Emma. Jane Austen

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Emma - Jane Austen


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Veranlagung zum Erdulden werden Sie nichts zu erdulden haben. Doch wir wollen nicht verzweifeln. Vielleicht wird Mr. Weston querköpfig, weil’s ihm zu gut geht, oder sein Sohn macht ihm das Leben schwer.«

      »Das will ich nicht hoffen! Es sieht auch nicht so aus. Nein, Mr. Knightley, malen Sie lieber keinen Verdruß gerade von dieser Seite an die Wand.«

      »Ich denke nicht daran. Ich spreche nur von Möglichkeiten. Ich maße mir nicht Emmas Genie an, Künftiges zu ahnen und zu weissagen. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß der junge Mann sich als ein Weston an Tugend und ein Churchill an Vermögen entpuppt. Aber zurück zu Harriet Smith – ich bin noch lange nicht fertig mit Harriet Smith. Ich halte sie für die allerschlimmste Gesellschaft, die Emma finden konnte. Selber weiß sie nichts, und sie sieht zu Emma auf, als ob die alles wüßte. Durch ihre ganze Art wird sie zur Schmeichlerin, und um so schlimmer, weil ungewollt. Ihre Unwissenheit ist eine einzige Schmeichelei. Wie soll Emma auf den Gedanken kommen, daß sie selber noch viel zu lernen hat, wenn ihr Harriet mit ihrer Unwissenheit ein so herrliches Gefühl der Überlegenheit gibt? Und was Harriet angeht, behaupte ich kühnlich, daß sie durch diesen Umgang nichts gewinnen kann. Hartfield wird ihr nur alle anderen Orte, wo sie hingehört, verleiden. Sie wird sich nur eben soweit verfeinern, daß sie sich bei den Menschen, unter denen Geburt und Umstände ihr ein Heim angewiesen haben, nicht mehr wohlfühlt. Ich müßte mich sehr irren, wenn Emmas Lehren innere Kräfte entwickelten oder nur im geringsten darauf zielten, daß sich ein Mädchen verständig den Wechselfällen ihrer Lebensverhältnisse anpassen lernt. Sie geben ihr nur ein bißchen Schliff.«

      »Entweder setze ich mehr Vertrauen in Emmas Vernunft als Sie, oder mir liegt mehr an ihrem augenblicklichen Wohl; denn ich kann diese Bekanntschaft nicht beklagen. Wie gut sie gestern abend aussah!«

      »Aha, Sie möchten lieber über ihren äußeren Menschen sprechen als über ihr Inneres, wie? Gut, ich will nicht bestreiten, daß Emma hübsch ist.«

      »Hübsch? Sagen Sie lieber schön. Können Sie sich etwas vorstellen, das vollkommener Schönheit so nah kommt wie Emma – das ganze Mädchen, ihr Gesicht wie ihre Figur?«

      »Ich weiß nicht, was ich mir da vorstellen soll, aber ich muß gestehen, ich habe selten ein Gesicht und einen Wuchs gesehen, die mir besser gefallen hätten. Doch als alter Freund bin ich befangen.«

      »Was für Augen! Richtig haselnußbraune Augen, und so leuchtend! Diese regelmäßigen Züge, das ausdrucksvolle Gesicht, und ein Teint! Ach, welche blühende Gesundheit, und so ebenmäßig gewachsen, so rank und schlank! Sie strahlt förmlich vor Gesundheit, nicht nur ihre Wangen, auch ihr Blick, ihr ganzes Aussehen. Und wie sie den Kopf trägt! Man hört manchmal von einem Kinde sagen, es sei ein Bild der Gesundheit; bei Emma denke ich immer, sie ist für einen Erwachsenen das vollkommene Bild der Gesundheit. Sie ist die Lieblichkeit selbst, Mr. Knightley, ist das nicht wahr?«

      »An ihrer Erscheinung habe ich auch nichts auszusetzen«, antwortete er. »Sie ist ganz, wie Sie sie schildern. Es ist mir immer eine Freude, sie anzusehen; und ich will zu ihrem Lobe hinzufügen, daß ich sie nicht für eitel halte. Dafür, daß sie so schön ist, scheint sie sich wenig damit zu beschäftigen; ihre Eitelkeit sitzt woanders, Mrs. Weston. Sie können mir mein Mißfallen an dieser dicken Freundschaft mit Harriet Smith und meine Befürchtung, daß sie beiden schadet, nicht ausreden.«

      »Und ich, Mr. Knightley, bleibe ebenso hartnäckig bei meiner Zuversicht, daß sie ihnen gar nicht schadet. Mit all ihren kleinen Fehlern ist die liebe Emma doch ein prächtiges Geschöpf. Wo sieht man eine bessere Tochter, eine liebevollere Schwester, eine treuere Freundin? Nein nein, sie hat ihre guten Eigenschaften, denen kann man vertrauen. Sie wird nie einen Menschen ernstlich auf Abwege bringen, sie wird keine verhängnisvollen Dummheiten machen. Mag Emma sich einmal irren, so ist sie dagegen hundertmal im Recht.«

      »Na schön, ich will Sie nicht länger plagen. Emma soll ein Engel sein, und ich will meinen Spleen für mich behalten, bis das Weihnachtsfest John und Isabella herbringt. John liebt Emma auch, aber mit Maßen, und ist darum nicht blind, und Isabella denkt stets wie er, außer wenn er sich nicht genug um die Kinder ängstigt. Ich bin sicher, daß sie meine Ansicht teilen.«

