Blaue Iris - Roland Benito-Krimi 11. Inger Gammelgaard Madsen

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Blaue Iris - Roland Benito-Krimi 11 - Inger Gammelgaard Madsen


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einen Moment lang die Luft an, um den Puls herunterzufahren und das Herz zu beruhigen.

      Mira blieb an der Tür zu der komplett gefüllten Kirche stehen. Es gab keinen Sarg – natürlich. Es war ja keine richtige Beerdigung, aber es gab einen kleinen Tisch, auf dem ein Foto von Iris stand. Blumen lagen daneben. Blaue Iris. Wer hatte sie dorthin gelegt? Iris hasste diese Blume. Mira spürte einen Kloß im Hals, dann entdeckte sie die anderen. Josefine und Frederikke saßen zusammen auf einer Bank hinten in der Kirche und Oliver und Marius hatten keinen Sitzplatz gefunden und lehnten an der Mauer. Vom Tauchklub waren auch alle da. Außer Kira, die Einzige aus dem Tauchklub, die Iris in ihren Kreis hineingelassen hatte, kannte Mira von ihnen niemanden persönlich.

      „Der da i…ist von der Po…Po…Polizei.“ Ulla war wieder an ihrer Seite. Sie flüsterte, wie man es immer in einer Kirche tat. „Ha…Ha…Hauptk…kommissar.“

      Mira blickte zu dem Mann, in dessen Richtung Ulla genickt hatte. Er trug einen schwarzen, knielangen Wollmantel und hatte einen gestreiften Schal von Boss Black um den Hals gewickelt; ihr Vater hatte auch so einen. Die Hände hielt er hinter dem Rücken und er erinnerte sie an einen Offizier, der seine Kompanie vor einer Parade musterte. Seine dunklen Augen glitten inspizierend, jedoch diskret, von einem zum anderen, und ohne zu wissen warum, versteckte sie sich unwillkürlich hinter ihrem Nebenmann, der glücklicherweise ein großer, korpulenter Mann war. Der Hauptkommissar sah nicht dänisch aus.

      „Was g…g…glaubst du, w…w…will er? Ob er wohl g…g…glaubt, dass der M…M…Mörder hier in der K…K…Kirche ist?“, flüsterte Ulla erschrocken weiter.

      Mira antwortete nicht. Ein Schaudern überkam sie und sie erstarrte, als sie über die Versammlung schaute und Jakobs Blick begegnete.

      Kapitel 5

      Der Bericht aus der Rechtsmedizin kam erst am nächsten Morgen. Zehn Minuten später rief Natalie Davidsen ihn an und entschuldigte sich für die Verspätung. Sie wollte mit ihm über den Inhalt sprechen.

      „Ach, ist das jetzt neuerdings üblich, dass Berichte übers Telefon erklärt werden?“, fragte Roland gemütlich, aber Natalie war deutlich nicht zu Scherzen aufgelegt.

      „Ich schätze, ich muss ihn mit dir durchgehen, Roland. Das ist kein gewöhnlicher Mord“, konterte sie trocken. „Wie immer haben wir mit einem CT-Scan angefangen. Das musste zügig gehen, da der Verwesungsprozess bei einer Leiche, die eingefroren war und auf Zimmertemperatur aufgetaut wird, ziemlich schnell eintritt, weil die Zellen von dem Eis beschädigt werden. Der Scan zeigte, dass mehrere Knochen alte und neue Brüche aufweisen. Der linke Arm war an zwei Stellen gebrochen und es sieht nicht so aus, als wären die Brüche behandelt worden, weil sie schief zusammengewachsen sind. Einige der Brüche sind erst ein paar Monate alt. Zwei Finger sind hintenüber bei den Knöcheln gebrochen.“

      „Hintenüber? Ist das passiert, nachdem sie verschwand?“

      „Ja, daran besteht kein Zweifel. Es gab ja keine Kleidung, sodass die äußere Untersuchung schnell vonstattenging. Sie war wahrscheinlich nackt, seit sie getötet wurde. Die Haut ist mit Rissen und Wunden übersät, besonders am Rücken, aber es ist schwer zu sagen, woher sie stammen. Schau mal, was du anhand der Bilder herausbekommst.“

      Roland studierte sie. „Sieht aus, als ob sie über etwas gezogen wurde, das ihre Haut geschnitten und zerkratzt hat.“

      Roland konnte hören, dass Natalie nickte; ihre Haare oder der Stoff ihres Kittels raschelten am Telefon. Er stellte sich vor, dass sie es zwischen Ohr und Schulter festgeklemmt hatte, während sie arbeitete. Er erinnerte sich, sie so gesehen zu haben.

