Der Höllenhund. Фредерик Марриет
Читать онлайн книгу.von seinen Wunden erholte und darüber nachdachte, wie er sich Smallbones vom Halse schaffen wolle. Der letztere genas gleichfalls von seinen Bissen und erwog bei sich, wie er mit Snarleyyow fertig werden könne. Der arme Junge hatte sein Amt wieder angetreten, der Leutnant, der über Unheil brütete, behandelte ihn sehr freundlich. Auch Snarleyyow, der seine Niederlage auf dem Halbdeck nicht vergessen hatte, unterließ es, seine Angriffe zu erneuern, selbst wenn Smallbones sich zu einem Stück Zwieback verhalf.
Die ‚Jungfrau‘ ankerte in den Dünen, Herr Vanslyperken erhielt Depeschen für Den Haag und eilte damit nach Amsterdam, wo er seine Beglaubigungsschreiben abgab und auf die Danksagungsbriefe von Seiner Majestät Vettern wartete.
Aber welch’ ein Getümmel und welch’ ein Gewühl gibt es nicht jetzt an Bord der ‚Jungfrau‘! Smallbones hier, Smallbones da — Vanspitter stampft wie ein Elefant umher, und sogar Snarleyyow spaziert ungewöhnlich oft durch die Luke auf und ab. Was mag es geben? Ach, Herr Vanslyperken geht ans Land, um der Witwe Vandersloosch seine Hochachtung zu bezeugen und seine Bewerbungen fortzusetzen. Sein Boot liegt bemannt neben dem Kutter, und er zeigt sich jetzt auf dem Hauptdecke.
Ist es möglich, daß dies Herr Vanslyperken sein kann? Himmel, wie schmuck er aussieht! Eine Uniform tut bei gewissen Leuten wahrhaftig Wunder! Er hat ein Paar weiter blauer Pantalons an und Stiefel darüber, die bis über die Knie heraufgehen, er trägt eine lange Scharlachweste mit großen Goldblumen, und seine blaue Uniform mit roten Aufschlägen gibt ihm eine gar gebieterische Außenseite. An dem breiten schwarzen Bandelier hängt sein Stutzsäbel, dessen Scheide mit Silber beschlagen, das Heft aber mit Elfenbein und Gold ausgelegt ist, während sein kleiner Kopf sich würdevoll unter einem dreieckigen, goldbordierten Hute ausnimmt, dessen vordere Spitze parallel mit seiner scharfen Nase geht. Zuverlässig muß die Witwe vor dem Scharlach, dem Blau und dem Golde ihre Farben streichen. Aber obgleich sich der Sage nach Frauenzimmer wie Makrelen durch derartige Köder fangen lassen, so halten doch Witwen nicht sonderlich viel auf einen Mann, der so dünn ist, wie ein Hering, sondern sind eher dafür bekannt, daß sie einen substanziellen Urstoff vorziehen und sich nicht bereden lassen, den Schatten für das Wesen zu nehmen.
Herr Vanslyperken war demungeachtet recht wohl mit sich zufrieden, was wenigstens etwas war, obgleich nicht genug für die gegenwärtige Gelegenheit. Er stolzierte selbstgefällig auf dem Deck hin und her, erteilte seine Schlußbefehle an Dick Kurz, der wie gewöhnlich kurze Antwort gab, besprach sich mit Korporal Vanspitter, der mit gewohntem militärischen Anstand die Wünsche seines Kommandeurs entgegennahm, und gab zum Schlusse Smallbones die nötigen Weisungen, welcher sie mit aller Demut anhörte.
Der Leutnant war eben im Begriff, in das Boot zu treten, als ihm ein Bedenken aufstieg und er verlegen Halt machte. Es handelte sich um einen nicht unwichtigen Punkt — ob nämlich Snarleyyow ihn begleiten sollte oder nicht. Eine schwierige Frage, die allerdings einige Überlegung forderte. Ließ er ihn an Bord, so wurde der Hund wahrscheinlich vor seiner Rückkehr über Bord geworfen — das heißt, wenn er Smallbones gleichfalls auf dem Schiffe ließ, denn Herr Vanslyperken wußte, daß es ausgemacht war, Smallbones solle das Tier töten. Es war daher nicht rätlich, den Hund an Bord zu lassen, wenn er ihn aber mit ans Land nahm, so drohte seiner eigenen Person große Gefahr, denn die Witwe Vandersloosch konnte den Hund nicht leiden. Kein Wunder, denn er hatte sich in ihrem Besuchszimmer schlimm aufgeführt, und die Frau war eine sehr reinliche Person, welche keine Freude daran hatte, wenn Hunde ihre Beine mit denen ihrer polierten Mahagonimöbel verglichen. Wenn Herrn Vanslyperkens Werbung nach dem alten Sprichwort: „Liebst du mich, so liebe auch meinen Hund“ zur Entscheidung kommen mußte, so hatte er zuverlässig nur eine schlechte Aussicht, denn die Witwe verabscheute den Köter und hatte es sich verbeten, daß er je in ihr Haus gebracht werde. Er konnte daher das Tier nicht mit ans Ufer nehmen — „aber so wird’s gehen“, dachte Vanslyperken, „ich nehme Smallbones mit. Ich habe einigen Zwieback zu verkaufen, er soll mich dahin begleiten und warten, bis ich wieder zurückkomme.“ Smallbones erhielt deshalb Befehl, seinen Hut aufzusetzen und mit zwei Halbsäcken Zwieback ins Boot zu kommen, um sie nach dem Hause der Witwe hinaufzutragen, denn sie erlaubte Vanslyperken nicht nur, ihr den Hof zu machen, sondern verkehrte auch in kleinen Geschäftssachen mit ihm, und war nie so hold und so gnädig, als wenn sie einen Handel schloß. Herr Vanslyperken wartete daher auf Smallbones, welcher bald bereit war, denn sein bester Anzug bestand nur in der Zugabe eines Schuhpaares für seine gewöhnlich nackten Füße und einem Hute für seinen sonst baren Kopf. Herr Vanslyperken, Smallbones und die Zwiebacksäcke waren bereits im Boot, als Snarleyyow seine Absicht andeutete, sich der Partie anzuschließen. Er wurde jedoch zurückgewiesen, und das Boot ruderte ohne ihn ab.
