Der Höllenhund. Фредерик Марриет
Читать онлайн книгу.Schritte entfernte Luke hinunterflog.
„Wie könnt Ihr Euch unterstehen, meinem Hunde einen Tritt zu geben, Herr Kurz?“ rief Vanslyperken.
Kurz ließ sich zu keiner Antwort herab, sondern ging zu Smallbones, dem er den Kopf aufrichtete. Der Junge kam wieder zu Bewußtsein. Er war am Hals und im Gesicht schrecklich zerbissen — ein wahrhaft kläglicher Anblick, wenn man die Wunden, welche ihm die Katze versetzt hatte, noch mit in Rechnung nahm.
Der Steuermann forderte einige Matrosen auf, Smallbones nach dem Raume hinunterzubringen, und fand bereitwilligen Gehorsam. Man wusch den armen Menschen mit Salzwasser, und der Schmerz der Wunden brachte ihn wieder zur Besinnung. Dann wurde er in seine Hängematte gelegt.
Während Kurz seine Anweisungen gab, sahen sich Vanslyperken und der Korporal abwechselnd an, ohne sich jedoch eine Einmengung zu erlauben. Sobald die Matrosen Smallbones in den Raum hinuntergebracht hatten, führte Vanspitter die Hand nach seiner Fouragiermütze, nahm seine Katze unter den Arm und ging gleichfalls hinab. Vanslyperken war noch wütender als zuvor. Er steckte die Hände tiefer als je in seine Taschen, ging, das durch den Schlag völlig zerbeulte Sprachrohr unter dem Arme, auf und ab und murmelte alle zwei Minuten: „Beim Himmel, der Schuft soll gekielholt werden! Ich will ihn lehren, meinen Hund zu beißen.“
Snarleyyow erschien nicht wieder auf dem Deck, denn er hatte eine Züchtigung erhalten, wie er sie nicht erwartete. Er beleckte sich die Wunden, denen er beikommen konnte, und hütete in einer Art unruhigen Schlummers die Kajüte, alle Minuten mit Knurren auffahrend, als fechte er im Schlafe den Kampf abermals durch.
5. Kapitel
Eine Beratung wurde in der Back von Seiner Majestät Kutter, der ‚Jungfrau‘, am Abende nach Smallbones’ Züchtigung abgehalten. Die Mehrzahl der Mannschaft wohnte derselben bei — nämlich alle, den Korporal Vanspitter und seine sechs Seesoldaten ausgenommen. Die Hauptperson war nicht eben der beredteste Sprecher, da sie durch keinen geringeren Mann als durch Richard Kurz repräsentiert wurde. Seine Beistände waren Obadiah Coble, Jack Jansen und eine andere Person, welche wir als den Hochbootsmann oder Hochbootsmannsmaaten des Kutters einführen müssen, denn obgleich er den ersteren Titel trug, erhielt er doch nur den Sold der letztgenannten Bedienstung. Dieser Mann hieß eigentlich James Salisbury, wurde aber stets als Jemmy Entenbein angeredet. Er war eine sehr auffallende Erscheinung, mit einem männlich schönen Gesichte, starkem Backenbart und einem Zopf, welcher sich bis auf Fußweite dem Decke näherte. Brust und Schultern waren breit; der ganze Mann bis zu der Stelle, wo sich die Beine anschließen, schön, gut gebaut und wohl proportioniert. Aber dann, welcher Abstand! Infolge irgend eines Zufalles waren seine Beine von seinem dritten Lebensjahre an nicht mehr in die Länge gewachsen. Hinsichtlich ihrer Derbheit standen sie wohl im Einklang mit dem übrigen Körper, aber sie maßen nicht mehr als achtzehn Zoll von der Hüfte bis zur Ferse, so daß er als eine wahrhaft lächerliche Figur umherwatschelte. Dieses Gebrechen der unteren Teile tat jedoch der Kraft des Mannes keinen Eintrag, denn es gab nur wenige auf dem Schiff, welche sich in einen Kampf mit dem Hochbootsmann einzulassen wagten. Die erwähnte eigentümliche Bauart hatte ihm die Benennung Jemmy Entenbein zugezogen. Jemmy war ein verständiger, heiterer Bursche und ein guter Seemann, der keinen Scherz, welchen man sich über seine Figur erlaubte, übel nahm, sondern sogar mitzuscherzen pflegte. Er war der Lustigmacher des Schiffes und spielte, wenn seine Kameraden tanzen wollten, die Geige, auf welcher er es fast zur Virtuosität gebracht hatte; außerdem begleitete er das Instrument mit seiner Stimme, wenn die lustigen Kumpane des Tanzens müde waren. Wir müssen noch bemerken, daß Jemmy verheiratet war und sich aus dem anderen Geschlechte eines der größten Exemplare zur Gattin ausersehen hatte. Von ihrer Schönheit ließ sich freilich nicht viel sagen, aber Jemmy hatte hierauf nicht gesehen, wenn ihm nicht etwa ihr Gesicht in so großer Höhe anders erschien, als denjenigen, welche sich mit ihm auf gleichem Niveau befanden.
