Gesammelte Werke. Ernst Wichert
Читать онлайн книгу.wollen, ob ihm Vertrauen zu schenken sei. Zuletzt fragte er ihn: Ist Euch etwas von der Eidechsengesellschaft bekannt, Junker?
Ich weiß wohl, antwortete Hans, daß einige Ritter des Kulmer Landes vor Jahren einen Bund geschlossen haben –
Einen heimlichen Bund, bemerkte der Komtur mit scharfer Betonung.
Es mag sein, daß der Bund seine Heimlichkeit hat, wie auch die andern Bündnisse solcher Art im Reiche. Aber ich habe doch gehört, daß er von des jetzigen Herrn Hochmeisters Vorfahr anerkannt und genehmigt ist, und daß ihm auch freundlich zugelassen worden, eine Vikarie zu stiften, erst zu Rheden, dann zu Thorn. Was also mit Vorwissen der Herrschaft geschehen, kann doch nicht Grund haben, sich zu verstecken!
Kennt Ihr die Artikel des Bundes?
Nein, hochwürdigster Herr Komtur.
Euer Vater gehört aber zu den Eidechsen – ich weiß es.
Er hat dessen kein Hehl und trägt das Abzeichen ganz offen auf seinem Siegelringe. Mir hat er sich aber bisher nicht vertraut, vielleicht weil er mich zu jung für solches Wissen gehalten, vielleicht weil Land und Leute dazu gehören, der Genossenschaft teilhaft zu werden, oder weil ich den Ritterschlag noch nicht empfangen.
Es sind auch Knechte in dem Bunde, entgegnete der Komtur. Nach einigem Schweigen fuhr er fort: Ich warne Euch wohlgemeint, Junker, dem Bündnis beizutreten, wenn man Euch dazu fordert. Es ist nicht so unschuldiger Art, als es scheinen mag, und wir haben es ernstlich zu beklagen, daß Herr Konrad von Jungingen sich überreden ließ, ihm zuzustimmen. Weshalb der Bund? In ihrem Briefe, wie sie ihn in der Marienburg vorgezeigt haben, steht geschrieben, daß sie einander gegenseitig helfen wollen in allen nothaftigen Sachen mit Leib und Gut gegen jedermann, und weislich haben sie hinzugefügt: außer gegen die Herrschaft! Aber wer hat ihnen eine Unbill zugefügt oder angedroht, daß sie sich zur Abwehr zusammenrotten müßten, und seit wann gewähren in Preußen die Gerichte den Eingesessenen nicht mehr Schutz gegen Klagen und Beschwerden, daß sie aufs Schwert schlagen und Gewalt verkünden dürfen? Seit wann ist der Arm der Gerechtigkeit in Preußen so kurz, daß er die Übeltäter und Friedensbrecher nicht erreichte? Seit wann gilt das Fehderecht in diesem Lande für des Ordens Untertanen? Laßt Euch auch nicht verblenden, Junker, durch den listigen Vorbehalt. Denn gegen niemand, als gegen die Herrschaft, kann der Bund im geheimen gerichtet sein. Wir wissen lange, daß sie danach streben, uns an ihren Rat zu binden, und daß sie unwillig leisten, was sie doch nach ihren Briefen schuldig sind, und man sagt ihnen noch schlimmeres Gelüste nach, wovon ich nicht sprechen will. Wäre ich Hochmeister, ich litte solche Verschwörung nicht, sollte sie auch nur in Zukunft gefährlich werden können. Denn alle stehen wir unter dem Gesetz, und wer Gewalt droht, der mißachtet schon das Gesetz und rüstet sich, es zu verletzen. Darum warne ich Euch, Junker, ehe ich Euch entlasse. Es kann sein, daß man Euch über kurz oder lang das Bündnis anbietet, denn viele Eurer Nachbarn gehören zu den Eidechsen, und Euer Vater wird gutsagen für Euch. Seht Euch vor, daß Ihr nicht Euer Gewissen belastet und hinterher zwischen Eid und Pflicht stehet – es könnte Euch gereuen! Hans von der Buche dankte ihm für den wohlmeinenden Rat und versprach, sich's reiflich zu überlegen, ehe er sich einmal entscheide. Für seinen Vater aber glaube er versichern zu können, daß er nichts Arges im Sinne habe und dem Orden treu ergeben sei in allen rechten Dingen. So wolle auch er es alle Zeit halten. Schenkt mir Euer Vertrauen, hochwürdigster Herr Komtur, schloß er, und ich will es wohl zu verdienen suchen.
Plauen reichte ihm die Hand und verabschiedete ihn dann mit solchen Worten, daß der Junker daraus entnehmen mußte, er rechnete nicht darauf, ihm nochmals zu begegnen. Heinz erfuhr nur, wovon im allgemeinen die Rede gewesen sei, und machte sich darüber wenig Sorge. Er zeigte sich gern bereit, den Freund nach der Stadt zu begleiten. Nun wissen wir doch, meinte er unterwegs, weshalb mein Oheim gestern so zurückhaltend war, als er deinen Namen erfahren hatte. Nun, es liegt ja in deiner Hand, ihn dir geneigt zu machen.
