Der Höllenhund. Фредерик Марриет
Читать онлайн книгу.Offizier den Befehl über das Fahrzeug überlassend. Die Antwort lautete zu Herrn Vanslyperkens großem Verdrusse verneinend, er stieg daher in sehr übler Laune nach seiner Kajüte herunter und ließ Smallbones vor sich rufen. Aber ehe die Aufforderung an letzteren erging, hatte er noch Zeit, einem oder zweien der Verschwörer zuzuflüstern, daß die Bestie fort sei. Dies war genug. In weniger als einer Minute verbreitete sich das Geflüster durch den ganzen Kutter.
„Er ist fort“, zischelte man sich oben und unten in die Ohren, bis sogar Korporal Vanspitter davon Kunde erhielt. Er hatte sie von einem Seesoldaten, dieser berief sich auf einen Kameraden, der Kamerad auf einen Matrosen, und so verfolgte der unermüdliche Korporal das Gerücht bis auf Smallbones, weshalb er sofort Anlaß nahm, die Sache pflichtgemäß Herrn Vanslyperken zu melden. Er stieg nach der Kajüte hinunter und klopfte.
Inzwischen hatte Vanslyperken seiner üblen Laune gegen Smallbones Luft gemacht, indem er, sobald er sein schöneres Ich wieder in die Kommode eingeschlossen, den armen Jungen mit einer ungewöhnlichen Quantität von Fußstößen regalierte und ihm zugleich mit dem in der Scheide befindlichen Säbel einen schweren Schlag auf den Kopf versetzte. Dieser aber wiederholte in seinem Innern Trostes halber nur die magischen Worte: „Er ist fort!“
„Mit Erlaubnis, Sir“, sagte Korporal Vanspitter, „ich habe durch die Schiffsmannschaft erfahren, daß der Hund fort ist.“
„Ich weiß das, Korporal“, erwiderte Vanslyperken.
„Und, Sir, die Aussage ist von Smallbones ausgegangen.“
„Wirklich? So hast also du ausgesagt, der Hund sei fort? Sprich, Spitzbube, wo ist er?“
„Mit Erlaubnis, ich sagte, der Hund sei fort, und das ist wahr, aber es ist mir kein Wörtchen davon über die Lippen gekommen, daß ich wisse, wo er ist — und ich weiß es auch nicht. Er ist fortgelaufen und wird wahrscheinlich morgen wieder zurückkommen.“
„Korporal Vanspitter, wenn der Hund morgen früh um acht Uhr sich nicht wieder an Bord einfindet, so werdet Ihr alles bereit halten, um diesen Schurken zu kielholen.“
„Ja, Mynheer“, entgegnete der Korporal, hochentzückt, daß es wieder etwas zu strafen gab.
Smallbones machte eine Jammermiene.
„Das ist sehr hart“, sagte er. „Ist’s denn meine Schuld, wenn der Hund vielleicht in den Kanal gefallen ist? Wenn Snarleyyow auf den Boden des Kanals kam, so ist das kein Grund, um mich unter dem Boden des Kutters durchziehen zu lassen.“
„Ja, ja“, erwiderte Vanslyperken. „Ich will dich lehren, Pflastersteine vom Kai herunterzuwerfen. Verlaß die Kajüte, Bursche.“
Smallbones, den das schuldige Gewissen bei Erwähnung der Pflastersteine erblassen ließ, zog sich eilig zurück, und Vanslyperken begab sich zu Bette, um von Rache zu träumen.
9. Kapitel
Der Morgen ist finster und der Wind bläst steif aus Nordwest. Hin und wieder flackern einige Schneeflocken als Vorläufer eines schweren Gestöbers durch die Luft, der ganze Himmel ist in ein trübes Grau gekleidet, während die Sonne sich hinter einem dichten Wolkendamm verborgen hat. Das Deck des Kutters ist naß und schlüpfrig. Dick Kurz hat die Morgenwache. Er ist in einen dichten Wollkittel gekleidet und trägt Fäustlinge an den Händen. Wenn er umhersieht, wirbelt ihm hin und wieder eine Schneeflocke ins Auge, die er wieder herausblinzelt, so daß sie schmilzt und wie eine Träne über seine Wange niederläuft.
Die Teerleinwand über der Luke ist auf eine Seite geschoben und der Raum dazwischen durch den Stierkopf und die breiten Schultern des Korporals Vanspitter ausgefüllt, welcher endlich das Deck erreicht. Er blickt umher und ist augenscheinlich nicht sehr erfreut über das Wetter. Ehe er ans Geschäft geht, wendet er sich nach rechts und links, vorwärts und rückwärts, so daß er in einer Minute alle Striche des Kompasses durchlaufen hat. Was kann Korporal Vanspitter zu einer so frühen Stunde wollen? Die Sache verhielt sich nämlich so, daß abends zuvor entschieden worden war, wenn Snarleyyow an diesem Morgen mit dem ans Land geschickten Fleischboote nicht an Bord zurückkehre, so solle der unglückliche Smallbones gekielholt werden.