Nun traf es sich, daß von Jemmys Standpunkt aus die unharmonischen Züge seines Weibes in völlige Harmonie traten und sie für ihren Gatten zum Muster der Vollkommenheit wurde, ohne hinreichenden Zauber zu besitzen, um andere zu veranlassen, sie ihrem ehelichen Gemahl abzuspannen. Außerdem muß man nicht vergessen, daß es Jemmy nur an Höhe gebrach, er hatte daher das, was ihm selbst fehlte, wenn auch nicht für die eigene Person, so doch für die seines Weibes gewonnen. Letztere war ihm mit leidenschaftlicher Liebe zugetan, dabei auch sehr eifersüchtig, worüber man sich nicht wundern darf, denn sie erklärte, daß es nie einen solchen hübschen Mann gegeben habe wie ihn.
Jemmy Entenbein hatte seine Fiedel in der Hand, die er abwärts in der Weise eines Violons hielt, weil er sein Instrument nie anders spielte. Gelegentlich fingerte er an den Saiten und zerrte daran, wie an einer Guitarre, damit der Ton nach dem Hinterschiff dringe und Herr Vanslyperken auf den Glauben komme, sie hätten sich zu Scherz und Lustbarkeit versammelt.
„Eins ist gewiß“, bemerkte Coble, „daß sein Hund kein Offizier ist.“
„Nein“, versetzte Dick Kurz.
„Er steht nicht in den Schiffsbüchern. Ich kann daher nicht einsehen, wie man da von Meuterei sprechen kann.“
„Nein“, entgegnete Kurz.
„Mein Gott, er ist kein Hund — er ist der Teufel“, bemerkte Jansen.
„Wer weiß, wie er in den Kutter gekommen ist?“
„Es ist eine seltsame Historie darüber im Umlauf“, meinte einer der Matrosen.
„Tum, tum, tum di tum“, ließ sich Jemmy Entenbeins Fiedel vernehmen, als ob sie gleichfalls ihre Stimme bei der Beratung abzugeben habe.
„Wenn es so fortgeht, hat der arme Junge den Tod davon. Der Leutnant wird nicht ruhen, bis er der armen Kreatur die Seele aus dem Leib gehetzt hat. Schaut nur, wie er in seiner Hängematte liegt.“
„Ich habe nie einen Christenmenschen in einem solchen Zustand gesehen“, sagte einer der Matrosen.
„Wenn der Hund nicht draufgeht, so ist’s um den armen Bones geschehen“, ließ sich Coble vernehmen, „ich sehe deshalb nicht ein, warum man nicht einem menschlichen Individuum den Vorzug geben sollte, obgleich der Hund dem Leutnant gehört. Wohlan denn, was sagt ihr zu der Sache, meine Jungen?“
„Tum tum, tum tum, tum di tum di tum“, versetzte die Fiedel.
„Wir wollen die Bestie ohne Umstände aufhängen.“
„Nein“, versetzte Kurz.
Jansen sah Kurz an, zog sein Messer heraus und machte damit eine Bewegung, als ob er dem Hunde über die Kehle führe.
„Nein“, sagte Kurz.
„Wir wollen ihn bei Nacht über Bord werfen“, meinte einer der Matrosen.
„Aber wie kriegen wir das Untier aus der Kajüte heraus?“ entgegnete Coble. „Wenn wir dies im Sinne haben, so muß es bei Tage geschehen.“
Kurz nickte mit dem Kopfe.
„Ich will ihn bei der ersten Gelegenheit vom Stapel lassen“, bemerkte Jemmy Entenbein und fügte dann mit gedämpfter Stimme bei: „nur möchte ich zuerst wissen, ob er wirklich ein Hund ist, oder nicht.“
„Ein Hund ist ein Hund“, versetzte Jansen.
„Ja“, entgegnete einer von den Matrosen, „wir alle wissen, daß ein Hund ein Hund ist. Aber es fragt sich nun, ist dieser Hund ein Hund?“
Es trat eine Pause ein, welche Jemmy Entenbein mit Tasten auf seinen Fiedelsaiten ausfüllte.
Es stellte sich heraus, daß, obgleich alle Matrosen den Hund über Bord zu sehen wünschten, doch keiner die Tat auf sich nehmen wollte, nicht etwa aus Furcht vor Entdeckung, sondern weil viel Aberglauben unter ihnen herrschte. Sie waren der Meinung, es bringe Unglück, wenn man einen Hund oder überhaupt ein Tier über Bord werfe. Dazu kam noch, daß viele überzeugt waren, die Bestie sei ein Kobold aus der Hölle, den der Teufel Vanslyperken geliehen habe, und wenn man ihm ein Leides tue oder ihn umzubringen versuche, so hätten unausbleiblich die Täter, wenn nicht noch obendrein das Schiff und die ganze Mannschaft,