Zu Vermieten. John Galsworthy

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Zu Vermieten - John Galsworthy


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Soames auf der Zunge, doch er hielt sie zurück – er durfte sich seine Gefühle nicht vor ihr anmerken lassen.

      »Er hat mich einmal gekränkt«, sagte er.

      Ihre scharfen Augen ruhten auf seinem Gesicht.

      »Verstehe! Du hast dich nicht gerächt und jetzt nagt es noch an dir. Armer Papa! Lass es mich mal versuchen!«

      Es war wirklich, als läge man im Dunkeln, während ein Moskito einem um den Kopf schwirrte. Eine solche Hartnäckigkeit kannte er gar nicht von Fleur, und als sie beim Hotel ankamen, sagte er grimmig: »Ich habe getan, was ich konnte. Und jetzt reicht es mit diesen Leuten. Ich gehe bis zum Abendessen hinauf.«

      »Ich setze mich hier hin.«

      Mit einem Blick auf sie zum Abschied, wie sie ausgestreckt auf einem Stuhl saß – einem halb verärgerten, halb bewundernden Blick –, stieg Soames in den Fahrstuhl und fuhr zu ihrem Appartement im vierten Stock. Er stellte sich ans Fenster des Wohnzimmers, von wo aus man über den Hyde Park blicken konnte, und trommelte mit einem Finger gegen die Scheibe. Er war emotional durcheinander, gereizt und beunruhigt. Das Pochen jener alten Wunde, die mit der Zeit und mit neuen Interessen vernarbt war, mischte sich mit Unwillen und Angst, und mit einem leichten Schmerz in seiner Brust, da ihm dieses Nugatzeug nicht bekommen war. War Annette wohl schon da? Nicht, dass sie ihm bei einer solchen Schwierigkeit irgendwie helfen könnte. Wann immer sie ihn nach seiner ersten Ehe gefragt hatte, hatte er sie abgewürgt. Sie wusste nichts darüber, außer dass es die große Liebe seines Lebens gewesen war, während seine Ehe mit ihr nur Notbehelf zur Familiengründung war. Sie hatte ihren Groll darüber sozusagen stets in der Hinterhand und schlug Kapital daraus. Er lauschte. Ein Geräusch – die vagen Laute der Bewegungen einer Frau – drang durch die Tür. Sie war da. Er klopfte leise.

      »Wer ist da?«

      »Ich«, sagte Soames.

      Sie hatte sich gerade umgezogen und war noch nicht vollkommen angekleidet, eine bemerkenswerte Erscheinung vor ihrem Spiegel. Ihre Arme, ihre Schultern, ihr Haar, das dunkler geworden war, seit er sie kennengelernt hatte, die Biegung ihres Nackens, das Seidige ihrer Kleider und ihre dunkel bewimperten, graublauen Augen hatten etwas Prachtvolles an sich – sie war mit vierzig sicherlich so schön wie eh und je. Ein hübscher Besitz, eine exzellente Hausfrau, eine vernünftige und ausreichend liebevolle Mutter. Wenn sie nur nicht immer so offen zynisch wäre, was ihr Verhältnis anbetraf! Soames, der für sie nicht mehr echte Zuneigung empfand als sie für ihn, empfand es als Engländer als eine Art Kränkung, dass sie nie auch nur den Ansatz eines Deckmantels der Gefühle über ihre Ehe breitete. Wie die meisten seiner Landsleute war er der Ansicht, dass die Ehe auf gegenseitiger Liebe begründet sein sollte, doch wenn in einer Ehe die Liebe verschwunden war, oder wenn sich heraus­stellte, dass sie nie existiert hatte – sodass sie also offenkundig niemals auf Liebe gegründet hatte – , dann durfte man das nicht zugeben. So war es dann eben und Liebe war dann da eben nicht – doch so lebte man eben und so musste man auch weiterleben! So konnte man beides haben und war nicht von Zynismus, Realismus und Unmoral angekränkelt wie die Franzosen. Außerdem war es im Interesse des Besitzes notwendig. Er wusste, dass sie wusste, dass sie beide wussten, dass es zwischen ihnen keine Liebe gab, doch er erwartete dennoch von ihr, dass sie es nicht in Worten oder Verhalten zugab, und er konnte nie verstehen, was sie meinte, wenn sie von der Scheinheiligkeit der Engländer sprach. Er sagte: »Wen hast du für nächste Woche zum The Shelter eingeladen?«

      Annette betupfte ihre Lippen weiter sanft mit Balsam – er wünschte immer, sie würde das nicht tun.

