Blaue Iris - Roland Benito-Krimi 11. Inger Gammelgaard Madsen

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Blaue Iris - Roland Benito-Krimi 11 - Inger Gammelgaard Madsen


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du Ersticken in Zeitlupe?“

      „So kann man’s auch nennen. Das Opfer wird auf einen Tisch, eine Pritsche oder so etwas Ähnliches gelegt und festgeschnallt. Es erhält ein Tuch übers Gesicht und ununterbrochen wird Wasser über Nase und Mund gegossen. Du kannst eine Zeitlang die Luft anhalten, aber schließlich bist du gezwungen, das Wasser einzuatmen, wenn du keine Luft mehr bekommst. Es fühlt sich an, als ob du ertrinkst. Ich habe mich mal freiwillig dieser Folter ausgesetzt, um zu verstehen, was mit dem Körper passiert. Das war keine angenehme Erfahrung. Der Folterknecht stoppt den Prozess des Ertrinkens rechtzeitig, woraufhin das Opfer das Wasser aushusten kann und das Ganze beginnt von vorne.“

      „Die Methode wird, soviel ich weiß, immer noch von der CIA benutzt, aber wohl hauptsächlich um Gefangene dazu zu bringen, irgendetwas zu gestehen“, meinte Roland.

      „Leider ja. Ich kann dir sagen, ich würde sonst was gestehen, um dieser Folter zu entkommen, also wie glaubwürdig ist so ein Geständnis?“

      „Und was sollte Iris gestehen?“, fragte Roland hauptsächlich sich selbst.

      Natalie ignorierte ihn deshalb auch.

      „Aber ich habe auch Fasern in ihrem Mund gefunden. Ebenfalls von Stoff, aber nicht der gleiche wie in der Nase. Ich weiß wirklich nicht, was sich da abgespielt hat, Roland. Aber vieles deutet darauf hin, dass sie erstickt wurde.“

      „Das ist also deiner Meinung nach die Mordwaffe? Stoff?“

      „Leider, Roland, deswegen rufe ich auch an. Ich habe die Todesursache nicht feststellen können. Und das Messer wurde erst nach ihrem Tod benutzt.“

      „Hast du denn eine Theorie, welcher Typ Seil verwendet wurde, um sie zu fesseln?“

      Er konnte hören, dass Natalie etwas trank, bevor sie antwortete.

      „Es ist kein Seil, eher eine Art Riemen. Ungefähr drei bis vier Zentimeter breit. Du kannst es im Bericht sehen.“

      Roland bemerkte, dass Niels und Emily vom Tauchklub zurückgekommen waren, in dem Iris Mitglied gewesen war. Kurz darauf beendete er das Gespräch mit Natalie. Er ging ins Nebenbüro und holte Kaffee am Automaten. Auch eine Neuanschaffung in der Abteilung.

      „Habt ihr etwas herausgefunden?“, fragte er und wandte sich Niels und Emily zu, die ihre Plätze einnahmen.

      „Nur, dass Iris eine ausgezeichnete Taucherin war. Sie hatte trainiert, unglaublich lange die Luft anzuhalten, und gerade ihren eigenen Rekord gebrochen. Ihr Ziel war, den Weltrekord für Frauen von neun Minuten zu knacken. Keiner wirkte verdächtig, sie waren alle tief berührt von ihrem Tod“, antwortete Emily.

      „Tatsächlich wirkte es nicht, als ob sie sie besonders gut kannten“, meinte Niels, hauptsächlich zu seinem Computerbildschirm.

      „Nein, da hast du recht, Niels“, pflichtete Emily ihm bei. „Nur eines der Mädchen, Kira Qvist, kannte Iris offensichtlich etwas besser als die anderen. Sie hat sich ab und zu privat mit ihr getroffen, war aber am 5. November nicht mit in der Stadt.“

      „Okay, dann können wir die Tauchfreunde von der Liste streichen?“

      „Ich denke, schon.“

      „Wie war der Gedenkgottesdienst gestern Abend?“, fragte Emily und setzte sich an ihren Computer.

      „Traurig natürlich. Iris war viel zu jung, um ihrer auf diese Weise zu gedenken. Die Kirche war total voll, aber ich habe entschieden, alle in Ruhe trauern zu lassen. Als der Gottesdienst vorbei war, habe ich die Familie begrüßt und kondoliert, dann bin ich heimgefahren.“

      Roland war immer noch verwundert, dass Marianna bei dem Gedenkgottesdienst gewesen war. Was macht meine Enkelin hier?, hatte er sofort gedacht. Sie war etwas weniger überrascht, ihn dort anzutreffen, konnte er sehen. Sie hatte erklärt, dass sie Iris nicht kannte, aber ihre beste Freundin, Solveig, aus der Straße, wo sie wohnten, weil sie auch auf die Askholt Privatschule ging, und sie hatte Marianna gebeten, mitzukommen. Roland vergaß immer wieder, dass Marianna mittlerweile ein Teenager war. Für ihn war sie immer noch sein kleines Mädchen, das unter der Blutbuche im Garten auf einem roten Dreirad fuhr.

