Gesammelte Werke. Ricarda Huch
Читать онлайн книгу.Versöhnung zwischen Papst und Kaiser stattfand und daß diese vorläufige Klammer eine Zeitlang hielt. Die Ordnung seines sizilianischen Staates und ein Aufenthalt in Deutschland beschäftigten den Kaiser; sowie er aber mit einem auserlesenen, hauptsächlich aus Süddeutschen bestehenden Heere zurückkehrte, um die Lombardei zu unterwerfen, brach Gregor aus der mühsam bewahrten Zurückhaltung vor. Die Argumente, deren er sich bediente, waren die eines Papstes, aber sein Haß war der eines Königs von Rom und Italien. Friedrich solle nicht die Lombarden bekämpfen, sagte er, sondern die Sarazenen, mit denen aber verkehre er in Freundschaft, einer schnöden, verwerflichen für einen christlichen Kaiser. Solle er Italien, sein Erbland, verlieren, rechtfertigte sich Friedrich, um das entfernte Land der Sarazenen zu erobern? Wäre er, ein einzelner Mensch, imstande, die mächtigen Sarazenen zu besiegen? Gerade darum wolle er Italien unterwerfen, das reich an Waffen, Pferden und allen erdenklichen Schätzen sei, weil er diese Schätze zum Kampfe gegen die Ungläubigen verwenden wolle. Als dann Friedrich seine natürliche Tochter Selvaggia dem Ezzelino von Romano zur Frau gab und damit einen treuergebenen Anhänger in der Lombardei gewann, seinen Sohn Enzio mit der Erbin von Sardinien verheiratete, über das der Papst Lehensrechte zu haben behauptete, als er endlich den entscheidenden Sieg bei Cortenuova über die Mailänder erfocht, schleuderte der Alte in wütender Verzweiflung alle Waffen gegen den triumphierenden Feind, die ihm zur Hand waren. In der Bulle Ascendit de mare, Aus dem Meer steigt ein Tier, goß er über ihn aus, was der Haß ihm eingab und was sich ihm an Verleumdung und Klatsch darbot. Friedrich spiegele der Welt vor, er habe das Heilige Land befreit; in Wirklichkeit habe der Sultan nichts als die Mauern Jerusalems ihm abgetreten. Er verfolge die Christen, nicht die Sarazenen. Er habe gesagt, die Welt habe sich durch drei Betrüger täuschen lassen: Jesus, Moses und Mohammed, zwei von ihnen seien auf der Höhe ihres Ruhmes gestorben, der dritte, Jesus, sei am Galgen aufgehängt worden. Er leugne, daß Gott von einer Jungfrau geboren sei, er behaupte, daß die Menschen nichts zu glauben brauchten, was nicht durch die natürliche Vernunft bewiesen werden könne. Er sei ein Ketzer, das Tier der Apokalypse, der Vorläufer des Antichrist; er sei es und höre es gern, wenn man ihn so nenne.
An einem Tage des Jahres 1239, während Friedrich in Padova, wo er mit einem Elefanten, fünf Leoparden und 24 Kamelen im Kloster Santa Giustina abgestiegen war, auf der Stadtwiese den Spielen zusah, die dort jährlich abgehalten wurden, exkommunizierte ihn der Papst von neuem. Das traf ihn tief; wie wenig er auch sein Seelenheil dadurch gefährdet glauben mochte, so wenig unterschätzte er doch die Folgen des Bannes durch das Vorurteil der Menschen. Nicht nur, daß seine Feinde sich seiner bedienen konnten, auch unter seinen Anhängern erregte er Unsicherheit. Im Banne war er nicht mehr der Unantastbare, der heilige Kaiser; er war gebrandmarkt, ob zu Recht oder Unrecht. Zunächst allerdings wurde die Stellung des Kaisers nicht erschüttert. Frankreich, das Gregor mit der Kaiserkrone lockte, die er dem französischen König zuzuwenden versprach, lehnte vorsichtig ab. Wie komme der Papst dazu, wurde ihm geantwortet, einen so großen Fürsten vom Throne zu stoßen, ohne daß er der ihm vorgeworfenen Verbrechen überführt sei? Das könne nur ein Konzil tun. Würde der Papst mit französischer Hilfe den Kaiser entthronen, würde er alle Fürsten der Welt mit Füßen treten, stolz geworden, weil er den großen Friedrich zerschmettert habe. Ebensowenig ließen sich die deutschen Fürsten zum Abfall bewegen, sie drangen viel mehr in den Papst, der Zwietracht ein Ende zu machen, die das Reich mit Aufruhr und Mord erfülle. Die Volksstimmung in Deutschland war vollends ganz und gar kaiserlich. »Römische Sendlinge und ihr Gebot – Ist jetzt Pfaffen- und Laienspott«, sang der Dichter Freidank. In Schwäbisch-Hall traten Ketzer auf, die behaupteten, der Papst, die Bischöfe und Prälaten wären Ketzer, Kaiser Friedrich und sein Sohn Konrad wären vollkommen und gerecht. Auch kriegerisch hatte Friedrich Erfolge. Er drang siegreich im Kirchenstaate vor, und Gregor geriet in Gefahr, sein Gefangener zu werden. Er erbot sich zum Frieden unter der Bedingung, daß die lombardischen Städte einbezogen würden, was Friedrich ablehnte.