Hans aber war sehr nachdenklich geworden; es beschwerte ihn, daß der Komtur seinen Vater im Verdacht der Untreue hatte, und daß er ihn vor einer Genossenschaft warnte, zu der er durch so enge Bande der Verwandtschaft gewiesen war. Wie leicht konnte er da mit seinem Herzen in Streit kommen.
Das vermochte er auch nicht ganz zu vergessen, als er in das Haus am Markt eintrat und Waltrudis wiedersah. Sie kam ihm freundlich entgegen; er aber wagte jetzt kaum zu ihr aufzublicken und senkte sofort wieder die Augen, als blende ihn die Sonne. Heinz führte die Unterhaltung; er selbst war still und wortkarg, so daß Frau Clocz ihn besorgt fragte, ob er sich unwohl fühle. Laßt ihn nur, sagte Heinz lachend, er hat's heut allzusehr innerlich und kann so bald nicht wieder aus sich heraus.
Zur Vesper hatte sich's Lippolt ausgebeten, die Gäste zu bewirten. Die Neuenburgerin trug allerhand feines Backwerk auf, das sie selbst bereitet hatte, und erntete dafür viel Lob. Die Stunden vergingen rasch, und der Becher wurde oft mit frischem Met gefüllt. Als die Männer lustiger wurden, wollten die Frauen sich zurückziehen. Hans aber mahnte nun auch den Freund zum Aufbruch. Es muß doch einmal geschieden sein, sagte er schwermütig. Lippolt wollte wissen, wann er nach Graudenz zurückzukehren gedenke, damit er den Wagen bereithalten könne. Er erhielt darauf eine ausweichende Antwort.
Die Junker geleiteten darauf den Ratmann und dessen Familie nach dem Markthause zurück und sagten ihnen dort Lebewohl. Hans war neben Waltrudis gegangen, hatte aber kein Wort gesprochen. Nun bückte er sich schnell, als sie ihm die Hand reichte, und hauchte einen Kuß darauf. Dann eilte er fort, so daß Heinz Mühe hatte, ihm zu folgen.
Vor dem Schloßtor bog er links und ging auf das Brückentor zu, entlang der Straße an der Mauer. Wohin? rief Heinz ihm nach. Nun blieb er stehen und erwartete ihn. Ich kann jetzt nicht mit dir, sagte er, in unserer Schlafzelle würde ich nicht atmen können vor Beklommenheit. Gestern sah ich beim Vorübergehen ein kleines Fischerboot im Schilf nicht weit vom Brückenturm: die Ruder lagen dabei. Ich will auf den Strom hinaus – dort wird mir freier zumute werden.
So begleite ich dich, antwortete Heinz, seinen Arm ergreifend, der Abend wird wunderschön, und eine Wasserfahrt ist ein prächtiger Vorschlag. Hoffentlich läßt man uns auch noch ein paar Stunden später ins Schloß ein, und wenn nicht – pah! Die Luft ist schon warm genug, daß wir eine Nacht unter freiem Himmel nicht scheuen dürfen.
Wie du willst, sagte Hans darauf nach kurzem Besinnen.
Sie fanden das kleine Boot, das nur für zwei Männer Raum hatte und wahrscheinlich zum Übersetzen diente. Heinz ergriff die beiden Ruder und nötigte den Freund auf den hinteren Sitz. Mit einem kräftigen Stoß trieb er das Fahrzeug in die Strömung des Schwarzwassers hinein. Nach wenigen Minuten hatten sie das Schloß hinter sich und strebten der Mitte des Weichselflusses zu.
Dort zog Heinz die Ruder ein und stützte den Kopf in die Hände. Ganz ohne sein Bemühen wurde das Boot rasch stromaufwärts fortgezogen. Erst da, wo kurz vor Sartowitz das Bett sich erweitert, um eine große Zahl von Rohr- und Weidenkampen aufzunehmen, mußte er von Zeit zu Zeit mit dem Ruder nachhelfen, ein Auflaufen zu hindern. Schwärme von wilden Enten erhoben sich aus ihren dichten Verstecken. Hier lohnt im Herbst die Jagd, meinte Heinz. Er hielt das Boot in der Nähe des linken Ufers, wo der Strom am stärksten war. Lege einen Augenblick dort an, bat Hans, indem er nach einem Sandhaken wies, es wird Zeit, an die Rückkehr zu denken, und stromauf ist's für dich beschwerlicher.
Warum anlegen?
Ich will dich nicht lange aufhalten.
Aber was hast du im Sinn? Er gab dem Boot eine rasche Wendung auf den Haken hin, so daß es dessen Spitze streifte.
Hans sprang hinaus. Und nun lebe wohl! sagte er. Ich setze meinen Weg zu Fuß weiter fort.
Heinz stand auf und stützte sich aufs Ruder. So war's gemeint? Das nenne ich einen listigen Anschlag!
Der Freund bot ihm die Hand. Glaube mir, es ist am besten so. Meines Bleibens war dort nicht länger. Ich mochte nicht feierlichen Abschied nehmen; aber grüße mir Waltrudis und sage ihr – nein, sage ihr nichts. Ich hoffe, sie wiederzusehen, und dann wird sich's erklären. Dich erwarte ich in Buchwalde.
Er nickte ihm freundlich zu, wandte sich rasch und ging dem Weichseldamme zu. Heinz stand noch eine Weile, auf das Ruder