Gesammelte Werke. Ernst Wichert

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Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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in der Schlacht verlieren könne, und das Unwetter hob die Stimmung nicht. Noch einmal wollte er den lieben Freund umarmen.

      Nach einigem Suchen traf er auf eine kleine Gesellschaft von Männern, die sich hinter einem schwerbeladenen Wagen postiert hatten, den der Sturm vergeblich umzuwerfen bemüht war. Auf der Seite gegen den Wind hatten sie Spieße in die Erde gesteckt und eine Leinwand daran befestigt, die nun einigen Schutz gegen den Regen gewährte. Das Feuer war ausgeblasen. In der Dunkelheit ließen sich die Gesichter nicht unterscheiden: an der Stimme aber erkannte Heinz den einen der Lagernden als den Ritter Arnold von der Buche. Gottes Wunder, hörte er ihn sagen, wenn wir lebendigen Leibes noch den Morgen heranwachen. Es stürmt und blitzt, als ob die Welt untergehen wolle. Ich habe keinen trockenen Faden mehr, und mein Lederwams hält sonst doch dicht.

      Wer weiß auch, ob wir nicht vor dem Jüngsten Tage stehen, antwortete eine tiefe Stimme. Es ist Zeit, daß des Ordens Hoffart zu Fall kommt.

      Da müssen wir aber alle mit, meinte der Ritter lachend. Oder glaubst du, Bruder Nikolaus, daß die Eidechsen durchschlüpfen werden?

      Diese Anspielung wurde mit einem kräftigen Gelächter gutgeheißen.

      Ich wette darauf, nahm der Baß wieder das Wort, daß es bei den Polen drüben nicht halb so wettert und stürmt. Auf uns ist's abgesehen. Während die dort unter ihren Zelten ruhig schlafen, zwackt's uns an allen Gliedern, daß wir keine Minute Ruhe haben und morgen vor Müdigkeit von den Pferden fallen, bevor uns noch einer der großmäuligen Tataren anrennt. Gebt acht! Fällt mir die Fahne aus der Hand, so wißt ihr, weshalb es geschieht.

      Heinz trat hinzu und grüßte. Die Vordersten sprangen auf und riefen: Wer da? Hans hatte ihn schon erkannt und nannte seinen Namen. Er sollte nun niedersitzen und erzählen, was man in des Hochmeisters Umgebung treibe und ob schon vom Feind Kunde sei. Er plauderte aber nicht einmal das wenige aus, was er beiläufig aus der Gebietiger Gesprächen erfahren hatte, nahm nach kurzem Aufenthalt Hans beiseite und führte ihn fort.

      Sie gingen Arm in Arm. Es ist gar freundlich, daß du trotz Sturm und Regen kommst, sagte Hans. Wie ich mich nach dir gesehnt habe!

      Es könnte leicht das letztemal sein, antwortete Heinz, daß wir so nebeneinander schreiten. Zwar am Siege des Ordens zweifle ich nicht – heißt seine Schutzpatronin doch Maria! Auch daß wir beide uns tapfer unserer Haut wehren werden, dafür stehe ich gut. Aber es könnte doch sein, daß der eine oder andere –

      Der Sturm schien ihm die Worte vom Munde fortzustoßen. Was mich betrifft, bemerkte Hans, ohne ihm Zeit zu lassen, von neuem Atem zu schöpfen, so ist mir ein Tag wie der andere. Kein Mensch ist seines Lebens Herr; der aber, der es gegeben hat, nimmt es, wie und wann er's will. Den einen, der keine Gefahr ahnt, wirft er nieder auf freiem Felde, den andern leitet er heil aus der dichten Schar seiner Feinde, ob er schon sein letztes Stündlein gekommen glaubte. Was wir auch tun, es ist nur zu unserem Heil oder Unheil durch seinen Ratschluß. So bin ich meinetwegen ganz ruhig. Wer weiß auch, was ihm aufbewahrt wäre, wenn er sein Dasein verlängern könnte.

      Das sind trübe Gedanken, antwortete Heinz kopfschüttelnd. Hilf dir selbst, heißt es, so hilft dir Gott.

      Wenn er will, setzte der Freund hinzu. Glaube aber nicht, daß ich deshalb mein Leben weniger mannhaft verteidigen werde – weiß ich doch nicht, was er will. Schenkt er mir's, so weiß ich, daß er noch viel Schweres von mir fordern wird. Nimmt er mir's, so ist's gewiß, daß ich ihm zu nichts mehr nütze war. Versprich mir eines, Heinz! Wenn ich im Kampfe falle –

      Es wird nicht sein.

      Wenn ich im Kampfe falle, sage deiner Schwester nichts davon, daß mein letztes Wort ihr Name sein wird. Sie soll nicht wissen, daß ich sie geliebt habe.

      Und meinst du, ihr Herz würde sich deshalb weniger betrüben?

      Ich hoffe es.

      Geh, ich glaube dir nicht. Du hoffst, daß du wiedergeliebt bist – sonst liebtest du nicht.

      Es ist kein Wort zwischen uns gesprochen.