      »Ich weiß, Sie lieben Emma alle viel zu sehr, um ungerecht oder lieblos gegen sie zu sein; aber seien Sie mir nicht böse, Mr. Knightley, wenn ich mir erlaube (wissen Sie, ich glaube mich ein bißchen berechtigt zu sagen, was Emmas Mutter vielleicht sagen würde) – wenn ich also kein Hehl daraus mache, daß meines Erachtens nichts Gutes dabei herauskommen kann, wenn Emmas intime Freundschaft mit Harriet Smith zwischen Ihnen so erörtert wird. Bitte, nehmen Sie mir’s nicht übel! Aber selbst wenn kleine Unannehmlichkeiten bei diesem Umgang zu befürchten wären, so kann man doch von Emma, die keinem Menschen Rechenschaft schuldig ist außer ihrem Vater – und der ist ja mit dieser Bekanntschaft durchaus einverstanden –, nicht erwarten, daß sie ihr ein Ende macht, solange sie soviel Freude daran hat. So viele Jahre lang war es mein Amt, Ratschläge zu geben, da dürfen Sie sich nun nicht wundern, Mr. Knightley, wenn mir etwas davon hängengeblieben ist.«

      »Aber ganz und gar nicht«, rief er. »Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür. Es ist ein guter Rat, und er soll besser beherzigt werden, als es sonst so oft geschehen ist.«

      »Mrs. John Knightley regt sich ohnehin leicht auf; vielleicht wäre sie sehr unglücklich ihrer Schwester wegen.«

      »Seien Sie unbesorgt«, sagte er. »Ich werde kein Geschrei erheben, ich werde meinen Verdruß für mich behalten. Ich bin Emma aufrichtig zugetan, sie ist mir nicht weniger eine Schwester als Isabella, und ihr Wohl und Wehe liegt mir nicht weniger am Herzen, eher mehr. Denn das Gefühl für Emma ist immer mit einer gewissen Besorgnis und Spannung verbunden. Ich frage mich oft, was aus ihr werden soll.«

      »Ich auch«, sagte Mrs. Weston weich; »sehr oft.«

      »Sie erklärt immer wieder, daß sie nie heiraten will, was natürlich gar nichts bedeutet. Aber ich habe keine Ahnung, ob ihr je ein Mann begegnet ist, den sie leiden mochte. Es könnte ihr nicht schaden, wenn sie sich einmal gründlich verliebte, und in den Richtigen. Ich möchte einmal erleben, daß Emma sich verliebt, ohne ganz sicher zu sein, daß man sie wiederliebt; das täte ihr gut. Aber es gibt niemanden hier herum, an den sie ihr Herz verlieren könnte, und sie geht ja auch so selten unter Menschen.«

      »Ja, im Augenblick ist weit und breit nichts zu sehen, was sie in Versuchung führen könnte, ihrem Entschluß untreu zu werden«, sagte Mrs. Weston, »und solange sie in Hartfield glücklich ist, kann ich nicht einmal wünschen, daß sie eine Verbindung eingeht, was ja wegen des armen Mr. Woodhouse die größten Schwierigkeiten mit sich brächte. Nein, im Augenblick würde ich Emma nicht raten zu heiraten – womit ich beileibe nichts gegen den Ehestand sagen will.«

      Damit suchte sie zugleich zu verhüten, daß Mr. Knightley von ihrem und Mr. Westons Lieblingstraum etwas witterte. Denn in Randalls hegte man gewisse Wünsche für Emmas Zukunft, von denen aber noch niemand etwas ahnen sollte. Und als Mr. Knightley bald darauf gelassen zu der Frage überging: »Was hält Mr. Weston vom Wetter? Meint er, daß es Regen gibt?«, war sie überzeugt, daß er zum Thema Hartfield nichts mehr zu sagen hatte und nichts argwöhnte.

      Sechstes Kapitel

      Emma war bald nicht mehr darüber im Zweifel, daß sie Harriets Gefühle in die richtige Bahn gelenkt und zu einem guten Zweck die Dankbarkeit ihrer jungen Eitelkeit geweckt hatte, denn sichtlich gingen dem Mädchen immer mehr die Augen dafür auf, was für ein ausnehmend hübscher Mann Mr. Elton war und wie angenehm in seiner ganzen Art. Und da Emma keine Bedenken trug, durch freundliche Winke die Gewißheit in ihr zu nähren, daß er sie verehrte, wiegte sie sich schon in der schönsten Zuversicht, ihr bei jeder Gelegenheit zärtlichere Gefühle für ihn einzublasen. Sie war fest überzeugt, daß Mr. Elton auf dem besten Wege war, sich zu verlieben, wenn er nicht schon liebte. Er machte ihr also keine Sorgen. Er sprach so entzückt von Harriet und pries sie so herzlich, daß Emma sich sagte, was noch fehlte, werde die Zeit schon bringen. Daß ihm nicht entging, wie Harriet sich zu ihrem Vorteil entwickelt hatte, seit sie in Hartfield ein- und ausging, war ihr einer der erfreulichsten Beweise seiner wachsenden Zuneigung.

      »Sie haben Miss Smith alles gegeben, dessen


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