Ungefähr zur selben Zeit, als Gregor den Bann über den Kaiser verhängte, starb Hermann von Salza, der als sein guter Genius begütigend und vermittelnd neben ihm hergegangen war. Ein grausamer Zug tritt seitdem mehr und mehr in Friedrichs Wesen hervor. Wer sich ihm widersetzte oder ihm zu widerstreben schien, wurde ohne Nachsicht, hohnvoll, dem Untergang geweiht. Die Dominikaner und Franziskaner, die dem Papst anhingen, wurden aus dem Königreich Sizilien vertrieben. Als die Belagerung von Faenza, einer päpstlichen Stadt, sich lange hinzog, ließ der Kaiser siebzig Bürger, die aufgegriffen waren, aufhängen. Ebenso einen Sohn des Dogen von Venedig, weil er mit den Venetianern im Streit war und sie ihn geschädigt hatten. Die Gesandten, die zu Schiff nach Rom reisten, um einem Konzil beizuwohnen, das der Papst berufen hatte, nahm Friedrichs Sohn Enzio nach einer siegreichen Seeschlacht gefangen. Nicht nur, daß der Erzbischof von Besançon dabei ertrank, es starben noch mehrere während der langen Gefangenschaft, in der Friedrich sie hielt. Dies Verfahren gegen hohe Geistliche verschiedener Länder wirkte verstimmend. Der Kaiser aber drang unaufhaltsam gegen Rom vor, immer enger zog er die Schlinge um den geängsteten Gregor; da entriß der Tod den alten Mann seinem Feinde und bewahrte die Welt vor dem Zusammenstoß der rasenden Gestirne.
In Gregors Nachfolger, dem Genuesen Innocenz IV., hoffte Friedrich einem ihm wohlgesinnten Manne zu begegnen; aber der Papst führte die kaiserfeindliche Politik Gregors, womöglich schärfer, unerbittlicher fort. Verkleidet floh er nach Rom, versammelte dort ein Konzil und entthronte und verfluchte Friedrich in Gegenwart von dessen Kanzler Thaddaeus von Suessa, der vergeblich seinen Herrn zu verteidigen versuchte. In Deutschland erklärten sich die Erzbischöfe von Mainz und Köln für den Papst; sie setzten die Wahl des Landgrafen Heinrich von Thüringen durch und nach dessen Tode des Grafen Wilhelm von Holland. Beide bekämpften Konrad als König von Deutschland mit wechselndem Glück, keiner konnte es zu durchschlagendem Erfolge bringen. Friedrich überlebte die endgültige Spaltung um fünf Jahre, zwar nicht besiegt, aber tief erschüttert. Die Untreue seines Kanzlers Petrus von Vinea, den er viele Jahre hindurch als unentbehrliche Stütze betrachtet hatte, die Gefangennahme des fröhlichen Enzio, seines Sohnes, dessen kriegerische Schneidigkeit sich so oft bewährt hatte und den auszulösen ihm nicht gelang, mußten ihm als Vorzeichen des Zusammenbruchs erscheinen. Aber welchen Schmerz und welche Bitterkeit er auch empfand, der Welt zeigte er immer die Heiterkeit, die als Merkmal des Königtums galt, wie es die Art der Sonne ist, zu strahlen. In sein Testament versiegelte er die Rache, damit nicht sein Tod seinen Feinden zugute käme. »Wir wünschen und befehlen, daß keiner der Verräter am sizilischen Reich jemals in dasselbe zurückzukehren und niemand aus ihrem Geschlecht in deren Rechte und Besitzungen einzutreten wage, unsere Erben seien vielmehr gehalten, an ihnen Rache zu nehmen.« Der Kirche, bestimmte er, sollten alle ihre Rechte zurückerstattet werden, jedoch ohne Schädigung des Reiches und der Ehre des Kaisertums und seiner Erben, und wenn die Kirche ihrerseits die Rechte des Kaisertums zurückerstatte. Ebenso treu ihrem Haß waren die Päpste. Friedrichs Sohn Konrad versuchte vergeblich zu einer Verständigung mit ihnen zu kommen, nicht nur Innocenz, sondern auch seine Nachfolger erklärten, daß sie keinen Sprossen des verfluchten Geschlechts der Hohenstaufer auf dem Thron der Könige und Kaiser dulden würden. Innocenz tat sofort nach Friedrichs Tod Schritte, um sich in den Besitz Siziliens zu setzen, starb aber, ohne etwas erreicht zu haben. Im selben Jahre folgte ihm Konrad im Tode nach. Manfred, Friedrichs Liebling, der sternenäugige Sohn der Bianca Lancia, der alle die glänzenden Eigenschaften des Vaters geerbt zu haben schien, schön, mutig, dichterisch begabt, hochgebildet war, verteidigte das Königreich mit Glück. Trotz seines überwiegend italienischen Ursprungs schmückte ihn die Blondheit der Staufer. An seinem Hofe sammelte sich alles, was der Süden Italiens an hoher Bildung und fremdartigem Reiz hervorbrachte. Er trug, so glaubte man, einen Zauberring, mit dem er Dämonen beschwören konnte und der später in den Besitz der Päpste gelangt sein soll. Ohne Erfolg für die Päpste zog sich der Krieg um Sizilien hin, bis Clemens IV. den Bruder des Königs von Frankreich, Karl von Anjou, ihn zu führen bewog. Manfred fiel in der unglücklichen Schlacht bei Benevent; zwei Jahre später wurde Konradin, der sechzehnjährige Sohn König Konrads und der Elisabeth von Bayern, in der Schlacht bei Tagliacozza besiegt und in Neapel hingerichtet. Es war im Jahre 1268. Die Schande, mit der dies unerhörte Verfahren den Namen Karl von Anjou unvertilgbar befleckte, war die einzige Strafe, mit der das Schicksal den Henker des jungen Königs zeichnete. Das unkönigliche und unritterliche Wüten gegen den Hochgeborenen und seine Getreuen erregte Widerwillen nicht nur bei den Ghibellinen Italiens und Sympathie für den Jüngling, der