      »Deine Schwester Winifred und die Cardigans« – sie nahm einen kleinen schwarzen Stift in die Hand – »und Prosper Profond.«

      »Diesen Belgier? Warum denn den?«

      Annette wandte langsam den Kopf, setzte den Stift an den Wimpern an und sagte: »Winifred findet ihn unterhaltsam.«

      »Ich will jemanden, der Fleur unterhält, sie ist widerspenstig.«

      »Widerspenstig?«, wiederholte Annette. »Und das fällt dir jetzt erst auf, mein Lieber? Sie wurde widerspenstig geboren, wie du es nennst.«

      Würde sie denn nie aufhören, das r so affektiert französisch auszusprechen?

      Er berührte das Kleid, das sie ausgezogen hatte, und sagte: »Was hast du gemacht?«

      Annette sah ihn im Spiegel an. Ihre eben zum Glänzen gebrachten Lippen lächelten, ziemlich voll, ziemlich ironisch.

      »Mich amüsiert«, sagte sie.

      »Ach!«, antwortete Soames missmutig. »Einkauferei, nehme ich an.«

      So nannte er jenes unverständliche Gerenne in alle möglichen Läden, welches Frauen immer betrieben. »Hat Fleur ihre Sommerkleider?«

      »Ob ich meine habe, fragst du nicht.«

      »Dir ist doch egal, ob ich dich frage oder nicht.«

      »Stimmt. Nun, sie hat ihre, und ich meine – schrecklich teuer.«

      »Hm!«, sagte Soames. »Was treibt denn dieser Profond in England?«

      Annette hob die Augenbrauen, die sie gerade fertig bemalt hatte.

      »Er segelt mit seiner Jacht.«

      »Aha!«, sagte Soames. »Ein schläfriger Typ.«

      »Manchmal«, antwortete Annette, und auf ihrem Gesicht lag eine Art stille Belustigung. »Aber manchmal ist er auch sehr unterhaltsam.«

      »Er sieht aus, als sei er irgendein Mischling.«

      Annette streckte sich.

      »Mischling?«, sagte sie. »Was soll das heißen? Seine Mutter war Armenierin.«

      »Da hast du es«, murmelte Soames. »Kennt er sich mit Bildern aus?«

      »Er kennt sich mit allem aus – ein Mann von Welt.«

      »Nun, lass dir jemanden für Fleur einfallen. Ich will sie auf andere Gedanken bringen. Sie will am Samstag zu Val Dartie und seiner Frau fahren, das gefällt mir nicht.«

      »Warum nicht?«

      Da er den Grund dafür ohne Einbezug der Familiengeschichte nicht erklären konnte, antwortete Soames nur: »Immer jedem Spaß und jedem Vergnügen hinterherjagen. Das nimmt überhand.«

      »Ich mag die kleine Mrs Val Dartie, sie ist sehr ruhig und klug.«

      »Ich weiß nichts über sie, außer dass ... Das hier ist neu.« Und Soames hob eine Modekreation vom Bett auf.

      Annette nahm sie ihm ab.

      »Kannst du es mir zuhaken?«, sagte sie.

      Soames hakte es zu. Als er über ihre Schulter in den Spiegel blickte, sah er den Ausdruck ihres Gesichts – leicht belustigt, leicht verächtlich –, der zu sagen schien: »Danke! Du wirst es nie lernen!« Nein, Gott sei Dank, er war ja kein Franzose! Er beendete es mit einem Ruck und den Worten: »Das ist hier zu tief ausgeschnitten.« Und er ging zur Tür mit dem Wunsch, von ihr wegzukommen und wieder zu Fleur hinunterzugehen.

      Annette nahm eine Puderquaste in die Hand und sagte mit erschreckender Plötzlichkeit: »Que tu es grossier!«

      Er kannte den Ausdruck – er hatte Grund dazu. Als sie ihn das erste Mal verwendet hatte, hatte er gedacht, es heiße: »Du bist ja ein ganz Großer!«, und er hatte nicht gewusst, ob er erleichtert sein sollte oder nicht, als er eines Besseren belehrt wurde. Er ärgerte sich über das Wort – er war nicht ungehobelt! Wenn er ungehobelt war, was war denn dann der Kerl in dem Zimmer nebenan, der morgens jene schrecklichen Geräusche von sich gab, wenn er sich räusperte, oder jene Leute in der Hotellobby, die es für wohlerzogen hielten, alles in voller Lautstärke herumzuschreien, sodass es die ganze Welt mitbekam – leeres Geschwätz! Ungehobelt, weil er gesagt hatte, ihr Kleid sei tiefausgeschnitten! Na, das war es doch auch! Er verließ das Zimmer ohne eine Antwort.

      Als er von der anderen Seite in die Lobby kam, sah er Fleur sofort da, wo er sie zurückgelassen hatte. Sie saß mit übereinandergeschlagenen


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