      Und doch weiß jeder, was er weiß. Aber wie du willst! Ich für mein Teil denke darin anders. Ist mir einer von Herzen gut, so soll er auch sein Recht haben und um mich weinen dürfen, wie ich's um ihn täte, wenn ich ihn verlieren müßte. Helfen kann's freilich nicht, aber es beruhigt doch das Gemüt. Auch ich habe eine Bitte, Hans. Wenn du mich auf dem Schlachtfelde unter den Toten findest – zieh mir den kleinen Ring mit dem blauen Vergißmeinnicht vom Finger und gib ihn an Maria Huxer zurück. Sage ihr, daß ich ihn zu ihrem Andenken getragen habe bis zum letzten Hauch, und daß sie nun frei ist, da der Tod uns scheide. Willst du das?

      Hans drückte seine Hand. Ich will's, wenn ich's kann. Sie waren wieder zu dem Lagerplatz unter den Wagen zurückgekehrt. Und versprich mir, dich nicht aus Übermut der Gefahr auszusetzen, bat er beim Abschiede. Deiner wartet viel Glück.

      So bist du wissender als die alte Hexe aus dem Preußenwall, die mir wahrsagte, entgegnete Heinz. Ihre Prophezeiung war wenig tröstlich. Aber nun sage ich: wie Gott will. Lebe wohl!

      Er umarmte den Freund und hielt ihn eine Weile an seine Brust geschlossen. Dann riß er sich los und eilte fort. –

      Mit Morgengrauen war das Ordensheer auf. Das Lager blieb bei Frögenau stehen, die Kriegsscharen marschierten dem Dorfe Grünwalde zu. Von dort, aus mäßiger Höhe, konnte man über eine flache Talmulde hin drüben am Rande des Gehölzes die Vorposten Witowds erkennen.

      Mit dem Rücken gegen Grünwalde gekehrt, hatte der Meister vor sich ein weites, ödes Feld, braune Heide zwischen fernem Gehölz. Links lag das Dorf Tannenberg auf einer sanften Erderhöhung, die sich nach rechts mit mancherlei Unterbrechungen bis zu einem Wäldchen fortsetzte. Dahinter noch mehr rechts lagen die Dörfer Schönwäldchen und Seemen an den sumpfigen Ufern des Semnitzflusses und des Großen Damerausees. Die Entfernung zwischen Dorf Tannenberg und dem Walde mochte fünftausend Schritte und mehr messen. Dort stellte der Meister, bis gegen die Absenkung vorrückend, sein Heer in zwei Treffen hintereinander auf. Kleine Korps zur Beobachtung des Feindes, wenn derselbe etwa eine Umgehung versuchen wollte, schob er links über Tannenberg und rechts über den Wald hinaus. Eine Reserve postierte er in drei kurzen Linien vor das Dorf Grünwalde und hinter das zweite Treffen. Eine kleinere Abteilung wurde bei Seemen hinter den Semnitzfluß gelegt, für alle Fälle den dortigen Übergang zu decken. So stand nach einigen Stunden das Heer in Schlachtordnung und erwartete den Angriff. Die Banner und Fahnen flatterten lustig in dem noch immer scharfen Winde. Vor das erste Treffen war das schwere Geschütz aufgepflanzt, wo irgendeine Erhöhung des Erdbodens seine Wirkung zu verstärken versprach.

      Der Hochmeister aber, in strahlender Rüstung, ritt die langen Linien auf und ab mit zahlreichem Gefolge von Rittern, Knappen und Hauptleuten, überall freundlich grüßend und ermunternd. Traf er auf eine auserlesene Schar oder einen Führer, der ihm wohlbekannt und seiner Achtung wert war, so hielt er wohl auch an, lenkte sein Pferd seitwärts und unterhielt sich eine Weile. Das große Banner des Hochmeisters hatte er seiner Schar vorbehalten, das kleine war beschützt durch viele edle Kreuzherren und vorzügliche Söldner aus Deutschland, die dazu erwählt waren. Das Banner des Ordens: auf weißem, an der Seite zweimal geschlitztem Tuch ein geradliniges schwarzes Kreuz, führte der Ordensmarschall Friedrich von Wallenrod selbst als Kriegsoberster. Er hatte die Franken um sich geschart, da er selbst ein Franke von Geburt war und sein Geschlecht dort zu Hause. Dessen Wappen, auf rotem Felde eine silberne, viereckige, auf dem Helm sich wiederholende Schnalle, trug ein Anverwandter, der mit auserlesener Mannschaft dem Orden zugezogen war. Mit ihm sprach der Meister lange.

      Fast noch länger aber mit dem edlen Ritter Georg von Gersdorf, der die Fahne des heiligen Georg, das Hauptbanner der Söldner, trug: ein weißes Kreuz auf rotem Grunde, der oberste Zipfel des Tuches ausgespitzt. Weiter folgte das Banner des Ordenstreslers; seine Zeichnung war gut gewählt: ein großer weißer Schlüssel mit drei kleinen schwarzen Kreuzen im Bart. Unter dem Großkomtur Konrad Lichtenstein standen die Söldner aus Österreich und Ordensbrüder. Die Fahne dort mit dem schwarzen Ochsenkopf, die Nasenlöcher durchbohrt von einem Ringe, gehörte Graudenz an, und der Komtur Wilhelm von Helfenstein führte sie. Und so trug jeder Komtur sein sonderliches Banner. Auch die Bischöflichen fehlten nicht. Da


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