Der Höllenhund. Фредерик Марриет
Читать онлайн книгу.mit der Sache zu schaffen haben.
Obschon man sich viel von dem Gerüchte erzählt hatte, so konnte doch kein Mann an Bord aus eigener Wahrnehmung die Tatsachen bezeugen, welche mit dem ersten Erscheinen des Tieres zusammenhingen, denn die Mannschaft, welche damals den Kutter bedient hatte, war inzwischen abgelohnt worden.
„He, Bill Spurey“, sagte Coble, „du weißt mehr von der Sache, als irgend einer. Spinn’ uns daher das Garn und dann werden wir imstande sein, die Sache nüchterner zu besprechen.“
„Gut“, versetzte Spurey, „ihr sollt die Geschichte, soweit mein Gedächtnis reicht, Wort für Wort hören, wie ich sie vernommen habe. Ihr wißt, ich war nicht in dem Fahrzeug, als das Ding an Bord kam, aber Joe Geary war’s. Gut, es war eines Nachts, als wir über einem steifen Glase in der neuen Schenke dort zechten — dem Orangebogen, wie sie’s nennen, an dem Point von Portsmouth — und da wünschte ich etwas von meinem neuen Leutnant zu hören, um zu wissen, mit was für einer Art von Kunden ich zu tun haben sollte. Nachdem ich alles über ihn gehört, hatte ich wohl ein halbdutzendmal im Sinn, wieder abzuschieben, aber ich besann mich eines bessern. Ihr wißt, man darf nicht sonderlich heikel sein in Friedenszeiten, wenn alle großen Schiffe im Schlamm von Southampton und Cinque Port modern. Gut denn, ich kann mich noch recht gut an alles erinnern, was er mir sagte. Es war eine wilde Nacht mit einem garstigen Südwester und die Wellen warfen sich im Hafen zu Schaum auf, so daß sie von dem Winde durch die Straßen gefegt wurden und einander nachjagten, als spielten sie wie die Buben das Fangen. Es war ungefähr zwei Glockenzüge in der Mittelwache, und nach unserem fünften Glase erzählte Joe Geary folgendes:
Es war in einer dunkeln Winternacht, wir lagen just auf der Höhe von Texel. Wir hatten das Sturmtuch auf und fochten mit den Elementen um jeden Zoll Grund — das Schiff wurde von den Wellen so gepeitscht, daß der Lotmann an das Takelwerk gebunden werden mußte, damit er nicht weggewaschen werde. Da kam mit einemmale ein Windstoß, laut genug, um für die letzte Trompete gelten zu können, und die Wellen tobten heiserer als je. Der Schiffsmast ging dahin, obgleich er kaum mehr Segel trug, als ein Schnupftuch groß ist, das Fahrzeug rollte und stieß in den tiefen Trögen, wie ein armer Sünder in der Verzweiflung stirbt. Und dann war’s ein Wrack, mit nichts, um uns zu helfen, als Gott dem Allmächtigen. Alle Matrosen riefen Gott an und hatten auch alle Ursache dazu.
Nun geht aber die Rede, daß der Leutnant nicht wie ein Christ und Mensch nach dem gerufen habe, der ihn und die bedrohlichen Wasser schuf, obgleich der Tod damals in seiner ganzen Herrlichkeit prangte und die schäumenden Wogenkämme wie Federn über einem Leichenwagen aussahen. Dagegen weinte er wie ein Kind und fluchte dazu fürchterlich, ohne Unterlaß von seinem Gelde, von seinem lieben Gelde sprechend und sich keinen Strohhalm um seine noch kostbarere Seele kümmernd.
Und der Kutter wurde hinuntergetragen, jede Welle riß ihn mit furchtbarer Gewalt näher und näher dem Untergang„ als der Mann am Lot ausrief: Mark Drei, der Herr sei unsern Seelen gnädig! Die Mannschaft hörte dies und rief: Herr, rette uns, oder wir gehen zu Grunde. Aber dennoch dachten sie, daß ihr Stündlein gekommen sei. Einige weinten oder beteten, während sie sich an die Bollwerke des keiner Leitung gehorchenden Schiffes anklammerten, indes andere stumm dem Tode entgegensahen. Aber der Leutnant — er tat alles, er weinte und betete, fluchte und war stumm, wurde aber zuletzt ganz wütend, und als die Matrosen wieder riefen: Herr, hilf uns, Herr, rette uns! brüllte er hinaus: Will denn kein Teufel uns helfen, denn — —. Kaum waren diese Worte aus seinem Munde, als ein Blitzstrahl niederfuhr, der augenscheinlich das Schiff traf, aber ihm ebensowenig, als der darauf folgende Donnerschlag, Schaden tat. Eine blaue Flammenkugel setzte sich auf die Ritterköpfe und kam dann hüpfend und tanzend nach dem Hackebord, wo er allein stand, denn die Matrosen hatten ihn wegen seiner Gotteslästerungen verlassen. Einige sagen, man habe ihn wie in einer Unterhaltung sprechen hören, aber niemand weiß, was vorging. Wie dem sein mag, er kam plötzlich so mannhaft als nur möglich nach dem Vorderschiffe, und die Kreatur folgte ihm, den Kopf und den Schwanz ebenso gesenkt tragend, wie sie’s jetzt tut.
