Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer


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und Verben bestände. Diesen Grundformen wären dann diejenigen Gedankenformen unterzuordnen, welche durch die Flexionen jener, also durch Deklination und Konjugation ausgedrückt werden, wobei es in der Hauptsache unwesentlich ist, ob man zur Bezeichnung derselben den Artikel oder das Pronomen zu Hülfe nimmt. Wir wollen jedoch die Sache noch etwas näher prüfen und von Neuem die Frage aufwerfen: welches sind die Formen des Denkens?

      1) Das Denken besteht durchweg aus Urtheilen: Urtheile sind die Fäden seines ganzen Gewebes. Denn ohne Gebrauch eines Verbi geht unser Denken nicht von der Stelle, und so oft wir ein Verbum gebrauchen, urtheilen wir.

      2) Jedes Urtheil besteht im Erkennen des Verhältnisses zwischen Subjekt und Prädikat, die es trennt oder vereint mit mancherlei Restriktionen. Es vereint sie, vom Erkennen der wirklichen Identität Beider an, welche nur bei Wechselbegriffen Statt finden kann; dann im Erkennen, daß das Eine im Andern stets mitgedacht sei, wiewohl nicht umgekehrt, – im allgemein bejahenden Satz; bis zum Erkennen, daß das Eine bisweilen im Andern mitgedacht sei, im partikulär bejahenden Satz. Den umgekehrten Gang gehn die verneinenden Sätze. Demnach muß in jedem Urtheil Subjekt, Prädikat und Kopula, letztere affirmativ, oder negativ, zu finden seyn; wenn auch nicht Jedes von diesen durch ein eigenes Wort, wie jedoch meistens, bezeichnet ist. Oft bezeichnet ein Wort Prädikat und Kopula, wie: »Kajus altert«; bisweilen ein Wort alle Drei, wie: concurritur, d.h. »die Heere werden handgemein«. Hieraus erhellt, daß man die Formen des Denkens doch nicht so geradezu und unmittelbar in den Worten, noch selbst in den Redetheilen zu suchen hat; da das selbe Urtheil in verschiedenen, ja sogar in der selben Sprache durch verschiedene Worte und selbst durch verschiedene Redetheile ausgedrückt werden kann, der Gedanke aber dennoch der selbe bleibt, folglich auch seine Form: denn der Gedanke könnte nicht der selbe seyn, bei verschiedener Form des Denkens selbst. Wohl aber kann das Wortgebilde, bei gleichem Gedanken und gleicher Form desselben, ein verschiedenes seyn: denn es ist bloß die äußere Einkleidung des Gedankens, der hingegen von seiner Form unzertrennlich ist. Also erläutert die Grammatik nur die Einkleidung der Denkformen. Die Redetheile lassen sich daher ableiten aus den ursprünglichen, von allen Sprachen unabhängigen Denkformen selbst: diese, mit allen ihren Modifikationen, auszudrücken ist ihre Bestimmung. Sie sind das Werkzeug derselben, sind ihr Kleid, welches ihrem Gliederbau genau angepaßt seyn muß, so daß dieser darin zu erkennen ist.

      3) Diese wirklichen, unveränderlichen, ursprünglichen Formen des Denkens sind allerdings die der logischen Tafel der Urtheile Kants; nur daß auf dieser sich blinde Fenster, zu Gunsten der Symmetrie und der Kategorientafel befinden, die also wegfallen müssen; imgleichen eine falsche Ordnung. Also etwan:

      a) Qualität: Bejahung oder Verneinung, d. i. Verbindung oder Trennung der Begriffe: zwei Formen. Sie hängt der Kopula an.

      b) Quantität: der Subjektbegriff wird ganz oder zum Theil genommen: Allheit oder Vielheit. Zur ersteren gehören auch die individuellen Subjekte: Sokrates, heißt: »alle Sokrates«. Also nur zwei Formen. Sie hängt dem Subjekt an.

      c) Modalität: hat wirklich drei Formen. Sie bestimmt die Qualität als nothwendig, wirklich, oder zufällig. Sie hängt folglich ebenfalls der Kopula an.

      Diese drei Denkformen entspringen aus den Denkgesetzen vom Widerspruch und von der Identität. Aber aus dem Satz vom Grunde und dem vom ausgeschlossenen Dritten entsteht die

      d) Relation. Sie tritt bloß ein, wenn über fertige Urtheile geurtheilt wird und kann nur darin bestehn, daß sie entweder die Abhängigkeit eines Unheils von einem andern (auch in der Pluralität beider) angiebt, mithin sie verbindet, im hypothetischen Satz; oder aber angiebt, daß Urtheile einander ausschließen, mithin sie trennt, im disjunktiven Satz. Sie hängt der Kopula an, welche hier die fertigen Urtheile trennt oder verbindet.