Dieses sinnreiche Verfahren muß, da es wie viele andere gute, alte Bräuche in Abgang gekommen ist, dem nicht nautischen Leser erklärt werden. Es handelt sich dabei um nicht mehr und nicht weniger, als daß man einen armen Seemann auf eine Entdeckungsreise unter den Boden des Schiffes schickt: man läßt ihn über den Bug hinunter, hält ihn mit Tauen und zieht ihn an einer Leine nach hinten, bis er an den Ruderketten wieder zum Vorschein kommt. Dabei ist er in der Regel ganz außer Atem, nicht so sehr wegen der Schnelligkeit seiner Bewegung, als vielmehr deshalb, weil er solange unter dem Wasser gewesen, allen Atem seines Leibes erschöpft hat und statt dessen Salzwasser einziehen mußte, zwei Mängel, die nicht einmal ein Philosoph mit Geduld zu ertragen vermag. In den Tagen des Kielholens waren die Böden der Schiffe nicht gekupfert und daher durch eine Art von Schaltieren mit scharfen schneidenden Spitzen überzogen. Wer die Strafe über sich ergehen lassen mußte, wurde auf beiden Seite durch Taue an den Armen festgebunden, so daß er den Kiel des Schiffes umfassen mußte; wenn er wieder zum Vorschein kam, war sein ganzer Leib wie von Lanzetten zerschnitten und gekerbt, das Gesicht und die Nase aber wie von Ratten zernagt. Dies wurde jedoch eher für einen Vorteil als für einen Nachteil betrachtet, da der Blutverlust den Patienten, wenn er nicht ertrunken war, wieder ins Leben rief, so daß dem Vernehmen nach in der Regel von dreien einer sich wieder von seiner unterseeischen Exkursion erholte. Den Holländern gebührt die Ehre, die wir ihnen nicht zu nehmen willens sind, diese sehr angenehme Art von Züchtigung erfunden zu haben, und obschon man sie sonst für einen schwerfälligen, phlegmatischen Leuteschlag hält, so muß man ihnen doch zugestehen, daß sie in allen Punkten, wo es sich um die Kunst einer scharfsinnigen Quälerei handelt, viel lebhafteren und sonst erfindungsreicheren Nationen bei weitem den Vorsprung abgewonnen haben.
Und nun wird der Leser wohl begreifen, daß sich Korporal Vanspitter in einer Klemme befand, denn mit dem besten Willen von der Welt und mit der eifrigsten Begier, seinem Vorgesetzten zu gehorchen und die ihm aufgetragene Pflicht zu erfüllen, war er doch kein Seemann, konnte daher auch nicht wissen, wie er die Operationen beginnen sollte. Der Korporal drehte sich also, wie gesagt, nach allen Strichen des Kompasses, um zu sehen, wie er die Sache anzugreifen habe, endlich begann er damit, daß er zu beiden Seiten je ein Tauende anzog. Diese konnten als Seitenleinen die entsprechenden Dienste tun; aber nun bedurfte er eines langen Strickes für den Vorderteil und eines anderen für den Hinterteil des Schiffes, weshalb er nicht wenig verlegen war, wie er diese unter den Boden des Fahrzeuges bringen sollte. Dazu kam noch, daß ihm der Mast und das Takelwerk im Wege stand. Der Korporal stellte Erwägungen an, und je mehr er über die Sache nachdachte, desto verwirrter wurde sein Gehirn, so daß er zuletzt die Sache aus Verzweiflung aufgab. Er blieb stehen, zog ein blaues Baumwolltuch aus der Brusttasche seines Kollettes und wischte sich die Stirne ab, da das angelegentliche Nachdenken große Schweißtropfen hervorgetrieben hatte — denn was wie Kopfarbeit aussah, war für Korporal Vanspitter eine schwere Aufgabe.
„Tausend Teufel!“ rief er endlich, indem er sich mit der Faust vor den dicken Kopf schlug.
„Hunderttausend Teufel!“ wiederholte der Korporal nach fünf Minuten weiteren Nachdenkens.
„Zwanzigmal hunderttausend Teufel!“ murmelte er mit einem weiteren Schlage vor den Kopf, aber er klopfte vergebens, wie an einem leeren Hause, in welchem sich niemand befindet, um auf den Ruf zu antworten.
Der Korporal steckte daher sein Baumwolltuch wieder in die Brusttasche und machte sich durch einen schweren Seufzer Luft. Er hatte zwar alle Teufel der Hölle im Geiste zu seinem Beistande heraufbeschworen, aber sie mußten wohl besser beschäftigt sein, denn obschon die Arbeit des Tages einen gehörig diabolischen Charakter trug, so war doch Smallbones ein so armer Teufel, daß er höchstwahrscheinlich nur als sehr entfernt verwandt mit der infernalischen Brüderschaft betrachtet werden konnte.
Man könnte vielleicht fragen, warum Korporal Vanspitter, da es sich um eine Dienstsache handelte, nicht den Beistand der zum Schiff gehörigen Matrosen, namentlich aber des wachthabenden Offiziers aufbot. Er tat dies nicht gern, weil er wohl wußte, daß