mich eingelegt. Gewiß haben Sie mich von jeher für mein Amt untauglich gefunden.«

      »Ja«, sagte er lächelnd, »hier sind Sie besser an Ihrem Platz. Sie sind zur Ehefrau geschaffen, aber gar nicht zur Erzieherin. Doch während der gesamten Zeit in Hartfield haben Sie sich darauf vorbereitet, ein treffliches Eheweib zu werden. Sie haben Emma zwar nicht eine so vollkommene Erziehung zu geben vermocht, wie es Ihre Fähigkeiten zu versprechen schienen, aber Sie sind von ihr sehr gut erzogen worden, und zwar in einem für die Ehe sehr wesentlichen Punkt: Sie haben gelernt, sich dem Willen eines andern unterzuordnen und zu tun, was man Sie heißt; und hätte Weston mich gebeten, ihm eine Frau zu empfehlen, ich hätte ihm bestimmt Miss Taylor genannt.«

      »Danke! Aber das ist


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