      Die Redetheileund grammatischen Formen sind Ausdrucksweisen der drei Bestandtheile des Urtheils, also des Subjekts, Prädikats und der Kopula, wie auch der möglichen Verhältnisse dieser, also der eben aufgezählten Denkformen, und der näheren Bestimmungen und Modifikationen dieser letzteren. Substantiv, Adjektiv und Verbum sind daher wesentliche Grundbestandtheile der Sprache überhaupt; weshalb sie in allen Sprachen zu finden seyn müssen. Jedoch ließe sich eine Sprache denken, in welcher Adjektiv und Verbum stets mit einander verschmolzen wären, wie sie es in allen bisweilen sind. Vorläufig ließe sich sagen: zum Ausdruck des Subjekts sind bestimmt: Substantiv, Artikel und Pronomen; – zum Ausdruck des Prädikats: Adjektiv, Adverbium, Präposition; – zum Ausdruck der Kopula: das Verbum, welches aber, mit Ausnahme von esse, schon das Prädikat mit enthält. Den genauen Mechanismus des Ausdrucks der Denkformen hat die philosophische Grammatik zu lehren; wie die Operationen mit den Denkformen selbst die Logik.

      Anmerkung. Zur Warnung vor einem Abwege und zur Erläuterung des Obigen erwähne ich S. Sterns »Vorläufige Grundlage zur Sprachphilosophie«, 1835, als einen gänzlich mißlungenen Versuch, aus den grammatischen Formen die Kategorien zu konstruiren. Er hat nämlich ganz und gar das Denken mit dem Anschauen verwechselt und daher aus den grammatischen Formen, statt der Kategorien des Denkens, die angeblichen Kategorien des Anschauens deduciren wollen, mithin die grammatischen Formen in gerade Beziehung zur Anschauung gesetzt. Er steckt in dem großen Irrthum, daß die Sprache sich unmittelbar auf die Anschauung beziehe; statt daß sie unmittelbar sich bloß auf das Denken als solches, also auf die abstrakten Begriffe bezieht und allererst mittelst dieser auf die Anschauung, zu der sie nun aber ein Verhältniß haben, welches eine gänzliche Aenderung der Form herbeiführt. Was in der Anschauung daist, also auch die aus der Zeit und dem Raum entspringenden Verhältnisse, wird allerdings ein Gegenstand des Denkens; also muß es auch Sprachformen geben es auszudrücken, jedoch immer nur in abstracto, als Begriffe. Das nächste Material des Denkens sind allemal Begriffe, und nur auf solche beziehn sich die Formen der Logik, nie direkt auf die Anschauung. Diese bestimmt stets nur die materiale, nie die formale Wahrheit der Sätze, als welche sich nach den logischen Regeln allein richtet.

      Ich kehre zur Kantischen Philosophie zurück und komme zur transscendentalen Dialektik. Kant eröffnet sie mit der Erklärung der Vernunft, welches Vermögen in ihr die Hauptrolle spielen soll, da bisher nur Sinnlichkeit und Verstand auf dem Schauplatz waren. Ich habe schon oben, unter seinen verschiedenen Erklärungen der Vernunft, auch von der hier gegebenen, »daß sie das Vermögen der Principien sei«, geredet. Hier wird nun gelehrt, daß alle bisher betrachteten Erkenntnisse a priori, welche die reine Mathematik und reine Naturwissenschaft möglich machen, bloße Regeln, aber keine Principien geben; weil sie aus Anschauungen und Formen der Erkenntniß hervorgehn, nicht aber aus bloßen Begriffen, welches erfordert sei, um Princip zu heißen. Ein solches soll demnach eine Erkenntniß aus bloßen Begriffen seyn und dennoch synthetisch. Dies aber ist schlechthin unmöglich. Aus bloßen Begriffen können nie andere, als analytische Sätze hervorgehn. Sollen Begriffe synthetisch und doch a priori verbunden werden; so muß nothwendig diese Verbindung durch ein Drittes vermittelt seyn, durch eine reine Anschauung der formellen Möglichkeit der Erfahrung; so wie die synthetischen Urtheile a posteriori, durch die empirische Anschauung vermittelt sind: folglich kann ein synthetischer Satz a priori, nie aus bloßen Begriffen hervorgehn. Ueberhaupt aber ist uns a priori nichts weiter bewußt, als der Satz vom Grunde, in seinen verschiedenen Gestaltungen, und es sind daher keine andere synthetische Urtheile a priori möglich, als die, welche aus dem, was jenem Satze den Inhalt giebt, hervorgehn.

      Inzwischen tritt Kant endlich mit einem seiner Forderung entsprechenden angeblichen Princip der Vernunft hervor, aber auch nur mit diesem einen, aus dem nachher andere Folgesätze fließen. Es ist nämlich der Satz, den Chr. Wolf aufstellt und erläutert in seiner »Cosmologia«, sect. 1, c. 2, § 93, und in seiner »Ontologia«, § 178. Wie nun oben, unter dem Titel der Amphibolie, bloße Leibnitzische Philosopheme für natürliche und nothwendige Irrwege der Vernunft genommen und als solche kritisirt wurden; gerade so geschieht das Selbe hier mit den Philosophemen Wolfs. Kant trägt dies Vernunftprincip noch durch Undeutlichkeit, Unbestimmtheit und Zerstückelung in ein Dämmerlicht gebracht vor (S. 307; v, 364, und 322; v, 379): es ist aber, deutlich ausgesprochen, folgendes: »Wenn das Bedingte gegeben ist, so muß auch die Totalität seiner Bedingungen, mithin


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