Gesammelte Werke. Ricarda Huch

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Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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Prinzip, das er im Reich so schneidend bekämpfte, gestärkt und in allen Ländern außer Frankreich die Bischöfe von sich abhängig gemacht.

      Im 7. und 8. Jahrhundert wiesen es die Päpste streng zurück, wenn sie als allgemeine Bischöfe angeredet wurden, weil sie dadurch den übrigen Bischöfen, ihren Brüdern, zu nahe träten. Sie wollten nicht mehr sein als die andern, nur wenn einer sich vergangen hätte, wollten sie sie zurechtweisen und in Fällen des Streites oder der Ungewißheit entscheiden dürfen. Innocenz III. beschränkte ihre Rechte, bis sie nicht viel mehr als Beamte des Papstes waren. Der Geist Roms richtete sich gebieterisch auf. Wozu einzelne Päpste den Grund gelegt hatten, das stand nun hüllenlos massiv da: die römische Weltherrschaft in der Hand der Päpste. Wiedergekommen war die Vergötterung der Cäsaren, die einst die christliche Kirche als Blasphemie der Heiden verdammt hatte. Innocenz III. sagte, er sei weniger als Gott und mehr als die Menschen und legte den Ton mehr auf das Erhobensein des Sterblichen in die Nähe der Allmacht als auf den Zwischenraum, der ihn noch von Gott trennte. Dasselbe Ziel verfolgte Gregor IX. in anderer Art. Innocenz war ein großer Organisator, umsichtig, immer seiner Zwecke bewußt und seine Mittel beherrschend mit der ruhigen Sicherheit des reifen Mannes. Gregor war alt, als er zur Regierung kam, und das Alter milderte seine Leidenschaft nicht, sondern steigerte sie zu äußerstem Ungestüm. Er mußte große Taten in eine kurze Spanne zwingen, mußte mit dem Feuer des Geistes die Gebrechlichkeit des Körpers ersetzen. Der Stil der päpstlichen Kurie, der von jeher eine Mischung spätrömischen Pompes und frommer Rührung gewesen war, schwoll grell an. Gregor entzündete einen roten apokalyptischen Himmel über Italien und Deutschland. Aber auch in das Kaisertum drang römischer Atem ein. Friedrich I. zwar hatte die römischen Ideen nur benützt, sich nicht davon beherrschen lassen; aber schon Heinrich VI., vor dem, als er in Palermo einzog, das Volk sich wie vor einem Gott in den Staub warf, begann in Sizilien eine Herrschaft aufzurichten, deren zentralistischer Charakter der deutschen Auffassung widersprach. Friedrich II. vollendete den Beamtenstaat, den er unumschränkt wie ein Despot regierte, wie der Papst über die sterblichen Menschen in die Nähe der Gottheit entrückt. Auch in Friedrichs Kanzlei wurde ein gebauschtes Pathos üblich; zwei Mächte stießen aufeinander, die sich bewußt waren, auf einer Ebene zu Häupten der Menschheit zu kämpfen.

      Friedrich II. suchte sich im Beginn seiner Regierung mit Innocenz und dessen Nachfolger Honorius gut zu stellen, indem er förmlich versprach, erstens sein Königreich Sizilien nicht mit dem Reiche zu vereinigen, sondern es, sowie er Kaiser geworden wäre, seinem Sohne Heinrich zu übergeben, zweitens einen Kreuzzug zu unternehmen. Nachdem er im Jahre 1219 zum Kaiser gekrönt war, blieben beide Versprechungen unerfüllt. Die Vorwürfe des Papstes gab er zurück, indem er sagte, daß Honorius schlecht qualifizierte niedere Leute als Kreuzzugsprediger nach Deutschland schicke. Als Gregor Papst wurde, verfingen die Ausflüchte nicht mehr. Friedrich solle, sagte er, sich von den Lüsten der Welt abkehren, dem Himmlischen zu. Ihm sei eine dreifache Krone verliehen: von Deutschland, der Mutter, erhalte er die Gnadenkrone durch die freie Wahl der Fürsten, von der Lombardei, der Stiefmutter, die Krone der Gerechtigkeit, vom Papste, dem Vater, die Krone des Ruhmes, die ihm den Vorrang vor allen Gewalten der Welt gebe und das Reich mit Christus, der ebenfalls mit einem dreifachen Diadem gekrönt sei. Keinen geringen Rang gestand Gregor seinem Gegner mit diesem prachtvollen Bilde zu; er dachte groß genug, sich mit einem Ebenbürtigen messen zu wollen. Im Spätsommer desselben Jahres schiffte sich Friedrich, um den Kreuzzug anzutreten, in Brindisi ein; aber plötzlich wurde er krank, wie er sagte, und mußte zurückbleiben. Das entfachte den Streit von neuem. Ohne Untersuchung setzte Gregor voraus, daß die Krankheit des Kaisers vorgetäuscht sei, und exkommunizierte ihn, sich darauf stützend, daß der Kaiser selbst sich dem Bann verfallen erklärt hätte, wenn er sein Versprechen nicht erfüllen sollte. Friedrich beantwortete den Angriff damit, daß er allen Klerikern, Ordens- und Weltgeistlichen in Sizilien befahl, den Gottesdienst wie immer abzuhalten, widrigenfalls er ihre Güter einziehen würde, und daß er die angesehensten römischen Familien zu seinen Vasallen machte, indem er ihnen ihre Güter abkaufte und sie damit belehnte. Dann unternahm er die Kreuzfahrt und errang einen über alle Erwartung glänzenden Erfolg. Ohne Kampf, durch persönliches Verhandeln und kluges Eingehen auf die Eigenart der Sarazenen bewirkte Friedrich, daß der Sultan ihm Jerusalem, Bethlehem, Nazareth, die hochheiligen Orte Palästinas, dazu Tyrus und Sidon überließ; einzig der Tempel des Herrn in Jerusalem sollte unter sarazenischer Bewachung bleiben, weil die Sarazenen dort zu beten pflegten, aber den Christen sollte freier Zutritt zur Verrichtung ihrer Andacht gewährt sein. Verschiedene andere Vergünstigungen kamen dazu. Es war ein Erfolg, der einem Wunder glich und wie ein Gottesurteil zugunsten des Kaisers erschien. Trotzdem beherrschte Friedrich sich so weit, daß er sich zwar die Krone in Jerusalem aufsetzte, aber einen Gottesdienst, weil er gebannt war, nicht abhalten ließ. Daß gleich darauf Gesandte des Papstes erschienen und in seinem Namen die heiligen Stätten mit dem Interdikt belegten, hob das Ansehen des Kaisers; denn während dieser den Christen des Heiligen Landes Frieden und Recht brachte, störte jener den Frieden und das Gebet. Die Tatsache, daß der Kaiser, der das Heilige Land gewann, vom Papst gebannt war, ließ nicht nur in Deutschland, sondern auch in einem Teil des Auslandes den Kaiser als einen Gläubigen, den Papst als einen Friedensbrecher erscheinen.