Und der Hund guckte auf, bellte tief, und sobald er gebellt hatte, schien der Wind einzuschlafen. Er bellte wieder, worauf Windstille eintrat. Bei seinem dritten Bellen legten sich die Wogen — er tätschelte den Hund auf den Kopf, und das Tier bellte dann ein paar Minuten ganz laut. Aber man denke sich nun unser Erstaunen und Entsetzen, denn statt in einer schweren Bö ohne Hoffnung auf Kabelslänge von den Texelsandbänken zu sein, sahen wir jetzt, mit klarem Himmel und glattem Wasser, die Forelandlichter nur zwei Meilen von unserem Kiele.“
Der Matrose endigte seine Legende — es trat nun für eine Weile Schweigen ein, welches zuerst durch Jansen mit den gedämpften Worten unterbrochen wurde: „Dann ist der Hund kein Hund.“
„Nein“, versetzte Coble, „er ist ein böser Geist, den der Teufel seinem in der Not befindlichen Jünger heraufgeschickt hat.“
„Ja“, sagte Kurz.
„Gut“, entgegnete Jemmy Entenbein, der für eine Weile aufgehört hatte, die Saiten seiner Fidel zu berühren, „aber ist es dann nicht die Aufgabe eines jeden guten Christen, das Vieh umzubringen?“
„Es ist kein sterbliches Tier, Jemmy.“
„Richtig. Das habe ich vergessen.“
„Der Hund ist ein Kind des Teufels“, bemerkte Jansen.
„Ja, und auch nach ihm getauft“, fuhr Coble fort. „Wer hat je gehört, daß irgend ein Christenvieh einen solchen höllischen Namen gehabt hätte?“
„Aber, was ist da anzufangen?“
„Je nun“, entgegnete Jemmy Entenbein, „mag’s nun ein Satanskobold sein oder nicht, jedenfalls hat ihn Smallbones heute mit seinen eigenen Waffen bekämpft.“
„Und ihn noch obendrein überwunden“, sagte Coble.
„Ja“, erklärte Kurz.
„Nun ist meine Meinung, daß sich Smallbones nicht vor ihm fürchtet“, fuhr Jemmy Entenbein fort, „mag er jetzt ein Teufel sein oder nicht, er wird ihn töten, wenn er kann.“
„Er ist die geeignete Person, es zu tun“, versetzte Coble, „um so mehr, da man sagen kann, er sei sein natürlicher Feind.“
„Ja, mein Gott, der Junge ist der Mann dazu“, sagte Jansen.
„Wir wollen ihm den Vorschlag machen, sobald er aus seiner Hängematte kommt“, entgegnete Jemmy Entenbein.
Man kam einmütig zu dem Beschlusse, daß Smallbones das Tier umbringen müsse, wenn es überhaupt getötet werden könne.
Die einzige Partei, welche darüber nicht um ihre Meinung befragt wurde, war Smallbones selbst, welcher in seiner Hängematte schlief. Die Beratung wurde alsbald geschlossen, und alle begaben sich nach dem Schiffsraume hinunter.
6. Kapitel
Ungeachtet aller Vorsichtsmaßregeln, welche die Gesellschaft in der Back getroffen, war diese Beratung von keiner geringeren Person, als von dem riesigen Korporale Vanspitter belauscht worden, denn dieser hatte sich gedacht, daß etwas im Vorderschiffe vorgehe, weshalb er unter dem Bollwerk weiter gekrochen war, um sich auf dem Fockstagsegel auszustrecken, das zwischen zwei Kanonen lag. Er hatte hierzu den Augenblick gewählt, als die Matrosen eben mit gespannter Aufmerksamkeit auf Bill Spureys Legende von dem ersten Erscheinen des Hundes an Bord lauschten, und da es ihm so weit gelungen war, unbemerkt näher zu kommen, warf er einen Teil des Segels über seinen wohlgemästeten Körper und blieb während des übrigen Gesprächs unentdeckt. Er hörte die Leute hinuntersteigen und verhielt sich noch immer ruhig, bis er glaubte, daß die Back völlig leer sei.
In der Zwischenzeit brütete Herr Vanslyperken, der ohne seinen treuen Begleiter auf dem Hinterdecke auf und ab ging — denn Snarleyyow lag zusammengekauert auf dem Bette seines Gebieters — in tiefen Gedanken, wie er die zwei mächtigsten Leidenschaften unserer Natur, seine Liebe und seinen Haß, befriedigen könne, das eine Mal an die schöne und wohlbeleibte Frau Vandersloosch samt ihren Gulden denkend, das andere Mal sich den verhungerten Smallbones und die Annehmlichkeiten des Kielholens ins Gedächtnis rufend. Die lange