      „Alle inneren Organe zeigen Zeichen eines gesunden jungen Menschen. Die Muskeln sind stark und durchtrainiert, aber es gab schwere vaginale Verletzungen.“

      „Vergewaltigung?“

      „Leider ja. Die Verletzungen in der Scheide zeigen Anzeichen von Gewalt – das gilt auch für den Analbereich.“

      Roland nickte. Er hatte es befürchtet, als sie nackt gefunden worden war.

      „Außerdem habe ich acht Messerstiche in ihrem Unterleib gezählt.“

      „Post mortem?“

      „Schwer, genau zu sagen so lange danach, aber ich gehe davon aus. Es ist ja eine aggressive Handlung, die darauf deuten könnte, dass es was Persönliches war. Die Messerklinge ist ungefähr 25-30 Millimeter breit, gebogen und vermutlich flach am Ende. Die Wundränder sind sehr fein, was auf ein Messer mit scharfen Kanten an beiden Seiten der Klinge schließen lässt.“

      „Welcher Messertyp könnte das wohl sein?“

      „Das kann ich nicht sagen, Roland. Ich habe die Wunden mit Martha Bæks verglichen und es wurde der gleiche Messertyp benutzt.“

      „Dann kann Martha Bæks Mörder also derselbe sein wie Iris Bøgh Lykkegaards?“

      Die Frage blieb in der Luft hängen. Es war nicht Natalies Aufgabe, sie zu beantworten, und es entstand eine kurze Pause, bevor sie fortfuhr.

      „Sie muss ziemlich betrunken gewesen sein. Ich habe eine hohe Alkoholkonzentration in Proben von Blut, Urin und Tränenflüssigkeit gefunden.“

      „Kann man das so lange danach noch feststellen? Hat der Frost nicht alles zerstört?“

      „Im Gegenteil. Wenn man stirbt, hört die Verbrennung oder der Abbau von Alkohol im Körper normalerweise auf, und bei den enzymatischen Prozessen der Verwesung kann sich Alkohol bilden. Es kann auch schwierig werden, Blut zur Analyse zu bekommen und das Ergebnis zu interpretieren, aber wenn eine Leiche kurz nach dem Tod heruntergekühlt und bei circa vier Grad aufbewahrt wird, fängt die Verwesung nicht an und eine eventuelle Alkoholkonzentration ändert sich daher nicht. Die Leiche war seit kurz nach dem Tod gefroren, sodass die Alkoholkonzentration unverändert ist. Die rechtschemischen Untersuchungen auf Drogen und Medikamente zeigten kein Ergebnis, also hat sie nur Alkohol zu sich genommen.“

      „Sie ist ja auch gerade von einer Party mit ihren Freundinnen gekommen. Sie haben ihren Geburtstag gefeiert und die Tendenz, dass dänische Jugendliche zu viel trinken, ist ja leider weit verbreitet.“

      „Wirf mal einen Blick auf den Todeszeitpunkt.“

      Roland blätterte wieder in den Papieren. „Du schreibst hier, dass er circa Mitte November letzten Jahres ist. Iris verschwand am 5. November. Soll das heißen, dass sie vor ihrem Tod irgendwo für ungefähr zwei Wochen gefangen gehalten wurde?“

      „Ja, das sollen du und dein Team ja herausfinden, oder, Roland?“

      „Hmm, ja, aber was kannst du noch sagen?“

      „Ihr Magen enthielt Reste einer Mahlzeit – Obst, Wein und Kekse – also hat sie Essen und Flüssigkeit bekommen. Sie war auch nicht mager, ausgehungert oder dehydriert.“

      „Was ist mit den Narben unter ihren Füßen?“, fragte Roland, der im Bericht deswegen stutzig geworden war.

      „Ich habe keine Ahnung. Sieht nach Messerschnitten aus, aber die meisten sind nicht neueren Datums.“ Natalie machte eine Pause. Er konnte hören, dass sie im Bericht umblätterte und tat es ebenfalls.

      „Und die Verletzungen am Kopf, die du erwähnt hast?“

      „Die Untersuchungen von Schädel und Gehirn zeigen Anzeichen von Gewalteinwirkung am Hinterkopf; welche Form kann ich nicht genau sagen. Vielleicht ist das auch post mortem.“

      Natalie machte wieder eine Pause. Roland wartete ungeduldig.

      „Dieses Mädchen war irgendeiner Form von wahnsinniger Folter ausgesetzt, wahrscheinlich, während sie an Händen und Füßen gefesselt war. Sie hatte etwas Wasser in der Lunge, aber es war kein Wasser vom Fjord oder das, von dem sie im Boot umgeben war, welches von Niederschlag stammte, der später über ihr zu Eis gefroren ist. Was ich im rechten Lungenflügel gefunden habe, war ganz normales Leitungswasser. Ich habe auch Fasern in ihrer Nase gefunden, die von Stoff stammen können, einem Lappen vielleicht, und


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