Sobald sich Herr Vanslyperken entfernt hatte, dachte Dick Kurz, der jetzt das Kommando hatte, er könne sich wohl auch selbst Urlaub geben und gleichfalls ans Land gehen. Er zog daher seine beste Kleidung an, ließ das andere Boot bemannen, übertrug das Kommando an den nächsten Offizier, Obadiah Coble, und nahm Jansen, Jemmy Entenbein und vier oder fünf andere mit sich, um einen Kreuzzug zu machen. Inzwischen war Snarleyyow zu dem Entschlusse gekommen, gleichfalls an Land zu gehen, und Kurz mochte ihm nichts in den Weg legen, denn er wußte, Smallbones werde, wenn er mit ihm zusammentreffe, sein bestes tun, um die Bestie in einen der Kanäle, die so bequem in jeder Straße hinliefen, zu werfen. Der Köter erhielt daher Erlaubnis, mit ins Boot zu kommen, und wurde mit der übrigen Gesellschaft ans Land gesetzt, die sich, wie gewöhnlich, nach dem Lusthaus der Witwe Vandersloosch begab.
8. Kapitel
Die Witwe Vandersloosch war die Inhaberin eines Lusthauses oder eines Vergnügungsplatzes für Matrosen. Ihre Privatwohnung lag nebenan und stand mit dem Lusthause durch eine Tür in der Mauer in Verbindung. Die Wohnung war sehr klein, aber doch gemütlich, zwei Stockwerke hoch und vorn für jeden Raum mit einem Fenster versehen. Im Erdgeschosse befand sich ein Wohnzimmer und eine Küche, während der erste und zweite Stock je zwei kleine Gemächer hatte. Nichts konnte besser geordnet sein, als dieser behagliche Witwensitz. Außerdem hatte sie einen Hof, welcher hinter dem Lusthause hinlief, mit bequemen Gelassen versehen war und durch eine Tür nach der Straße hinaus führte.
Sobald Herr Vanslyperken angekommen war, machte er der Witwe seine demütige Aufwartung, Smallbones aber, der ihn begleitet hatte, legte die Zwiebacksäcke neben das Kratzeisen an der Türe nieder und bewachte sie pflichtgetreu. Der Leutnant meinte, er werde weit gnädiger als gewöhnlich empfangen, was auch vielleicht der Fall war, da es der Witwe in letzter Zeit ein wenig an Kundschaft gefehlt hatte und sie sich freute, daß die Mannschaft des Kutters angelegt war, um ihr Geld bei ihr zu verjubeln. Vanslyperken hatte bereits seinen Säbel samt dem Bandelier abgenommen und beides nebst dem dreieckigen Hut auf einen Seitentisch gelegt, er saß neben der Dame auf dem kleinen weichgepolsterten Sofa und hatte eben ihre Hand ergriffen, um seine Bewerbung zu erneuern und die Ergüsse seines Herzens, die er auf dem Halbdeck der ‚Jungfrau‘ ausgekocht hatte, ausströmen zu lassen, als der nur zu unwillkommene Snarleyyow zur Türe hereinstürzte.
„Oh, dieses garstige Vieh! Mynheer Vanslyperken, wie konnten Sie sich unterstehen, auch den Hund in mein Haus zu bringen?“ rief die Witwe, mit glutrotem Vollmondgesichte von ihrem Sofa aufspringend.
„In der Tat, Frau Vandersloosch“, versetzte Vanslyperken, „ich ließ ihn an Bord, weil ich wohl wußte, daß Sie keine Freundin von Tieren sind, aber es muß ihn jemand mit ans Ufer gebracht haben. Wer es übrigens gewesen sein mag, ich will ihn ausfindig machen und ihn Ihren Reizen zu Ehren kielholen lassen.“
„Ich habe Tiere wohl gern, Herr Vanslyperken, nur nicht Tiere wie dieses schmutzige, garstige, unangenehme und knurrende Vieh da ist. Auch kann ich mir nicht denken, warum Sie ihn nach dem, was ich Ihnen gesagt habe, noch behalten mögen. Es beweist nicht viele Achtung, Herr Vanslyperken, wenn man einen solchen Hund nur deshalb mit sich herumführt, um mich zu ärgern.“
„Ich versichere Ihnen, Frau — —“
„Versichern Sie mir nichts, Herr Vanslyperken, es ist kein Grund dazu vorhanden. Der Hund ist Ihr Eigentum — aber ich werde es Ihnen Dank wissen, wenn Sie ihn aus dem Hause fortschaffen. Vielleicht ist es gut, wenn Sie mit ihm gehen, da er sich ohne Sie schwerlich abhalten läßt.“
Nun hatte die Witwe früher nie so entrüstet gesprochen. Wenn der