      Daß Friedrich eine so maßvolle Haltung bewahrte, war Verdienst des Deutschordensmeisters Hermann von Salza, dem daran lag, die beiden Häupter der Christenheit in ein gutes Verhältnis zu bringen. Auf seinen Rat hörte der Kaiser wie sonst auf wenig Menschen, weil er ihn achtete und fühlte, daß er immer das jeweils Beste wollte. Von dem nicht größten, aber interessantesten aller Kaiser ist wie vom Zebra schwer zu sagen, welches die Grundfarbe seines Charakters war. Er war nicht, wie sein Großvater Friedrich Barbarossa, der allem und allen gegenüber unerschütterlich der gleiche war, aus Heiterkeit und Zorn immer wieder in das Gleichgewicht ruhigen Ernstes übergehend. Friedrich II. liebte es, mit den Dingen zu spielen, es gab nichts, was seine italienische Skepsis nicht benagte; aber er selbst wollte sehr ernst genommen sein, und das geheiligte Fundament, auf das er sich stellte, durfte nicht angetastet werden. Er erlaubte sich kecke Scherze über christliche Glaubenssätze, betonte aber zugleich seine Rechtgläubigkeit, verfolgte die Ketzer und führte die Sprache des bibelfesten Bekenners im witzigen Munde. Sein scharfer Verstand durchdrang Dinge und Menschen, durchschaute alle Falschheiten und sah hinter hochtrabenden Ankündigungen die niedrigen Absichten; das gab ihm ein Gefühl der Überlegenheit und ließ ihn die Menschen verachten. Vor nichts hatte er Ehrfurcht außer vor seiner kaiserlichen Würde. Er ermahnte seinen Sohn Konrad, eifrig zu studieren, damit er tüchtig und weise werde. Denn die Könige, schrieb er ihm, werden geboren wie die übrigen Menschen und sterben auch wie sie. Sie hörten auf, Könige zu sein, wenn sie die königliche Weisheit vergäßen und sich von Privatinteressen beherrschen ließen. Dann aber sprach er von dem edlen Blut der Fürsten, dem ein feiner und edler Geist eingegossen sei, und er pflegte vom Blut der Staufer als vom Reichsgeblüt oder dem Blut der Göttlichen zu sprechen. Solche Ausführungen waren zuweilen ein Redeprunk, den er für angemessen hielt und über den er in manchen Augenblicken vielleicht lachte, da er wirklich überzeugt war, daß Könige Menschen wären wie alle Menschen; zugleich aber fühlte er sich hoch über allen Menschen sowohl durch seine Abkunft wie durch seine Begabung und Persönlichkeit. Er hatte zu seinem kühlen Verstande und nüchternen Scharfblick die Vehemenz des Genies und das schmerzlich selige Selbstbewußtsein des Letzten einer bedeutenden Familie. Auch seine äußerliche Erscheinung war nicht einfach: man rühmte sein schönes Gesicht und sein königliches Auftreten, aber seine Kurzsichtigkeit und früh eintretende Kahlköpfigkeit veranlaßten einen Araber zu der Bemerkung, als Sklave würde er nicht viel gegolten haben. Da er das Schillernde seines Wesens und das Vielfachgeschliffene seines Geistes empfand, liebte er die schlichten, festgegründeten, einfachen Menschen wie Hermann von Salza und Landgraf Ludwig den Heiligen von Thüringen; diesen hatte er durch Hermanns Vermittlung kennengelernt. Auch darin war er italienisch, daß ihm Freundschaft der Männer mehr galt als Liebe der Frauen. Er war viermal verheiratet und hatte Liebesverhältnisse mit mehreren Frauen, ohne daß eine jemals Einfluß auf ihn gehabt zu haben scheint. Die Söhne, die aus den flüchtigen Verbindungen hervorgingen, liebte er mehr als die rechtmäßigen. Auch die Nahestehenden sah er zuweilen mit den Schlangenaugen an, die seine Feinde ihm zuschrieben, voll böser Kälte, und doch konnte er rückhaltlos vertrauen und warmherzige edle Männer an sich fesseln.

      Hermann von Salza verstand den schwer zu durchdringenden


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