Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer


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Objekt der Erfahrungseyns, die es mit Plato's Ideen, aber auch mit allen möglichen Chimären gemein hat, herbeigezogen wird, ist also durchaus nicht zu rechtfertigen. Da nun der Mißbrauch weniger Jahre nicht in Betracht kommt gegen die Auktorität vieler Jahrhunderte, so habe ich das Wort immer in seiner alten, ursprünglichen, Platonischen Bedeutung gebraucht.

      Die Widerlegung der rationalen Psychologie ist in der ersten Auflage der »Kritik der reinen Vernunft« sehr viel ausführlicher und gründlicher, als in der zweiten und folgenden; daher man hier schlechterdings sich jener bedienen muß. Diese Widerlegung hat im Ganzen sehr großes Verdienst und viel Wahres. Jedoch bin ich durchaus der Meinung, daß Kant bloß seiner Symmetrie zu Liebe den Begriff der Seele aus jenem Paralogismus mittelst Anwendung der Forderung des Unbedingten auf den Begriff Substanz, der die erste Kategorie der Relation ist, als nothwendig herleitet und demnach behauptet, daß auf diese Weise in jeder spekulirenden Vernunft der Begriff von einer Seele entstände. Hätte derselbe wirklich seinen Ursprung in der Voraussetzung eines letzten Subjekts aller Prädikate eines Dinges, so würde man ja nicht allein im Menschen, sondern auch in jedem leblosen Dinge eben so nothwendig eine Seele angenommen haben, da auch ein solches ein letztes Subjekt aller seiner Prädikate verlangt. Ueberhaupt aber bedient Kant sich eines ganz unstatthaften Ausdrucks, wenn er von einem Etwas redet, das nur als Subjekt und nicht als Prädikat existiren könne (z.B. »Kritik der reinen Vernunft«, S. 323; v, 412; »Prolegomena«, § 4 und 47); obgleich schon in des Aristoteles »Metaphysik«, IV, Kap. 8, ein Vorgang dazu zu finden ist. Als Subjekt und Prädikat existirt gar nichts: denn diese Ausdrücke gehören ausschließlich der Logik an und bezeichnen das Verhältniß abstrakter Begriffe zueinander. In der anschaulichen Welt soll nun ihr Korrelat oder Stellvertreter Substanz und Accidenz seyn. Dann aber brauchen wir Das, was stets nur als Substanz und nie als Accidenz existirt, nicht weiter zu suchen, sondern haben es unmittelbar an der Materie. Sie ist die Substanz zu allen Eigenschaften der Dinge, als welche ihre Accidenzien sind. Sie ist wirklich, wenn man Kants eben gerügten Ausdruck beibehalten will, das letzte Subjekt aller Prädikate jedes empirisch gegebenen Dinges, nämlich Das, was übrig bleibt, nach Abzug aller seiner Eigenschaften jeder Art: und dies gilt vom Menschen, wie vom Thiere, Pflanze oder Stein, und ist so evident, daß, um es nicht zu seyn, ein determinirtes Nichtsehnwollen erfordert ist. Daß sie wirklich der Prototypos des Begriffs Substanz sei, werde ich bald zeigen. – Subjekt und Prädikat aber verhält sich zu Substanz und Accidenz vielmehr wie der Satz des zureichenden Grundes in der Logik zum Gesetz der Kausalität in der Natur, und so unstatthaft die Verwechselung oder Identificirung dieser, ist es auch die jener Beiden. Letztere Verwechselung und Identifikation treibt aber Kant bis zum höchsten Grade in den »Prolegomenen«, § 46, um den Begriff der Seele aus dem des letzten Subjekts aller Prädikate und aus der Form des kategorischen Schlusses entstehn zu lassen. Um die Sophistikation dieses Paragraphen aufzudecken, braucht man nur sich zu besinnen, daß Subjekt und Prädikat rein logische Bestimmungen sind, die einzig und allein abstrakte Begriffe, und zwar nach ihrem Verhältniß im Urtheil, betreffen: Substanz und Accidenz hingegen gehören der anschaulichen Welt und ihrer Apprehension im Verstande an, finden sich daselbst aber nur als identisch mit Materie und Form oder Qualität: davon sogleich ein Mehreres.

      Der Gegensatz, welcher Anlaß zur Annahme zweier grundverschiedener Substanzen, Leib und Seele, gegeben hat, ist in Wahrheit der des Objektiven und Subjektiven. Faßt der Mensch sich in der äußeren Anschauung objektiv auf, so findet er ein räumlich ausgedehntes und überhaupt durchaus körperliches Wesen; faßt er hingegen sich im bloßen Selbstbewußtseyn, also rein subjektiv auf, so findet er ein bloß Wollendes und Vorstellendes, frei von allen Formen der Anschauung, also auch ohne irgend eine der den Körpern zukommenden Eigenschaften. Jetzt bildet er den Begriff der Seele, wie alle die transscendenten, von Kant Ideen genannten Begriffe, dadurch, daß er den Satz vom Grunde, die Form alles Objekts, auf Das anwendet, was nicht Objekt ist, und zwar hier auf das Subjekt des Erkennens und Wollens. Er betrachtet nämlich Erkennen, Denken und Wollen als Wirkungen, deren Ursache er sucht und den Leib nicht dafür annehmen kann, setzt also eine vom Leibe gänzlich verschiedene Ursache derselben. Auf diese Weise beweist der erste und der letzte Dogmatiker das Daseyn der Seele: nämlich schon Plato im Phädros und auch noch Wolf: nämlich aus dem Denken und Wollen als den Wirkungen, die auf jene Ursache leiten. Erst nachdem auf diese Weise, durch Hypostasirung einer der Wirkung entsprechenden Ursache, der Begriff von einem immateriellen, einfachen, unzerstörbaren Wesen entstanden war, entwickelte und demonstrirte diesen die Schule aus dem Begriff Substanz. Aber diesen selbst hatte sie vorher ganz eigens zu diesem Behuf gebildet, durch folgenden beachtenswerthen Kunstgriff.