      Roland war auf dem Weg in sein Büro, als Isabella und Hafid zurückkamen; mitten in einer kleineren Auseinandersetzung, wie es schien.

      „Was ist los?“, fragte Roland. Sie blieben beide verblüfft stehen, als ob sie nicht erwartet hätten, dass jemand im Nebenbüro war.

      „Nichts“, sagte Isabella und setzte sich auf ihren Platz.

      „So klang das aber nicht.“

      Hafid kratzte sich in den schwarzen, krausen Haare und sah Roland ratlos an.

      „Wir haben mit Martha Bæks erwachsenen Kindern gesprochen, die immer noch in ihrem Haus sind; es war gemietet und muss geräumt werden. Sie meinten, ihre Mutter kannte Iris nicht, aber als wir gingen, habe ich an der Wand im Flur ein Foto gesehen. Da steht Martha zusammen mit einer Gruppe Jugendlicher und hat den Arm um ein Mädchen gelegt, das rechts neben ihr steht. Das war ganz sicher Iris. Niemand sonst hat so blaue Augen.“

      „Ja, und das sagt er erst, als wir im Auto sitzen und wegfahren, und er wollte nicht umkehren, damit wir sie nochmals befragen konnten.“

      „Wir waren doch fast schon wieder beim Polizeipräsidium und es ist ja gar nicht sicher, dass die Kinder wissen, wen ihre Mutter kannte. Die wohnen doch auf Seeland, oder?“, gab Hafid zurück.

      „Ja, okay, aber die wussten bestimmt, wo das Foto gemacht wurde! Auf die Art hätten wir herausfinden können, welche Verbindung Martha Bæk zu Iris hatte.“

      „Das kann man doch wohl sicher mit einem Anruf klären. Hafid, darum kümmerst du dich, ja?“, forderte Roland ihn auf.

      Hafid setzte sich und griff mit einem triumphierenden Blick zu Isabella nach dem Telefon.

      Roland ging mit dem Kaffee zurück in sein Büro. Was war nur mit Isabella los? Er hatte sie als ruhige und ausgeglichene Frau in Erinnerung, die nicht so schnell aus der Haut fuhr. Natürlich hatte sie es in den letzten Jahren schwer gehabt mit ihrem Mann, der gehandicapt im Gefängnis saß, und mit einem teuren Hof in Skåde, den sie nicht loswurde. Er konnte nicht umhin, eine gewisse Mitschuld für ihre Situation zu empfinden. Er wollte dieses Anwesen sehr gerne kaufen, nicht nur, um Isabella zu helfen, sondern weil er es schon immer haben wollte. Aber Irene weigerte sich, umzuziehen. Sie wollte nicht aus ihrem Elternhaus in Højbjerg weg und weitere Schulden machen; die Villa genügte ihren Ansprüchen selbstverständlich auch. Jetzt hatten sie sie zudem wieder für sich allein, nachdem Irene nicht mehr als Ehrenamtliche für die Dänische Flüchtlingshilfe arbeitete. Sie hatte stattdessen eine Festanstellung in der Organisation bekommen, und, da der Flüchtlingsstrom nach Dänemark aufgrund der straffen Ausländerpolitik rückläufig war, konnten die Asylzentren die Unterbringung selbst stemmen und es gab keinen Bedarf mehr an privater Wohnhilfe.

      Er hörte, dass Hafid das Telefonat beendet hatte und gedämpft mit Isabella sprach. Kurz darauf kam er in sein Büro.

      „Dieses Foto wurde in der Askholt Privatschule gemacht. Martha Bæk hat da offenbar zwischendurch mal als Freiwillige gearbeitet. Sie war die ehemalige Dänischlehrerin an der Schule.“

      Roland nickte; er hatte gesehen, dass Martha Bæk Lehrerin war.

      „Es ist wohl an der Zeit, dass wir mit der Privatschule reden“, beschloss er, stand auf und nahm sein Tweedsakko von der Stuhllehne.

      Hafid holte seinen Mantel und war startklar. Roland warf Isabella einen langen Blick zu. Er hätte lieber sie dabei gehabt, sodass sie sich im Auto hätten unterhalten können, aber sie tippte gerade etwas in ihren Computer und sah ihn nicht an.

      Kapitel 6

      Roland Benito war auch unter den Teilnehmern des Gedenkgottesdienstes in der Mallinger Kirche gewesen. Natürlich. Anne ärgerte sich immer noch darüber, nicht mit ihm gesprochen zu haben, aber er hatte sich am entgegengesetzten Ende der überfüllten Kirche befunden, wo mehrere Trauergäste


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