      Mit der ersten Klasse der Vorstellungen, d.h. der anschaulichen, realen Welt, ist auch die Vorstellung der Materie gegeben, weil das in jener herrschende Gesetz der Kausalität den Wechsel der Zustände bestimmt, welche selbst ein Beharrendes voraussetzen, dessen Wechsel sie sind. Oben, beim Satz der Beharrlichkeit der Substanz, habe ich, mit Berufung auf frühere Stellen, gezeigt, daß diese Vorstellung der Materie entsteht, indem im Verstande, für welchen allein sie daist, durch das Gesetz der Kausalität (seine einzige Erkenntnißform) Zeit und Raum innig vereinigt werden und der Antheil des Raumes an diesem Produkt als das Beharren der Materie, der Antheil der Zeit aber als der Wechsel der Zustände derselben sich darstellen. Rein für sich kann die Materie auch nur in abstracto gedacht, nicht aber angeschaut werden; da sie der Anschauung immer schon in Form und Qualität erscheint. Von diesem Begriff der Materie ist nun Substanz wieder eine Abstraktion, folglich ein höheres Genus, und ist dadurch entstanden, daß man von dem Begriff der Materie nur das Prädikat der Beharrlichkeit stehn ließ, alle ihre übrigen, wesentlichen Eigenschaften, Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, Theilbarkeit u.s.w. aber wegdachte. Wie jedes höhere Genus enthält also der Begriff Substanz weniger in sich als der Begriff Materie: aber er enthält nicht dafür, wie sonst immer das höhere Genus, mehr unter sich, indem er nicht mehrere niedere genera, neben der Materie, umfaßt; sondern diese bleibt die einzige wahre Unterart des Begriffes Substanz, das einzige Nachweisbare, dadurch sein Inhalt realisirt wird und einen Beleg erhält. Der Zweck also, zu welchem sonst die Vernunft durch Abstraktion einen hohem Begriff hervorbringt, nämlich um in ihm mehrere, durch Nebenbestimmungen verschiedene Unterarten zugleich zu denken, hat hier gar nicht Statt: folglich ist jene Abstraktion entweder ganz zwecklos und müßig vorgenommen, oder sie hat eine heimliche Nebenabsicht. Diese tritt nun ans Licht, indem unter den Begriff Substanz, seiner ächten Unterart Materie eine zweite koordinirt wird, nämlich die immaterielle, einfache, unzerstörbare Substanz, Seele, Die Erschleichung dieses Begriffs geschah aber dadurch, daß schon bei der Bildung des hohem Begriffes Substanz gesetzwidrig und unlogisch verfahren wurde. In ihrem gesetzmäßigen Gange bildet die Vernunft einen hohem Geschlechtsbegriff immer nur dadurch, daß sie mehrere Artbegriffe neben einander stellt, nun vergleichend, diskursiv, verfährt und, durch Weglassen ihrer Unterschiede und Beibehalten ihrer Uebereinstimmungen, den sie alle umfassenden, aber weniger enthaltenden Geschlechtsbegriff erhält: woraus folgt, daß die Artbegriffe immer dem Geschlechtsbegriff vorhergehn müssen. Im gegenwärtigen Fall ist es aber umgekehrt. Bloß der Begriff Materie war vor dem Geschlechtsbegriff Substanz da, welcher ohne Anlaß und folglich ohne Berechtigung, müßigerweise aus jenem gebildet wurde, durch beliebige Weglassung aller Bestimmungen desselben bis auf eine. Erst nachher wurde neben den Begriff Materie die zweite unächte Unterart gestellt und so untergeschoben. Zur Bildung dieser aber bedurfte es nun weiter nichts, als einer ausdrücklichen Verneinung dessen, was man vorher stillschweigend schon im hohem Geschlechtsbegriff weggelassen hatte, nämlich Ausdehnung, Undurchdringlichkeit, Theilbarkeit. So wurde also der Begriff Substanz bloß gebildet, um das Vehikel zur Erschleichung des Begriffs der immateriellen Substanz zu seyn. Er ist folglich sehr weit davon entfernt für eine Kategorie oder nothwendige Funktion des Verstandes gelten zu können: vielmehr ist er ein höchst entbehrlicher Begriff, weil sein einziger wahrer Inhalt schon im Begriff der Materie liegt, neben welchem er nur noch eine große Leere enthält, die durch nichts ausgefüllt werden kann, als durch die erschlichene Nebenart immaterielle Substanz, welche aufzunehmen er auch allein gebildet worden: weswegen er, der Strenge nach, gänzlich zu verwerfen und an seine Stelle überall der Begriff der Materie zu setzen ist.

      Die Kategorien waren für jedes mögliche Ding ein Bett des Prokrustes, aber die drei Arten der Schlüsse sind es nur für die drei sogenannten Ideen. Die Idee der Seele


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